physioscience 2025; 21(S 03): S28
DOI: 10.1055/s-0045-1812414
Abstracts
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Im Einsatz auf der Notfallstation: Physiotherapeutische Perspektiven

Authors

  • D A Raab

    1   Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, Akademie Praxis-Partnerschaft zwischen der Berner Fachhochschule und dem Universitätsspital Bern, Insel Gruppe, Bern, Switzerland
  • B Winteler

    1   Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, Akademie Praxis-Partnerschaft zwischen der Berner Fachhochschule und dem Universitätsspital Bern, Insel Gruppe, Bern, Switzerland
    2   Institut für Physiotherapie, Universitätsspital Bern, Inselspital, Insel Gruppe, Bern Switzerland
  • K U Schmitt

    1   Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, Akademie Praxis-Partnerschaft zwischen der Berner Fachhochschule und dem Universitätsspital Bern, Insel Gruppe, Bern, Switzerland
 

Einleitung Der zunehmende Anteil an Patient*innen mit muskuloskelettalen Beschwerden in Notfallzentren erfordert geeignete Versorgungsmodelle, wie sie international mit der Integration von Advanced-Practice-(AP)-Physiotherapeut*innen bereits erfolgreich realisiert werden. Am Inselspital wird ein solches Modell seit 2021 umgesetzt. Ziel dieser Studie war es, das Tätigkeitsfeld sowie die erweiterten Kompetenzen von Physiotherapeut*innen im Notfallsetting systematisch zu erfassen und das Einsatzgebiet hinsichtlich seines Potenzials zu evaluieren.

Methode Die qualitative Studie untersuchte Kompetenzen, Erfahrungen und Perspektiven von Physiotherapeut*innen im Notfallzentrum des Inselspitals anhand strukturierter Beobachtungen und semistrukturierter Einzelinterviews. Eingeschlossen wurden Physiotherapeut*innen mit muskuloskelettaler Spezialisierung mit mindestens sechs Monaten Berufserfahrung im Notfallzentrum. Primary Outcome sind die Kompetenzen und Skills der dort tätigen Physiotherapeut*innen.

Resultate Zur Analyse des Tätigkeitsprofils von Physiotherapeut*innen im Notfallsetting wurden neun strukturierte Beobachtungen mit sieben Physiotherapeut*innen durchgeführt (Ø 42,56 Min.). Der Grossteil der Zeit entfiel auf hands-off Tätigkeiten wie Anamnese, Patientenedukation und interprofessionelle Kommunikation (Ø 23,65 Min.), während hands-on Massnahmen – wie manuelle Untersuchung und Therapie – durchschnittlich 12,73 Minuten beanspruchten. Ergänzend wurden zwölf semistrukturierte Interviews mit Physiotherapeut*innen (Ø 39,92 Jahre; Ø 14,88 Jahre Berufserfahrung) geführt. Die Patientenedukation nahm Ø 5,46 Minuten ein. Der physiotherapeutische Beitrag wurde mehrheitlich als wertvoll für Effizienz, Qualität und Patientenzufriedenheit eingeschätzt. Genannt wurden die Reduktion von Gesundheitskosten, Medikamenteneinsatz und Wartezeiten sowie eine vertiefte Patientenedukation. Zentrale Kompetenzen umfassten klinische Expertise, edukative und kommunikative Fähigkeiten, sicheres Auftreten sowie das Bewusstsein für fachliche Grenzen im interprofessionellen Kontext. Bezüglich der Einordnung als AP-Rolle herrschte Uneinigkeit: Während einige AP-Merkmale wie eigenständige Entscheidungen und interdisziplinäre Zusammenarbeit betonten, verwiesen andere auf die ärztliche Erstkonsultation und Parallelen zu vergleichbaren Arbeitsinhalten im stationären Setting.

Diskussion Das Pilotprojekt zur Etablierung von Physiotherapeut*innen im Notfallsetting wurde von den beteiligten Physiotherapeut*innen mehrheitlich als erfolgreich etabliert wahrgenommen. Gleichzeitig betonen sie die Notwendigkeit einer systematischen Evaluation und Konzeptentwicklung zur Optimierung physiotherapeutischer Ressourcen. Die interprofessionelle Zusammenarbeit wurde als wertvoll erlebt, begleitet vom Wunsch nach Sichtbarkeit physiotherapeutischer Kompetenzen im ärztlichen Umfeld. Der physiotherapeutische Beitrag wurde als praxisnahe „Werkzeugkiste“ verstanden, die Patient*innen konkrete Strategien zur kurzfristigen Alltagsbewältigung bietet – mit Potenzial auch für nicht-muskuloskelettale Patient*innengruppen. Die Ergebnisse unterstreichen die Vielschichtigkeit des physiotherapeutischen Einsatzes im Notfall und die Bedeutung einer ausgewogenen Kombination praktischer, edukativer und kommunikativer Kompetenzen.



Publication History

Article published online:
23 October 2025

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