Rofo 1999; 171(Bd.2/1): 1-2
DOI: 10.1055/s-1999-9879
EDITORIAL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Standards in der digitalen Bild-kommunikation und -archivierung

P.  Mildenberger
  • Klinik für Radiologie, Universität Mainz
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

Die Einführung digitaler Untersuchungsverfahren, vor allem der Computertomographie, war der Motor für die Entwicklung von Bildschirmarbeitsplätzen und digitalen Archivsystemen. Die Idee, auf den konventionellen Film verzichten zu können ist dabei schon mehr als 20 Jahre alt. Trotzdem arbeiten auch heute noch die meisten radiologischen Praxen und Kliniken mit konventionellen Filmarchiven, obwohl hier ein hoher Personalaufwand für Archivarbeiten entsteht und die Verfügbarkeit von Voraufnahmen oftmals nicht zufriedenstellend ist. Wesentliche Hindernisse für die bislang eher schleppende Nutzung digitaler Verfahren sind, neben den hohen Hardwarekosten, vor allem fehlende Standards für die Kommunikation von Geräten unterschiedlicher Hersteller gewesen. Begünstigt durch die Entwicklung leistungsfähiger und zugleich weniger teurer Rechner sowie eine Änderung in der Rechtsauffassung, wonach auch eine direkte digitale Archivierung digitaler Untersuchungsverfahren ohne vollständige Dokumentation auf Film ermöglicht wird (Länderausschuß RöV), ist inzwischen ein deutlich gesteigertes Interesse für Bildkommunikations- und Bildarchivierungssysteme zu finden. Die Verfügbarkeit eines Kommunikationsstandards ist aber meist unabdingbare Voraussetzung, da typischerweise die Infrastruktur einer Einrichtung jeweils nach den individuellen Anforderungen erneuert wird und so heterogene Strukturen hinsichtlich Hersteller und Alter der Geräte entstehen. Die komplette Ausstattung einer Einrichtung vom Radiologischen Informationssystem (RIS) über die Modalitäten und Befundungsstationen bis zum Archivsystem (PACS) vom selben Anbieter die Ausnahme ist. Die Erfahrungen von Pilotinstallationen, die schon längere Zeit existieren [2], sind nur sehr eingeschränkt für andere Nutzer verwertbar.

1985 wurde mit der Einführung des ACR-NEMA-Standards, eine Entwicklung des American College of Radiology (ACR) und der National Electrical Manufacturers Association (NEMA), die Basis für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen verschiedenen Geräten gelegt. Eine Fortschreibung als ACR-NEMA-2-Standard brachte 1988 die Einführung von sogenannten Kommando-Segmenten und Daten-Feldern, die eindeutige Bezeichnungen der Inhalte vorgeben. Allerdings wurden drei verschiedene Klassen von Informationen unterschieden. Die als Typ-1 klassifizierten Felder müssen obligat richtig ausgefüllt sein, hierzu zählt z. B. der Name des Patienten. Typ-2 Felder müssen übermittelt werden, der Inhalt wird aber nicht geprüft, so daß z. B. das Geburtsdatum nicht korrekt weitergegeben werden muß. Typ-3 Felder sind weitere, optionale Felder. Auf diesen Entwicklungen baut der 1993 veröffentliche DICOM-Standard (Digital Communication in Medicine) auf. Der wesentliche Unterschied zu den Vorläufern ist die Einbeziehung von Kommunikationsprotokollen für Netzwerke entsprechend den Standards der Open System Interconnection (OSI) der internationalen Standardisierungs-Organisationen (ISO). Dieser Standard hat in den letzten zwei bis drei Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, er wird allgemein von Herstellerseite und Anwendern als geeignete Kommunikationsplattform akzeptiert. Die Struktur des DICOM-Standards ist modular, neben 14 Grundmodulen, die z. B. das Datenmodell, Speichermedien oder Druckausgaben beschreiben, wird von unterschiedlichen Arbeitsgruppen an einer ständigen Entwicklung gearbeitet. Neue Erweiterungen werden als Supplements veröffentlicht, so wurde beispielsweise im September 1998 eine entsprechende Festlegung für die digitale Direktradiographie verabschiedet. Der modulare Aufbau in einzelne Serviceklassen - beispielsweise Bildempfang, Archivabfrage, Drucken u. a. - sowie unterschiedliche Objektbeschreibungen - u. a. CT, MRT, Angiographie, Digitale Radiographie - erlauben den Anbietern weitgehende Freiheiten in dem Umfang der Umsetzung der möglichen Funktionalitäten und können im realen Einsatz zu unerwarteten Zuständen führen. Es ist z.B. selbstverständlich, daß von einem Untersuchungsgerät Bilder an eine Workstation oder ein Archiv verschickt werden können. Dagegen ist nicht unbedingt davon auszugehen, daß auch der umgekehrte Weg des Bildempfangs an einem Untersuchungsgerät vorgesehen ist. Dem zugrunde liegt die Festlegung von Rollen, in diesem Fall eines Anbieters von Speicherdiensten und eines Nutzers dieser Dienste (Storage Class Provider und Storage Class User). Der Umfang der in einem Gerät verfügbaren Funktionen soll von jedem Anbieter in einem Conformance Statement beschrieben sein, so daß ein Vergleich dieser Dokumente die Beurteilung der Funktionalität einer Kommunikation unterschiedlicher Geräte ermöglichen sollte. Auch die Einrichtung zentraler Testknoten (CTN) und die Veröffentlichung von Beispieldatensätzen [1] dient Testzwecken, um die korrekte DICOM-Umsetzung prüfen zu können. Im Alltag zeigen sich jedoch verschiedene Abweichungen, die zum Teil auf einer nicht korrekten Umsetzung von Syntax und Semantik, auf Schwierigkeiten in Netzwerkkommunikationsprozessen, aber auch unterschiedlichen Interpretationen des in einigen Abschnitten relativ offen gehaltenen Standards beruhen. Solche Erfahrungen werden insbesondere im Bereich der Implementation des DICOM-Datenmodells gemacht. Hierbei sind wesentliche Elemente u. a. Patienten, Studien, Serien und Bilder. Sollte man meinen, es sei relativ einfach, die Zuordnung zu diesen Ebenen zu treffen, wird man feststellen, daß sogar an verschiedenen Geräten eines Herstellers hier Abweichungen vorhanden sein können und beispielsweise Einzelbilder jeweils als neue Studie klassifiziert werden. Dies hat selbstverständlich für die Steuerung eines Arbeitsablaufs, z. B. bei der Bereitstellung von Voraufnahmen an Befundungsstationen, durchaus negative Auswirkungen. Noch komplexer wird die Berücksichtigung weitergehender Ordnungskriterien, wenn Behandlungsfälle oder Abrechnungszeiträume mit einzelnen Untersuchungen verknüpft werden. Eine wesentliche Erkenntnis der letzten Monate ist die Notwendigkeit einer offenen, breiten Diskussion zwischen Anwendern und Anbietern über die Interpretation und Umsetzung der im DICOM-Standard vorgegebenen Modelle. Auch unter dem Aspekt einer Vielzahl verschiedener Funktionalitäten, die in den unterschiedlichen Supplements behandelt werden, erscheint eine Abstimmung über Prioritäten in der Implementation sinnvoll, da nur solche Funktionen sinnvoll genutzt werden können, die auch an verschiedenen Geräten verfügbar sind. Die Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie (@GIT) in der DRG hat hierzu gemeinsam mit einem unabhängigen Forschungsinstitut (OFFIS) und Industrieunternehmen entsprechende Aktivitäten eingeleitet. Neben allgemeineren Fortbildungsveranstaltungen sind hier vor allem die Arbeitsgruppen mit den Themen „Workflow und DICOM-Modell”, „Validierung und Profilbildung” sowie „Sicherheit und Telemedizin” zu nennen. Hier werden spezielle Fragen und Anforderungen, z. B. Anpassungen von Datenmodellen in den Modalitäten, Umsetzung bestimmter Services oder Sicherheitsaspekte, eingehend erörtert und ein Konsens gesucht. Aktuell sind u. a. Fragen der Umsetzung der DICOM-Worklist-Funktion, die eine korrekte Datenübernahme von dem RIS zu den Modalitäten ermöglichen soll, die Einführung von Modality Performed Procedure Step und Storage Commitment, die eine Rückmeldung von Untersuchungsdaten und -schritten von den Modalitäten zu Archiven und Informationssystemen sowie eine sichere Archivierung gewährleisten sollen. Informationen zu diesen Aktivitäten sind im Internet verfügbar (http://www.uni-marburg.de/mzr/agit).

Auch wenn sich in einigen Punkten noch keine Lösungen ergeben haben, ist die Einführung des DICOM-Standards insgesamt sehr erfolgreich gewesen. Hiermit ist die Lösung von Konnektivitätsproblemen absehbar. Die schrittweise Umsetzung von analogen in digitale Systeme und Arbeitsabläufen ist auch in heterogenen Installationen möglich geworden. Für den Anwender ergibt sich die Möglichkeit, bei der Auswahl von Komponenten auf die relevanten methodenspezifischen Unterschiede zu achten und trotzdem eine Interoperatibilität mit Systemen anderer Hersteller erwarten zu können. Allerdings setzt dies eine detaillierte Analyse von Arbeitsabläufen und Anforderungen voraus, damit anhand dieser Profile die notwendigen Serviceklassen des DICOM-Kommunikationsprotokolls umfassend berücksichtigt werden. Die alleinige Zusicherung einer „DICOM-Kompatibilität” durch den Anbieter reicht dabei nicht und kann zu Mißverständnissen und unbefriedigenden Lösungen führen. Hierbei ist auch zu beachten, daß bislang eine „Kontrollinstanz” oder „Zertifizierungsstelle” nicht existiert und vermutlich auch nicht kurzfristig zu erwarten ist. Es kann davon ausgegangen werden, daß der DICOM-Standard in Zukunft an Bedeutung eher zunimmt. Für die Hersteller ergeben sich durch die Standardisierung auch Vorteile, da die Pflege firmenspezifischer Übertragungsprotokolle überflüssig wird und standardisierte Werkzeuge in der Softwareentwicklung genutzt werden können. Die Einbindung in übergeordnete Informationssysteme wird darüber hinaus jedoch den Abgleich mit anderen Standards oder Technologien erfordern. Hier sind zum einen eine Initiative der nordamerikanischen Röntgengesellschaft (RSNA) und der Gesellschaft für Krankenhausinformationssysteme (HIMSS) anzuführen, die eine Integration von HIS-RIS und PACS anstrebt als Basis dient hier neben DICOM der HL7 (Health Level 7) Standard [3]. Zum anderen wird die Entwicklung Web-basierter Informationssysteme und die Integration von Sicherheitstechniken für telemedizinische Anwendungen eine Weiterentwicklung im Sinne einer Migration erfordern. Die Einbindung radiologischer Informationssysteme (RIS und PACS) in eine Klinikkommunikation erfordert die umfassende Berücksichtigung notwendiger Datenschutzmaßnahmen, z. B. Maßnahmen zur Authentifizierung und Autorisierung oder Verschlüsselungstechniken bei der Datenübertragung, wie sie z. Z. im DICOM-Standard noch nicht ausreichend abgebildet sind. Die Entwicklung allgemeingültiger Medizinplattformen, wie sie derzeit von verschiedenen Einrichtungen vorangetrieben werden, könnte hier mittelfristig eine angemessene Lösung darstellen.

Gerade auch für den Bereich Telemedizin ergeben sich durch diese Möglichkeiten neue Ansätze, da hiermit eine herstellerunabhängige Bild- und Befundübermittlung entsprechend den herkömmlichen, regionalen Kooperationen zwischen unterschiedlichen Praxen und Krankenhäusern erreichbar wird. Die Radiologie kann hier im Sinne eines zentralen Dienstleisters und Informationsvermittlers eine wichtige Aufgabe auch für andere Bereiche übernehmen. Dies setzt ein gewisses Maß an allgemeinen Übereinkünften, beispielsweise im Bereich der Leistungsbezeichnungen und Sicherheitstechnologie, voraus, damit eine Kommunikation zwischen unterschiedlichen Informationssystemen nicht zu Inkonsistenzen führt. Wird dieser Prozeß nicht aktiv aus der Radiologie vorangetrieben, ist abzusehen, daß politische Vorgaben oder Interessen anderer Fachrichtungen Auswirkungen auf die Entwicklungen innerhalb der Radiologie haben werden.

Literatur

  • 1 CD-Media Demonstration .http://www.offis.uni-oldenburg.de/projekte/dicom/dicom_mediademos.e.html. 1997
  • 2 Hruby W. Das filmlose Krankenhaus - Realität oder Illusion.  Fortschr Röntgenstr. 1995;  162 359-361
  • 3 http://www.rsna.org/IHE/ihemiss.html. 

Dr. Priv.-Doz. Peter Mildenberger

Klinik für RadiologieUniversität Mainz

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