Z Gastroenterol 2025; 63(08): e589-e590
DOI: 10.1055/s-0045-1811049
Abstracts | DGVS/DGAV
Kurzvorträge
Perioperatives Management Donnerstag, 18. September 2025, 09:30 – 10:58, Seminarraum 6 + 7

Interpretierbares maschinelles Lernen in der Notfallchirurgie: Dynamische Prädiktion bei akutem Abdominalschmerz

Authors

  • J Henn

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • S Hatterscheidt

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • P Feodorovici

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • J Arensmeyer

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • J C Kalff

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • I Gräff

    2   Universitätsklinikum Bonn, Abteilung für Klinische Akut- und Notfallmedizin, Bonn, Deutschland
  • H Matthaei

    1   Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
 

Einleitung: Maschinelles Lernen (ML) bietet Potenzial zur Unterstützung chirurgischer Entscheidungen in Notfallsituationen. Die klinische Integration wird jedoch durch eingeschränkte Modellinterpretierbarkeit behindert und zusätzlich stehen nicht zu jedem Zeitpunkt alle relevanten Informationen zur Verfügung.

Ziele: Ziel war das Training eines ML-Modells zur Vorhersage notfallchirurgischer Eingriffe bei akutem Abdominalschmerz. Untersucht wurden die prädiktive Leistung zu definierten Zeitpunkten sowie die jeweils entscheidenden Prädiktoren.

Methodik: Ein Random-Forest-Modell wurde mit retrospektiven Daten von 1350 Patienten mit akutem Abdominalschmerz trainiert. Prädiktoren wurden in sieben Gruppen unterteilt: demografische Daten, Symptome, Schmerzverlauf und -lokalisation, Vitalzeichen, Laborparameter, körperliche Untersuchung und CT-Befunde. Die Modellleistung wurde über zehn Iterationen anhand von AUC ROC und AUC PR berechnet und die Relevant der Prädiktoren zeitpunktbezogen analysiert.

Ergebnis: Das mediane Alter betrug 44 Jahre (IQR 29–62) und 682 Patienten (51%) waren weiblich. Bei 276 Patienten (20%) erfolgte eine Operation innerhalb von 24 Stunden. Das vollständige Modell erreichte eine mediane AUC ROC von 0,80 (IQR 0,77–0,81) und AUC PR von 0,56 (IQR 0,53–0,57). Die Vorhersageleistung (AUC ROC; AUC PR) stieg mit jeder hinzugefügten Gruppe von Prädiktoren: Basisdaten (0,53; 0,28), Symptome (0,56; 0,24), Schmerzverlauf (0,64; 0,34), Vitalzeichen (0,66; 0,37), Labor (0,77; 0,46), körperliche Untersuchung (0,77; 0,53), CT-Befunde (0,80; 0,56). Die wichtigsten Prädiktoren variierten über die Zeit: während in frühen Phasen vor allem das Alter und Schmerzcharakteristika zur Vorhersage beitrugen, traten später Laborwerte (CRP, Bilirubin, Leukozyten) und Untersuchungs- sowie CT-Befunde in den Vordergrund.

Schlussfolgerung: Der stufenweise ML-Ansatz kann die Entscheidungsfindung bei akutem Abdominalschmerz unterstützen. Auch ohne den Einsatz radiologischer Untersuchungen kann eine ausreichend genaue Vorhersage getroffen werden, was einen frühzeitigen Einsatz der Vorhersage, z.B. in der Triage ermöglicht. Die dynamische Untersuchung der Prädiktoren entlang der diagnostischen Kette liefert transparente Einblicke und bildet eine Grundlage für klinisch erklärbare KI-Systeme.



Publication History

Article published online:
04 September 2025

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