Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(4): 218-223
DOI: 10.1055/s-1999-181
ORIGINALIA
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Wissensbasierte Diagnostik und Therapieempfehlung mit Methoden der Fuzzy-Set-Theorie bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS)[*]

Knowledge Based Diagnostic and recommendations for Therapy of Patients with ARDS Using the Fuzzy Set TheoryH. Steltzer, B. Trummer1 , W. Höltermann2 , G. Kolousek1 , P. Fridrich, K. Lewandowski3 , K. P. Adlassnig1 , A. F. Hammerle
  • Universitätsklinik für Anaesthesiologie und Allgemeine Intensivmedizin, AKH Wien
  • 1Institut für Medizinische Computerwissenschaften, Universität Wien
  • 2Klinik für Anaesthesiologie, Phillips Universität Marburg
  • 3Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivtherapie, Virchow-Klinikum, Medizinische Fakultät der Humboldt- Universität zu Berlin
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Die Behandlung von Patienten mit schwerem ARDS ist auf Grund uneinheitlicher Definitionen und unterschiedlicher Therapieansätze im Allgemeinen schwierig. Um für die aufwendige, komplizierte und teure Therapieform der extracorporalen CO2 Elimination und Membranoxygenierung (ECCO2R und ECMO) bei schwerem ARDS genaue Eintrittskriterien für den Beginn dieses Therapieverfahrens zu erhalten, wurde ein wissensbasiertes Computermodell entwickelt, das zur Entscheidungsunterstützung in der klinischen Praxis verwendet werden soll. Methodik: Dieses Modell basiert auf der Theorie der unscharfen Mengen (Fuzzy-Set-Theorie), so daß nicht nur „ja”- oder „nein”-Entscheidungen vom Computer getroffen werden können, sondern auch Befunde im Grenzbereich zwischen „normal” und „pathologisch” in die Entscheidung miteinbezogen werden können. Zu Beginn der Studie war es notwendig, die unterschiedlichen Eintrittskriterien der verschiedener Zentren miteinander zu vergleichen und in das System zu integrieren. Auf diese Weise wurden die Eintrittskriterien von Berlin, Wien und Marburg und eine Anzahl von Patienten aus diesen Zentren für die erste Phase herangezogen und miteinander verglichen und daraus ein sogenannter minimaler Satz von Eintrittskriterien erstellt. Dieser Satz wurde aus jenen Kriterien gebildet, bei welchen sich der Score um 30 % verringert. Ergebnisse: Der Gesamterfüllungsgrad der Kriterien der Zentren Berlin und Marburg verlief über die einzelnen Phasen zum Teil signifikant unterschiedlich ( 68 % versus 36 %). Es bestand auch ein deutlicher Unterschied zwischen Fuzzy-Score und konventionellem Score (36 % versus 22 % bzw. 68 % versus 60 %). Weiters auffällig war die unterschiedliche Dynamik der Einzelparameter im Verlauf der Therapie: so veränderten sich von den Kriterien Marburgs vor allem das hohe Atemminutenvolumen, der hohe Spitzendruck und die gemischtvenöse Sauerstoffsättigung schon sofort nach Beginn der Therapie, während Morel-Score, PEEP (positive endexpiratory pressure) und Horowitz-Index (PaO2/FiO2) sich erst nach einer Woche signifikant veränderten. Betrachtet man die Kriterien des Zentrums Berlin, zeigt sich ebenfalls ein sehr rasches Ansprechen der Parameter Spitzendruck der Beatmung (PIP) und PaCO2, sowie ein langsames Ansprechen von PEEP, extravaskulärem Lungenwasser und Horowitz-Index. Keine Veränderung über die Zeit brachte die Analyse der Variablen Compliance, FiO2 und Qs/Qt. Schlußfolgerung: Der vorliegende minimale Datensatz zur Beschreibung von Patienten mit schwerem ARDS eignet sich durchaus zum direkten Vergleich dieser Patienten. In weiterer Folge ist eine Anbindung des Systemes in das Internet vorgesehen, um einerseits Patientendaten in das System einzubringen und andererseits, um auch die Genauigkeit der Kriterienerfüllung zu erhöhen. Weiters soll den Behandlern von Patienten mit ARDS die Möglichkeit einer Entscheidungshilfe (über die Erfüllung von verschiedenen Kriterien - rekrutiert aus einer großen Anzahl von Patientendaten) für eine weitere Therapie gegeben werden.

Objective: Since the treatment of patients with severe ARDS using the extracorporal lung assist ( ECLA) methods remains a cost intensive and speculative procedure, a knowledge based computersystem should be created and evaluated in order to support clinical decisions. Methods: The model was based on the fuzzy set theory and therefore able to give decisions between yes and no, that means that a criterion could also be fulfilled to 35% or 80% for example. The development of this computer program consists of two steps: first, the entry criteria for the ECLA therapy were established within a framework of an international evaluation of clinical data from 3 centres ( Berlin, Marburg, Vienna). Here, inherent vagueness, uncertainty of the occurrence and limited availability of medical data are to be considered to establish a useful tool. Secondly, this was done by grouping and weighting of parameters by the system and the status of each patient or patient group was assigned by the percentage of fulfilment of the criterion. Results: By using a mixed sample of patients from these three centres, the fulfilment of entry criteria according either to definitions of Berlin or to definition of Marburg was different (68 % versus 36 %). Other differences (36 % vs. 22 % and 68 % vs. 60 %) were found between the fuzzy based score and the crisp score which represents the usually performed method. Conclusions: This now preevaluated minimal data set to describe severe ARDS patients based on the fuzzy set theory may be useful to evaluate patients for ECLA therapy or for another controlled ARDS-therapy.

1 Die Arbeit wurde aus Mitteln des „Medizinisch-Wissenschaftlichen Fonds des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien 1997” unterstützt.

Literatur

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1 Die Arbeit wurde aus Mitteln des „Medizinisch-Wissenschaftlichen Fonds des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien 1997” unterstützt.

Prof. Dr. Heinz Steltzer

Universitätsklinik für Anaesthesiologie und Allgemeine Intensivmedizin Wien

Währinger Gür18-20

A-1090 Wien

Email: heinz.szer@akh-wien.ac.at

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