Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(03): e41
DOI: 10.1055/s-0045-1808386
Abstracts
Neonatologie: Ernährung/Stoffwechsel

Der Wert zentraler Venenkatheter bei Frühgeborenen: unschätzbar oder überschätzt?

C Silwedel-Mommertz
1   Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg, Germany
,
J Retzmann
1   Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg, Germany
,
A Grimm
1   Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg, Germany
,
P Paul
1   Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg, Germany
,
E Herting
2   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Lübeck, Germany
,
W Göpel
2   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Lübeck, Germany
,
C Härtel
1   Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg, Germany
› Author Affiliations
 

Hintergrund: Zentrale Venenkatheter (ZVK) werden insbesondere bei sehr unreifen Frühgeborenen (FG) regelhaft eingesetzt. Eine der wichtigsten ZVK-Indikationen ist die parenterale Ernährung.

Ziel: Ziel der Studie war die Evaluation des Einflusses von ZVK auf den enteralen Kostaufbau von FG sowie auf die Entwicklung der somatischen Parameter und das neurologische Langzeitoutcome.

Methoden: Innerhalb der multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie des German Neonatal Networks wurden FG≤28+6 SSW mit und ohne ZVK verglichen hinsichtlich der Geschwindigkeit des enteralen Kostaufbaus und des Gedeihens während des initialen Aufenthaltes. Zudem wurden die somatischen Parameter, der Intelligenzquotient (IQ) und das psychosoziale Verhalten nach 5 Jahren evaluiert. Univariate Analysen und multivariate lineare Regressionsmodelle (unabhängige Variablen: Gestationswoche, Geburtsgewicht (GG), small for gestational age (SGA), ZVK, Sepsis, Hirnblutung, less invasive surfactant administration) wurden durchgeführt. FG mit Operation bei nekrotisierender Enterokolitis / fokaler intestinaler Perforation wurden ausgeschlossen.

Ergebnisse: Die Daten von n=12516 FG wurden analysiert. Bei der Mehrheit aller FG (n=10213, 82%) wurde ein ZVK dokumentiert, wobei die ZVK-Rate umgekehrt proportional zur Reife war. Die Kohorte mit ZVK unterschied sich von der Gruppe ohne ZVK u.a. durch ein signifikant geringeres Gestationsalter (MW 26,3 (IQR 25,0-27,6) vs. 27,5 (26,9-28,4) Wochen, p<0,001) und GG (821 (646-980) vs. 1002 (855-1175) g, p<0,001) sowie durch einen höheren Anteil an SGA-FG (14,7 vs. 5,0%, p<0,001).

Lineare Regressionsanalysen zeigten, dass ZVK keinen unabhängigen Einfluss auf die Gewichtszunahme während des stationären Aufenthaltes ausübten. Ebenso bestand kein Zusammenhang mit den somatischen Parametern, dem IQ oder dem psychosozialen Verhalten im 5-Jahres-Follow-up.

In univariaten Analysen war in der Kohorte mit ZVK die Dauer des enteralen Nahrungsaufbaus signifikant länger (Ende Kostaufbau: MW 18,8 (IQR 11,0-21,0) vs. 11,8 (8,0 vs. 13,0) d, p<0,001). Auch die lineare Regressionsanalyse bestätigte eine negative Assoziation von ZVK und Ende des enteralen Kostaufbaus unabhängig von anderen Einflussfaktoren (t=14,408, p<0,001).

Zusammenfassung: Während die parenterale Ernährung eine der häufigsten Indikationen für ZVK bei FG darstellt, legen unsere Daten nahe, dass die Bedeutung von ZVK für das Gedeihen und die neurologische Langzeit-Entwicklung von FG möglicherweise überschätzt wird. Umgekehrt waren ZVK in dieser Studie mit einem verzögerten enteralen Nahrungsaufbau während des stationären Aufenthalts assoziiert.

Die Ergebnisse dieser Studie könnten zu einem restriktiveren Einsatz von ZVK im Kontext der Infektionsprävention beitragen. Insbesondere die Geschwindigkeit des initialen enteralen Kostaufbaus lässt Verbesserungspotential erkennen. Stewardship-Programme können bei der kritischeren Prüfung von ZVK-Indikationen unterstützen.



Publication History

Article published online:
19 May 2025

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