Rofo 2025; 197(S 02): S38-S39
DOI: 10.1055/s-0045-1810376
Abstracts
Abstractnr. WV 14

Validierung eines neuen Scores zur Beurteilung von Resttumor nach Resektion beim Neuroblastom: Erste Ergebnisse

Vortragende:r Jürgen Schäfer; juergen.schaefer@med.uni-tuebingen.de
J Schäfer
1   Pädiatrische Radiologie, Department Radiologie, Universitätsklinikum Tübingen
,
J Spogis
1   Pädiatrische Radiologie, Department Radiologie, Universitätsklinikum Tübingen
,
J Fuchs
2   Abteilung Kinderchirurgie und Kinderurologie, Department Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen
,
S W Warmann
3   Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie mit Arbeitsbereich Kinderurologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin
,
B Hero
4   Klinisches Studienzentrum Neuroblastomstudie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Köln
,
T Simon
5   Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Universitätsklinikum Köln
,
H Deubzer
6   Klinik für Pädiatrie m.S. Onkologie und Hämatologie, Nationales Koordinationszentrum HR-NBL2/SIOPEN, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
S Castelli
6   Klinik für Pädiatrie m.S. Onkologie und Hämatologie, Nationales Koordinationszentrum HR-NBL2/SIOPEN, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
M Müller
7   mbits Imaging GmbH, Heidelberg
,
J Merta
8   Klinik für Partikeltherapie, Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen, Universitätsklinikum Essen
,
B Timmermann
8   Klinik für Partikeltherapie, Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen, Universitätsklinikum Essen
› Institutsangaben
 

Hintergrund: Die multinationale HR-NBL2 Studie der SIOPEN untersucht die Bedeutung einer lokalen Radiotherapie mit oder ohne Boost bei Patienten mit makroskopischen Tumorresten nach. Bislang existieren jedoch keine standardisierten Definitionen für Resttumoren in der Bildgebung, was das Risiko einer uneinheitlichen Randomisierung birgt, und die Aussagekraft der Studienergebnisse einschränken kann. Vor diesem Hintergrund wurde durch das deutsche Neuroblastom-Register ein neuer multimodaler Score zur Beurteilung von postoperativen Resttumoren vorgeschlagen. Ziel dieser Studie war die Validierung des MRT-basierten Anteils des neuen Scores bei Kindern mit Neuroblastom nach Operation an nationalen Referenzzentren für Neuroblastomchirurgie.

Methoden: Retrospektiv wurden 18 Kinder (Ø 4,6 Jahre) eingeschlossen, die nach GPOH-Leitlinien behandelt und am Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen bestrahlt wurden. Voraussetzung war das Vorliegen prä-, postoperativer und präradiotherapeutischer MRTs und fakultativ [123I]-mIBG-Szintigrafien. Der Score beruht auf dem chirurgischen OP-Bericht (Tumorrest: 2 Punkte), MRT-Untersuchungen zu zwei Zeitpunkten (Tumorgröße>1 cm: 2 Punkte;≤1 cm: 1 Punkt; Diffusionsrestriktion: 1 Punkt) sowie der [123I]-mIBG-Szintigrafie vor Radiotherapie (Tumor positiv in planar: 1, SPECT: 2, SPECT-CT: 4 Punkte). Insgesamt wurden 54 MRTs über eine browserbasierte Plattform (mRay®​) von zwei Kinderradiologen unabhängig bewertet. Es erfolgte die Analyse von Image-defined Risk Factors (IDRFs), präoperativem Tumorvolumen, Resttumor (Größe, ADC), Bildqualität (Likert 1–4) und Interreader-Übereinstimmung (ICC). Der Score wurde mit der tatsächlichen Boost-Indikation verglichen.

Ergebnisse: Das mediane präoperative Tumorvolumen betrug 84 ml (Spannweite: 3–344 ml). Die MRT wurde im Mittel 50 Tage (2–126 Tage) nach der Operation durchgeführt. In den OP-Berichten wurden bei sechs Patienten makroskopische Resttumoren beschrieben, während in der MRT bei 13 Patienten insgesamt 27 Läsionen mit einer durchschnittlichen Größe von 13 mm (4–32 mm) erkannt wurden. Der mittlere ADC-Wert betrug 1217×10–⁶ mm2/s (95%-Konfidenzintervall: 968–1270). Die Übereinstimmung der Score-Bewertung zwischen den beiden Radiologen war mit einem Intraklassenkorrelationskoeffizienten von 0,89 (CI: 0,78–0,94) exzellent. Die Bildqualität wurde mit Mittelwerten von 3,2 bzw. 3,3 auf einer vierstufigen Likert-Skala (1=nicht diagnostisch, 4=exzellent) bewertet. In 89% der Fälle (16 von 18 Patienten) stimmte ein Score≥4 mit der tatsächlichen klinischen Indikation für einen Boost überein.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen nur eine geringe Untersucherabhängigkeit der Punkteverteilung für die MRT. Trotz zum Teil sehr kleinen Resttumoren, heterogenem MRT-Sequenz-Protokollen und reduzierter Bildqualität scheint der Score dennoch robust genug, um verlässlich genutzt zu werden. Hierfür spricht auch, dass in dieser unabhängigen Auswertung eine gute Übereinstimmung mit der tatsächlich durchgeführten Bestrahlungsform gefunden wurde. Die Studie weist mehrere Limitationen auf. Zum einen war die Bildqualität aufgrund der Heterogenität der eingesetzten MRT-Protokolle eingeschränkt. Zum anderen stellte die Abgrenzung zwischen tatsächlichen Herden und postoperativen Veränderungen ein diagnostisches Problem dar, insbesondere bei zeitlich verzögerter Bildgebung. In den OP-Berichten wurde zudem häufig der in der Literatur zum Teil unterschiedlich definierte Begriff "GTR" (gross total resection) anstelle der präziseren Definition "CME" (complete macroscopic excision) verwendet, was die Auswertung erschwerte. Weitere Einschränkungen ergeben sich durch das retrospektive Studiendesign und die Tatsache, dass lediglich Radiologen aus einem einzigen Zentrum beteiligt waren. Die Datenerhebung vor einem größeren Hintergrund und in nicht-Referenz-chirurgischer Konstellation bleibt zu untersuchen.

Fazit: Der neu entwickelte Score zeigte eine gute Anwendbarkeit auf der Basis von MRT-Befunden und eine hohe Übereinstimmung mit der tatsächlichen Entscheidung zur radiotherapeutischen Intensivierung. Die Ergebnisse belegen die klinische Relevanz und diagnostische Robustheit des Scores und bilden die Grundlage für eine multizentrische Validierungsstudie.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
25. August 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany