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DOI: 10.1055/s-0045-1810395
Henne oder Ei: Ungewöhnlicher MRT-Befund nach einem unbeobachteten Sturz bei einem 12-jährigen Jungen
Authors
Anamnese: Ein zuvor gesunder 12-jähriger Junge wurde aus einem regionalen Krankenhaus mit progredienter neurologischer Symptomatik übernommen. Der Patient hatte einen unbeobachteten Sturz auf den Hinterkopf, mutmaßlich im Rahmen einer Synkope bei Gastroenteritis, erlitten. Seit mehreren Tagen bestanden Fieber bis 39°C, Erbrechen und Diarrhoe. Nach dem Sturz war der Patient initial wach und orientiert, entwickelte jedoch wenige Stunden später eine Aphasie, Vigilanzminderung, Pupillendifferenz sowie eine Hemiparese rechts. In der cCT zeigten sich eine okzipitale Schädelfraktur und der V.a. eine intrakranielle Blutung, woraufhin die Verlegung zur weiteren Abklärung erfolgte.
Bildgebung: In der extern durchgeführten cCT fand sich eine nicht-dislozierte Kalottenfraktur okzipital rechts mit subgalealem Hämatom. Die cMRT zeigte symmetrische hyperintense Signalveränderungen in der T2 und FLAIR mit korrespondierend ausgeprägter Diffusionsrestriktion im Splenium corporis callosi sowie im Centrum semiovale beidseits bei Aussparung der U-Fasern. Es fanden sich keine Kontrastmittelaufnahme oder Begleitbefunde in Basalganglien, Kortex oder Hirnstamm. Zusätzlich zeigten sich diskrete subarachnoidale Blutauflagerungen rechts cerebellär/tentoriell.
Diagnose : Insgesamt ergab sich ein für MERS (mild encephalopathy with a reversible splenial lesion) typisches Bild. Im Rachenabstrich gelang der Nachweis von Influenza Typ B, womit die Diagnose einer MERS im Rahmen einer Influenza-Infektion gestellt werden konnte.
Diskussion und Fazit: MERS ist eine seltene, meist selbstlimitierende Enzephalopathie, die typischerweise im Rahmen von Infektionen auftritt und reversible MRT-Befunde im Bereich des Spleniums zeigt. Das charakteristische MRT-Muster – mit isolierten T2/FLAIR-hyperintensen, diffusionsgestörten Läsionen im Splenium mit angrenzender Marklagerbeteiligung und ohne Kontrastmittelaufnahme – ist diagnostisch wegweisend. Der Patient präsentierte sich mit akuter Vigilanzminderung, Aphasie und Hemiparese bei Nachweis von Influenza B. MERS sollte bei entsprechender Klinik und Bildgebung differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden – neben Influenzaviren wurden MERS-assoziierte Läsionen auch bei anderen viralen Infektionen wie Rotaviren sowie bei bakteriellen, metabolischen, und medikamentös-toxischen Ursachen beschrieben. Differenzialdiagnostisch kamen in unserem Fall auch hypoxisch-ischämische und toxisch-metabolische Enzephalopathien infrage. Die rasche klinische Besserung trotz der ausgeprägten MRT-Befunde unter antiviraler Therapie und unterstützender Gabe von Methylprednisolon sprachen gegen diese, die Verlaufskontrolle nach 7 Tagen bestätigte die Verdachtsdiagnose durch einen typischen radiologischen Verlauf mit vollständiger Rückbildung der MRT-Veränderungen. Die initiale Anamnese mit Sturzereignis und nachfolgender neurologischer Symptomatik warf zudem die Frage nach der Kausalität auf: Kam es infolge einer infektionsbedingten MERS zum Sturz oder war das Trauma Auslöser der MERS? Obwohl MERS-Fälle auch nach Traumata beschrieben wurden, spricht die zeitliche Abfolge mit seit einigen Tagen vorbestehender Infektsymptomatik eher für eine infektiöse Genese. In den wenigen publizierten Fällen einer MERS nach Trauma zeigten sich typische neurologische Symptome und entsprechende Veränderungen in der MRT erst nach einigen Tagen. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der MRT-Bildgebung zur Differenzierung reversibler Enzephalopathien von potenziell irreversiblen Veränderungen bei Kindern.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
25. August 2025
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