physioscience 2025; 21(S 03): S25
DOI: 10.1055/s-0045-1812406
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Trachealkanülenmanagement bei ICU-Acquired Weakness – eine physiotherapeutische Perspektive

Autoren

  • F Johannes

    1   Berner Fachhochschule, Gesundheit, Physiotherapie, Bern, Switzerland
  • R Frohofer

    2   Universitätsspital Zürich, Physiotherapie Ergotherapie, Zürich, Switzerland
 

Einleitung Die Versorgung tracheotomierter Patient*innen mit ICU-Acquired Weakness (ICU-AW) auf Intensivstationen stellt eine besondere Herausforderung dar. Die ICU-AW führt unter anderem zu symmetrischen, schlaffen Paresen, mit reduzierten Muskeleigenreflexen und möglichen Sensibilitätsstörungen. Sie beeinträchtigt die In- und Exspirationskraft sowie die pharyngeale Muskulatur und kann zu einer allgemeinen Atemmuskelschwäche, Dysphagie und einem prolongierten Weaning führen. Trotz ihres Potenzials ist die Rolle der Therapie im Trachealkanülenmanagement (TKM) bislang nur unzureichend beschrieben – insbesondere im Hinblick auf die frühzeitige Einbindung auf der Intensivstation. Dabei kann gerade eine strukturierte, interprofessionell abgestimmte Integration therapeutischer Expertise in der frühen Phase entscheidend zur Wiederherstellung zentraler Funktionen und zur erfolgreichen Dekanülierung beitragen.

Material und Methodik Am Universitätsspital Zürich ist ein interprofessionelles, therapiegestütztes Konzept zum Trachealkanülenmanagement (TKM) etabliert, an dem sowohl Physio- als auch Ergotherapeut*innen beteiligt sind. Ab der Tracheotomie übernehmen spezialisierte Physiotherapeut*innen die tägliche Evaluation von Atmung, Husten und Sekretmanagement – gerade auch bei beatmeten Patient*innen. Der Einsatz von verschiedenen Sprechventilen wird frühzeitig initiiert, um sensorischer Deprivation entgegenzuwirken und die physiologische Atmung über Mund und Nase zu fördern. Oralisierung, Koststufen und Einsatzdauer der Sprechventile werden individuell angepasst und täglich reevaluierend begleitet. Ziel ist die frühzeitige Wiederherstellung essenzieller Funktionen mit Blick auf eine sichere Dekanülierung.

Ergebnisse Ein strukturiertes Vorgehen ermöglicht eine frühzeitige Förderung der physiologischen Atmung und Kommunikation sowie ein effektives Sekretmanagement – bereits während der Beatmung. Der frühe Einsatz von Sprechventilen erwies sich als klinisch sicher und unterstützt Schutzreflexe, phonatorische Aktivität und Schluckmotorik. Der gezielte Einsatz des Frazier-Free-Water-Protocols fördert zudem die orale Flüssigkeitsaufnahme bei Dysphagie, steigert die Compliance und verbessert die Lebensqualität. Die kontinuierliche Reevaluation ermöglicht eine dynamische Therapieplanung trotz hoher klinischer Variabilität.

Zusammenfassung Das interprofessionelle, therapeutisch mitgetragene TKM verbessert zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dekanülierung und kann Komplikationen sowie die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation reduzieren. Die Physiotherapie sollte eine aktive Rolle im Entscheidungsprozess übernehmen, um eine differenzierte Beurteilung von Atemfunktion, Schutzreflexen und Kommunikationsfähigkeit zu ermöglichen. Frühzeitige Einbindung der Therapie ist essenziell, um Outcome und Lebensqualität kritisch kranker Patient*innen zu verbessern.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
23. Oktober 2025

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