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DOI: 10.1055/s-0045-1808527
Adipositas-assoziierte Kardiomyopathie mit letalem Ausgang nach extremer Gewichtszunahme im Jugendalter
Einleitung: Extreme Adipositas im Jugendalter erhöht das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen im Erwachsenenalter, beinhaltet aber auch das Risiko der Entwicklung einer adipositas-assoziierten Kardiomyopathie [1] [2]. Das Risiko eines plötzlichen Herztodes (SCD) ist erhöht.
Kasuistik: Ein 16-jähriger Junge stellte sich mit Bauchschmerzen, Ruhedyspnoe und eingeschränkter Belastbarkeit vor. Nach dem Krebstod des Vaters nahm er durch ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel in zwei Jahren 118 kg zu (bei Aufnahme: 188 kg, BMI 59,3 kg/m2, extreme Adipositas). Ambulant wurde durch den Hausarzt bei dekompensierter Herzinsuffizienz eine Therapie mit Candesartan, Torasemid und Bisoprolol begonnen. Sonographisch zeigten sich eine beidseits global eingeschränkte systolische Ventrikelfunktion (Ejektionsfraktion EF 36%), Pleuraergüsse, Aszites und im Röntgen eine verbreiterte Herzsilhouette. NT-proBNP war erhöht (max. 8845 ng/L). Im Langzeit-EKG traten vereinzelt ventrikuläre Extrasystolen (VES) auf. Es bestand kein Hinweis auf eine infektiöse Myokarditis oder eine hormonelle Störung als Ursache der Adipositas. Eine weitere Abklärung mittels Herzkatheter und Kardio-MRT wurde angestrebt, war aber aufgrund des hohen Gewichts nicht durchführbar (Maximalbelastung der Liege). Die begonnene Herzinsuffizienz-Therapie wurde optimiert (Furosemid – im Verlauf Torasemid, Spironolacton, Ramipril – im Verlauf wegen Nebenwirkungen Candesartan, Bisoprolol). Zusätzlich wurde bei Tachykardie Ivabradin verabreicht. Zur Inotropiesteigerung wurde Milrinon eingesetzt, das erst nach Levosimendan-Gabe wieder abgesetzt werden konnte. Begleitend erfolgte Ernährungsberatung, physiotherapeutische und psychologische Betreuung. Nach fast zweimonatigem Aufenthalt wurde der Junge nach Hause entlassen, eine Rehabilitationsmaßnahme war veranlasst. In der kardiologischen Kontrolle nach drei Wochen war er zunehmend belastbarer (Gewicht 167 kg). Die Ventrikelfunktion war weiterhin eingeschränkt mit einzelnen VES (1,3% der Schläge) im Langzeit-EKG, welche bis auf Langzeit-EKG-Kontrollen ohne Konsequenz blieben. Wenige Wochen später wurde er nach sportlicher Belastung reanimationspflichtig. Die Reanimationsbemühungen waren bei therapierefraktärem Kammerflimmern erfolglos.
Schlussfolgerung: In diesem Fall trat ein am ehesten rhythmogener SCD als Folge einer adipositas-assoziierten Kardiomyopathie schon im Jugendalter ein. Im stationären Aufenthalt wurde das Einsetzen eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators diskutiert. Laut Leitlinie war dies nicht indiziert (EF>35%, keine ventrikuläre Tachykardie [3]). Eine frühzeitige psychologische Betreuung nach dem Tod des Vaters und eine frühzeitige Lebensstiländerung bezüglich der sich entwickelnden Adipositas hätten präventiv sein können. Hookana et al. [4] berichtet in einer finnischen (erwachsenen) Population in 21,8% der SCD-Fälle eine nicht-ischämische Kardiomyopathie als Ursache und in diesen Fällen in 23,7% eine Assoziation zu Adipositas.
Publication History
Article published online:
19 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Bendor CD, Bardugo A, Pinhas-Hamiel O, Afek A, Twig G.. Cardiovascular morbidity, diabetes and cancer risk among children and adolescents with severe obesity. Cardiovasc Diabetol 2020; 19: 79
- 2 ESC Scientific Document Group. Koskinas KC, Van Craenenbroeck EM, Antoniades C, Blüher M, Gorter TM, Hanssen H, Marx N, McDonagh TA, Mingrone G, Rosengren A, Prescott EB. Obesity and cardiovascular disease: an ESC clinical consensus statement. Eur Heart J 2024; 45: 4063-4098
- 3 ESC Scientific Document Group. Zeppenfeld K, Tfelt-Hansen J, de Riva M, Winkel BG, Behr ER, Blom NA, Charron P, Corrado D, Dagres N, de Chillou C, Eckardt L, Friede T, Haugaa KH, Hocini M, Lambiase PD, Marijon E, Merino JL, Peichl P, Priori SG, Reichlin T, Schulz-Menger J, Sticherling C, Tzeis S, Verstrael A, Volterrani M. 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J 2022; 43: 3997-4126
- 4 Hookana E, Junttila MJ, Puurunen VP, Tikkanen JT, Kaikkonen KS, Kortelainen ML, Myerburg RJ, Huikuri HV.. Causes of nonischemic sudden cardiac death in the current era. Heart Rhythm 2011; 8: 1570-5