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DOI: 10.1055/s-0045-1808435
Kolonisationsscreening bei sehr kleinen Frühgeborenen und deren Müttern – Bedeutung für das Infektionsrisiko
Hintergrund: Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) empfiehlt seit 2013 die Durchführung eines wöchentlichen mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei allen intensivmedizinisch betreuten Neugeborenen um die Inzidenz nosokomialer Infektionen an deutschen neonatologischen Intensivstationen zu reduzieren [1]. Es werden zum einen multiresistente Erreger (MRE) sowie eine Auswahl anderer Infektionserreger, die aufgrund ihrer epidemischen Verbreitung auf der neonatologischen Intensivstation sowie Problemen bei der antibiotischen Therapie besonders relevant sind untersucht (KRINKO-Erreger) [1] [2].
Zielsetzung: Aufgrund bisher unzureichender Datenlage soll die vorliegende monozentrische Untersuchung ein Überblick über prä- bzw. perinatales Vorkommen von KRINKO-Erregern bei Müttern von Very low birth weight infants (VLBWI, Frühgeborene mit Geburtsgewicht<1500 g), vertikale Transmissionsraten, postnatale Besiedlungsdynamik sowie Resistenzentwicklungen geben. Zudem soll gezeigt werden, wie häufig ein im Kolonisationsscreening detektierter Erreger nachfolgend eine systemische Infektion verursacht.
Methodik: Dazu wurden von Anfang 2013 bis Ende 2017 mikrobiologische sowie infektionsbezogene Daten, die im Rahmen der Routinediagnostik generiert wurden, von allen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, geborenen VLBWI und deren Müttern retrospektiv erfasst und ausgewertet.
Ergebnisse: Es konnten n=319 VLBWI eingeschlossen werden; für n=183 Mütter lagen prä- bzw. perinatale Abstrichuntersuchungen vor. 17,5% der Mütter waren mit mindestens einem KRINKO-Erreger zervikovaginal besiedelt; bei 1,1% wurde ein MRE nachgewiesen.
Bei 17,6% der VLBWI ließ sich eine vertikale Transmission von mütterlichen Erregern nachvollziehen. Knapp 14,7% der VLBWI waren mit mindestens einem MRE besiedelt. Die MRE ließen sich im Median am 33. Lebenstag initial nachweisen. 10,0% der VLBWI waren mit einem 2MRGN (multiresistenter Gram-negativer)-Erreger besiedelt. Bei 3,1% aller VLBWI ließ sich ein Hinzukommen von Resistenzen bei vorab multisensiblen, kolonisierenden Erregerspezies beobachten. 2% der VLBWI erkrankten an einer kulturgesicherten Sepsis durch die vorab im Kolonisationsscreening nachgewiesenen Erreger.
Zusammenfassung: Die vorliegende Untersuchung charakterisiert die Prävalenz von KRINKO-Erregern bei VLBWI und deren Müttern an einem Perinatalzentrum Level 1. Jeder zehnte VLBWI war mit einem 2MRGN-Erreger besiedelt. Die fragliche Notwendigkeit der daraus resultierenden, bislang durch die KRINKO empfohlenen, aufwändigen Barriere-Maßnahmen werden aktuell in der multizentrischen, cluster-randomisierten BALTIC Studie (Barrier protection to lower transmission and infection rates with Gram-negative 2-MRGN in preterm children) kritisch untersucht.
Publication History
Article published online:
19 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Praktische Umsetzung sowie krankenhaushygienische und infektionspräventive Konsequenzen des mikrobiellen Kolonisationsscreenings bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen – Ergänzende Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut zur Implementierung der Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht unter 1500g aus dem Jahr 2007 und 2012. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts 2013; 42: 422-431
- 2 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Risikocharakterisierung intensivmedizinisch behandelter Früh- und Neugeborener und Daten zur Ist-Situation in deutschen neonatologischen Intensivpflegestationen 2013. Supplement zum Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts 2013; 42: 1-52