Rofo 1999; 171(Bd.2/4): 342-343
DOI: 10.1055/s-1999-11156
LESERBRIEF
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zu: Prostaglandin E1 zur Prophylaxe kontrastmittelinduzierter Nierenfunktionsstörungen

In: Fortschr Röntgenstr 170 (1999) 557 - 563J.  Fröhlich
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 1999 (online)

Wohl eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Kontrastmitteln ist die nach ihrer Nierenverträglichkeit. Deshalb freut es uns ganz besonders, wenn Sie dieses Thema in Form einer prospektiven kontrollierten klinischen Studie, noch dazu auf hohem wissenschaftlichem Niveau, aufgegriffen und anhand einer konkreten Fragestellung durchleuchtet wird. Trotz den alljährlich weit über 100 Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Kontrastmittelnephropathie sind methodisch gute Studien rar gesät. Dementsprechend bleiben viele Fragen, wie in Ihrem Artikel beschrieben, ungeklärt.

Besonders wertvoll ist Ihre Studie deshalb, weil ein Patientenkollektiv mit erhöhtem Risiko, also vorbestehender Niereninsuffizienz, prospektiv und kontrolliert untersucht wurde. Im Gegensatz zu den meisten anderen Studien suchen Sie den Effekt, und richtigerweise benötigt man hierzu eine genügend große statistische Gruppe, anhand der man eine Aussage treffen kann. Ob sich dies nun auf ein allgemeines Patientenkollektiv extrapolieren läßt, muß erst noch bewiesen werden.

Da Ihre Ergebnisse Folgestudien erwarten lassen, möchten wir mit nachfolgenden Anregungen und Kommentaren auf eine mögliche Erweiterung der Fragestellung hinweisen. Auch wenn es bei Ihrer multizentrischen Studie wohl eher um die klinische Entwicklung von PGE1 als um die Klärung des Nephropathierisikos ging, könnte Ihr zukünftiges Kollektiv doch dazu dienen, auch weiteren grundsätzlichen Fragen der Kontrastmittel-Nierenverträglichkeit nachgehen zu können, was brennend interessiert.

Kontrollgruppe: Im Hinblick auf den Vergleich mit einem Normalkollektiv stellt sich die Frage, wieweit sich Ihre mit vorbestehender Nierendysfunktion vorselektierten Patienten von einem risikofreien Kollektiv unterscheiden. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Ihre Patienten bereits vorgängig erniedrigte Prostaglandin-E-Werte aufweisen (Verum-Frage). Dosisabhängige Nephrotoxizität: Eine der häufigsten Fragen aus der Klinik ist die nach der erlaubten Maximaldosis in Abhängigkeit von der Nierenfunktion. Verschiedene Autoren haben sich wiederholt hierüber geäußert und sogenannte Maximaldosen oder Grenzdosen-Empfehlungen abgegeben [Kahn JK, Rutherford BD, McConahay DR et al., Am Heart J, 1990, Sep; 120 (3): 533 - 536; Lautin EM, Freeman NJ, Schoenfeld AH et Radiocontrast-associated renal dysfunction: incidence and risk factors. AJR 1991, Jul.; 157 (1): 49 - 58; Leonardi M, Contrast medium dose and renal failure. Radiology 207; 1998, (3) p. 832; McCullough PA, Wolyn R, Rocher LL et al.: Acute renal failure after coronary intervention: incidence, risk factors, and relationship to mortality. Am J Med 1997 Nov; 103 (5): 368 - 375. Ciggaroa RG et al. American J Medicine, 1989; 86: 649 - 652]. Letzterer zeigt anhand retrospektiver Daten, daß das Risiko einer Nephropathie ab einer Dosis von 5ml/kg KG multipliziert mit dem Kehrwert des Serumkreatinins (in mg/dI) deutlich zunimmt: 5 ml/kg × Körpergewicht MD = SK (in mg/dl) MD = Maximaldosis (Schwellenwert, ab dem das Nephropathierisiko signifikant ansteigt) Gerade auch Dialysedaten haben aufgezeigt, daß nicht so sehr die Verweildauer, sondern eher die Maximalkonzentrationen auf glomerulärer respektive tubulärer Ebene eine entscheidende Rolle spielen [Stevens MA, McCollough PA, Tobin KJ et al. J Am Coll Cardiol 1999; Feb, 33 (2): 403 - 411]. Uns ist wohl bewußt, daß aus grundsätzlichen biostatistischen Gründen eine Kontrastmitteldosis-Korrelation sich nicht im nachhinein bei Ihren Phase-II-Daten vornehmen (Stichprobenumfang zu klein) läßt. Jedoch möchten wir gerne anregen, eine solche doch im Rahmen der Phase III vorzunehmen. Daran schließen sich die Fragen an, ob dank PGE1 die sogenannte toxische Schwellendosis verschoben werden kann (besonders wichtig in der Kardioangiographie), ob die selektive intraarterielle Verabreichung toxischer als die intravenöse ist und ob die Nephroprotektion dosisabhängig (gemeint ist von der Kontrastmitteldosis) ist. Wie Sie bereits festhalten, sind der Serumkreatininwert sowie die Clearance-Daten indirekte, oft verzögerte Anzeichen einer Nephropathie. Die Bestimmung weiterer laborchemischer, respektive klinischer Parameter wie die Bürstensaumenzymwerte könnte bei weiteren Folgestudien von Interesse sein. Nachkontrollfrist: Ihre Nachkontrollfrist von 48 Stunden übersteigt bereits die der meisten Kontrastmittelstudien, denn welcher Patient stimmt schon freiwillig zusätzlichen Diagnosen zu. Allerdings im Hinblick auf eine Registrierung besteht die Arzneimittelbehörde inzwischen auf 72-Stunden-Ergebnissen, ganz besonders bei funktionellen Veränderungen, die sich wie bei Ihren Daten noch im ansteigenden Kurvenast befinden. Neben der Nierenverträglichkeit werden auch zunehmend idiosynkratische Reaktionen des Spättyps so lange verfolgt (Spätreaktionen). Dieser Wunschposten mit 72 h Nachkontrollfrist wird sich wohl aus Patientenkomfortgründen kaum auf breiter Ebene realisieren lassen. Prostaglandinsynthese-Hemmer: Prostaglandine werden häufiger in Form ihrer Antagonisten, also in Form von Prostaglandin-Synthesehemmern, als nichtsteroidale Antirheumatika (NSARS) verabreicht. Patienten unter medikamentöser Therapie müssten ein erhöhtes Nephropathierisiko aufweisen, da der PGE1-Spiegel absinkt. Dies sollte bei der Medikation wohl berücksichtigt oder herauskristallisiert werden können. Da in Zukunft noch zwischen COX-1- und COX-2-Spezifität respektive dem jeweiligen Nephropathierisiko unterschieden werden wird, wären weitere Daten zu dieser Fragestellung wünschenswert. Kontrastmittelklasse: Bei Multizenterstudien oftmals ein Unding, jedoch aus Sicht des Kontrastmittelherstellers natürlich mit Priorität bedacht, die Frage nach der substanzspezifischen oder in Abhängigkeit zur Kontrastmittelklasse bestehenden Datenlage. Für anzuschließende Studien sollte man neben osmolalitätsbedingten Unterschieden auch die Chemotoxizität, das divergierende Vasokonstriktionspotential, die unterschiedliche tubuläre Rückresorption sowie das Aktivierungspotential von Plasmamediatoren wie Prostaglandinen, Prostazyklin und Leukotrienen mitberücksichtigen. Die nach Kontrastmittelapplikationen nachgewiesenen Prostaglandinfreisetzungen könnten zudem selber nephroprotektiv wirken.

Auch wenn hier die eine oder andere Ergänzung gewünscht wird, soll dies keineswegs als negative Kritik verstanden werden, sondern im Gegenteil die vortrefflichen Ansätze in Form dieser Pilotstudie auf weitere relevante und erklärungsbedürftige Fragen ausdehnen. Gerade prospektive Studien zwingen bereits bei der Konzeption zur Beschränkung und können nicht beliebig im nachhinein manipuliert werden. Unser Wunschkatalog verkennt die klinische Forschungsrealität, bei der Stein für Stein einzeln aufgedeckt werden muß.

Wir möchten der Autorenschaft zu Ihrer sorgfältigen Methodik gratulieren und der Herausgeberschaft danken, daß Sie diesen Artikel veröffentlicht hat.

Dr. J. Fröhlich Guerbet AG Winterthurerstraße 92 CH-8006 Zürich

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