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DOI: 10.1055/s-0045-1811612
Herausforderungen für die japanische Phytotherapie (Kampo-Medizin) – in Japan und auf internationaler Bühne
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Die japanische Phytotherapie, auch Kampo-Medizin genannt, weist Besonderheiten auf, die sie von der Phytotherapie in Europa unterscheiden. Diese betreffen Art und Form der pflanzlichen Arzneien sowie die Frage des Konzeptes, nach dem sich die klinische Anwendung richtet.
Im Mittelpunkt der Therapie steht nicht die Einzelpflanze, sondern die standardisierte traditionelle Rezeptur, zusammengesetzt aus dem wässrigen Extrakt von Wurzeln, Rinden oder Früchten ostasiatischer Arzneipflanzen, wie Ingwer, Ginseng oder Süßholz, in einem festen Mischungsverhältnis. Viele dieser Rezepturen werden seit über 2000 Jahren angewendet, andere wurden in den letzten 500 Jahren in Japan neu konzipiert. Durch die Standardisierung der Kampo-Arzneien können Studien durchgeführt und reproduzierbare Evidenz generiert werden. Gleichzeitig können einfacheren Rezepturen mit klar umrissenem Wirkprofil Diagnosen der modernen Medizin zugeordnet werden. Dies erleichterte die Integration in die etablierte Medizin. Mehr als 80% der japanischen Ärzte verschreiben heute Kampo-Phytotherapeutika. Das Fach ist im staatlichen Medizinstudiengang aller Universitäten integriert. Fast 150 Extraktprodukte traditioneller Rezepturen sind derzeit als standardisierte Arzneimittel zugelassen und werden von der nationalen Krankenversicherung übernommen [1].
Eine wesentliche Herausforderung für die Kampo-Medizin in Japan ist die Verfügbarkeit der pflanzlichen Rohdrogen. Sie müssen weitgehend aus China eingeführt werden und das wachsende Interesse an Naturstoffen hat zu hohen Preisanstiegen geführt [2]. Auch das traditionelle Anwendungskonzept der Kampo-Medizin birgt Herausforderungen und Chancen. Die Kampo-Medizin zielt nicht nur auf die Besserung der Symptome, sondern auch auf die Stabilisierung des Allgemeinzustands und der Konstitution des Patienten ab. Die traditionellen Diagnose- und Therapieprinzipien, inklusive der speziellen Bauchdeckenpalpation (fukushin), ermöglichen eine individuelle ganzheitliche Herangehensweise an den Patienten, erfordern aber auch Engagement in der Ausbildung. In Japan versucht man, das überlieferte Wissen durch Modernisierung der Terminologie und Standardisierung der Lehrpläne leichter zugänglich zu machen.
Auch im internationalen Bereich stellen die Verfügbarkeit der Kampo-Arzneien, verbunden mit regulatorischen Hürden, sowie die Akzeptanz und Vermittlung traditioneller Konzepte die wesentlichen Herausforderungen dar. Immerhin ist es bereits gelungen, exemplarisch ein Kampo Rikkunshito-Präparat bei Magen-Darm-Beschwerden in Deutschland erfolgreich zu registrieren und – empfohlen in der deutschen Leitlinie zur funktionellen Dyspepsie – in die Routineanwendung einzubringen [3] [4].
Die Kampo-Medizin ist eine vielversprechende Therapieform, die sowohl in Japan als auch international Chancen bietet. Ihre Integration in das moderne Gesundheitssystem, die wissenschaftliche Erforschung und die Sicherung der arzneilichen Verfügbarkeit und Qualität sind unverzichtbare Aspekte, um ihr Potenzial als komplementäre Therapieoption auch bei uns verfügbar zu machen.
Publication History
Article published online:
08 September 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Reißenweber-Hewel H.. Pharmakon 2014; 2: 127-134
- 2 Annual Report 2024 Japan Kampo Med. Manufacturers Ass www.nikkankyo.org
- 3 Reißenweber-Hewel H. et al. Z Gastroenterol 2024; 62: 909-918
- 4 Storr M. et al. Z Gastroenterol 2025; 63: 413-414