Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2000; 35(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2000-10846-5
ABSTRACTS
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Seltener Fall einer tumorindizierten Paraplegie im zeitlichen Zusammenhang mit einer Epiduralkatheter-Anlage - ein Fallbericht.

C. Graf, G. Splith, B. Wiedemann
  • Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie des Städtischen Klinikums „St. Georg”, Leipzig
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Publication History

Publication Date:
28 April 2004 (online)

Eine 33jährige Primapara wurde mit regelmäßigen Wehen und gesprungener Fruchtblase stationär aufgenommen. Es bestand der Wunsch nach einer schmerzarmen Entbindung. Zu diesem Zweck wurde nach Anamneseerhebung (leer) und kurzer Aufklärung sowie schriftlichem Einverständnis ein Epiduralkatheter (EDK) komplikationslos in Höhe von L3/L4 gelegt. Die Beschickung des Katheters erfolgte mehrmals intermittierend nach Bedarf mit jeweils 2 × 5 ml 0,2 %igem Ropivacain über einen Gesamtzeitraum von 3 h. 2,5 h nach Zangenentbindung wurde der EDK entfernt (Motorik nach Bromage I). 7 Tage post partum wurde die Patientin beschwerdefrei entlassen. Bereits 1 Tag nach Entlassung klagte die Patientin in einer gynäkologischen Sprechstunde über Lähmungserscheinungen in beiden Beinen, deren Ursache sie und auch die Gynäkologin im Zusammenhang mit dem EDK sahen. Ohne Rückinformation an die Anästhesie wurde die Patientin zu einem Neurologen überwiesen. Eine hier empfohlene stationäre neurologische Abklärung lehnte die Patientin ab. Erst nach der 2. ambulanten Vorstellung in der gynäkologischen Ambulanz - 13 Tage nach Entlassung - wurde eine Anästhesistin über die bestehende Symptomatik informiert. Ein Zusammenhang zum EDK erschien zunächst offensichtlich. Trotz nachdrücklicher Empfehlung stand die Patientin einer subtilen neurologischen Abklärung weiterhin ablehnend gegenüber. Schließlich gab die Patientin 3 Tage später ihre Einwilligung zur stationären Einweisung in die Neurologische Klinik. Eine gezielte Befragung erbrachte jetzt, daß bereits während der Schwangerschaft zeitweise Zuckungs- und Lähmungserscheinungen in den Beinen bestanden haben. Der neurologische Status ergab eine dezente Kraftminderung im Bereich der unteren Extremitäten. Das MRT der LWS war wider Erwarten unauffällig. Auf Grund einer erst jetzt angegebenen Symptomatik auch im rechten Arm wurde ein MRT der HWS und oberen BWS durchgeführt, welches eine rechtsseitige extradurale, intra- und extraspinale Raumforderung im Bereich von HWK 5 bis BWK 1 und eine hochgradige Verlagerung und Kompression des Myelons zeigte. Der Befund sprach für ein langsam wachsendes Neurinom. Die Hemilaminektomie mit mikrochirurgischer Entfernung des intraspinalen und weitestgehender Entfernung des extraspinalen Tumors führten zu vollständiger Rückbildung der Symptomatik. Schlußfolgerung: Der Kasus unterstreicht die Bedeutung einer unbedingt erforderlichen Regelung zwischen Anästhesist und Geburtshelfer und niedergelassenem Gynäkologen zur Verfahrensweise bei auftretenden Problemen, die im Zusammenhang mit dem EDK stehen könnten. Des weiteren sind eine gezielte Anamnese und klinische Untersuchung vor jeder EDK-Anlage, auch bei bestehendem Zeitdruck, unabdingbar.