Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2000; 35(8): 534-537
DOI: 10.1055/s-2000-7089
KONGRESSBERICHT
ORIGINALARBEIT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bericht über das 27. Neonatal and Infant Respiratory Symposium in Vail, Colorado, 2000

Report on the 27th Neonatal and Infant Respiratory Symposium in Vail, Colorado, 2000J. Holzki
  • Abteilung für Kinderanästhesie und operative Kinderintensivmedizin, Köln
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Das Symposium widmete dem Schmerz bei intensivmedizinischen Maßnahmen im frühen Kindesalter einen besonderen Schwerpunkt.

KJS Anand (Univ. Arkansas) berichtete in ausführlichen Referaten über seine weltweit bekannten Forschungen über Schmerz im frühen Kindesalter:

Experimentelle Untersuchungen über die Effekte des Schmerzes am zentralen Nervensystem werden vorwiegend an Ratten durchgeführt, weil der Entwicklungszustand des Gehirns einer neugeborenen Ratte etwa dem eines Frühgeborenen (FG) der 24. Schwangerschaftswoche, und der einer 14 Tage alten Ratte dem eines reifen Neugeborenen (NG) entspricht.

Wie die Ratte haben das FG und NG des Menschen überschießend reagierende Hautreflexe, funktionell polymodale Nozizeptoren, unterliegen einer Sensibilisierung bei wiederkehrenden Schmerzen, weisen relativ große Schmerzfelder im dorsalen Horn des Rückenmarks auf und besitzen eine deutliche Unreife der deszendierenden Schmerzinhibition. Die Ausbildung mehrerer schmerzbezogener Neurotransmitter (z. B. Substanz P, intestinale Polypeptide) folgt ebenfalls vergleichbaren Entwicklungschritten wie bei der Ratte (KJS Anand, E. Marti). Obige Tatsachen belegen, dass das FG und NG nicht nur sehr wohl Schmerzen wahrnimmt, sondern diese besonders intensiv fühlt, weil die Schmerzschwelle niedriger liegt als im späteren Alter. Formalinbedingte Schmerzen sind beim FG etwa 2,5 mal so intensiv wie beim reifen NG und 11 mal so intensiv wie beim Erwachsenen, wie überzeugend dargestellt werden konnte. Das gleiche gilt für hitzeinduzierte Schmerztests.

Beim Menschen gibt das letzte Trimester der Schwangerschaft einen wichtigen Einblick in die Organisation der spinalen Schmerzmechanismen, weil diese Zeit oft außerhalb des Uterus verbracht wird. Nozizeptive Reize werden leicht fortgeleitet, während die Modulation dieser Impulse nicht ausgereift ist. Dies bedeutet in der Praxis, dass trotz unzureichender Markscheidenreifung die Schmerzübertragung schneller erfolgt (kurze Leitungswege), geringe Schmerzen eher wahrgenommen werden und bei Verletzungen (z. B. der Haut) eine deutlichere Hyperinnervation der verletzten Stelle erfolgt als beim Erwachsenen. Dagegen ist die Entwicklung der deszendierenden Schmerzinhibition im frühen Lebensalter verlangsamt, wodurch der Organismus schlecht einen Abwehrmechanismus auf wiederholte Schmerzreize bereitstellen kann.

Deshalb kommt es beim FG und NG viel leichter zu antatomisch erkennbaren Umbauvorgängen im zentralen Nervensystem, was bei wenig ausgeprägter endogener Schmerzinhibition eine starke Sensibilisierung auf Schmerzreize zur Folge hat.

Aufgrund obiger, alarmierender Fakten ging Anand der Frage nach, ob das beatmete FG und NG routinemäßig einer Analgesie bedarf.

Schmerzen, auch Reize bei der Routineversorgung wie kapilläre Blutentnahmen und Absaugvorgänge, führen zu einem akuten Anstieg von Herzfrequenz, Blutdruck, intrakraniellem Druck, einer Konstriktion der Lungengefäße und zum Stillstand der Zwerchfellbewegung. Dadurch werden leicht hypoxämische Episoden verursacht, die ihrerseits zu vagalen Reaktionen mit verminderter Hirnperfusion und mangelhafter Sauerstoffabgabe an das Gewebe führen. Diese physiologischen Reizantworten, besonders wenn noch Venenpunktionen, schmerzhafte Verbandswechsel und die Anlage von Thoraxdrainagen dazukommen reichen aus, um beim FG eine intrakranielle Blutung oder periventrikuläre Leukomalazie zu begünstigen, besonders in den ersten Lebenstagen. Die Rolle von Schmerz und Stress in den ersten Lebenstagen auf die multifaktorielle Genese von frühkindlichen neurologischen Störungen ist noch nicht endgültig geklärt, aber die vorliegenden Untersuchungen reichen aus, dem Schmerz einen Teil dieser schwerwiegenden Veränderungen zuzuordnen (Anand, 1999). In einer multizentrischen Studie wurden 67 FG der 24. bis 32. Schwangerschaftswoche (SSW), die keine zusätzlichen Störungen neben der Indikation zur Beatmung aufwiesen, innerhalb der ersten drei Lebenstage randomisiert und erhielten Morphin, Midazolam oder Plazebo als Dauerinfusion. Die Sedierung und die Reaktion auf Schmerz wurde nach quantifizierbarem Schema erfasst. Beide Gruppen mit Analgetikum bzw. Sedativum waren bei der Versorgung, besonders beim Absaugen, im Vergleich zur Plazebogruppe deutlich ruhiger und entspannter. Neurologische, aber auch zusätzliche Beeinträchtigungen wurden in der errechneten 36. postkonzeptionellen Woche erhoben und zeigten bei 23,8 % in der Plazebogruppe, bei 31,8 % in der Midazolamgruppe und nur 4,2 % in der Morphingruppe nachhaltige neurologische Störungen. Auch wenn diese Untersuchung nicht umfangreich genug ist, um vorteilhaftere neurologische Spätergebnisse auf die routinemäßige Schmerzbehandlung beim beatmeten FG zurückzuführen, liegen genügend Informationen vor, dass die gezielte Schmerzbehandlung, auch im Vorfeld von Schmerzen (präemptiv) im frühen Kindesalter nur von Vorteil sein kann.

Wie sollte die konkrete Schmerztherapie auf der Kinderintensivstation aussehen?

Für das Frühgeborenenalter sind nur wenige Sedativa und Analgetika wissenschaftlich untersucht worden. Zur Analgesie werden grundsätzlich wie im Erwachsenenalter Opioide, nicht-steroidale entzündungshemmende Substanzen (NSAIDs) und das Anästhetikum Ketamin eingesetzt. Zur Sedierung werden vorwiegen Benzodiazepine, Barbiturate, Promethazin, gelegentlich Dehydrobenzperidol verwendet.

Morphin ist in dieser Altersgruppe das weitaus am häufigsten untersuchte und eingesetzte Analgetikum, auch wenn syntetische Substanzen wie Fentanyl, Alfentanil oder Sufentanil weniger Nebenwirkungen aufweisen. Morphin besitzt eine sehr erwünschte Sedierungskomponente, die bei den selektiveren Opioiden nicht vorhanden ist und häufig eine zusätzliche Sedierung mit Benzodiazepinen nötig macht. Morphin sollte beim FG und NG nie als Bolus, sondern als Kurz- oder Dauerinfusion verabreicht werden, weil es durch Histaminfreisetzung regelmäßig zu einem Blutdruckabfall kommt. Auch Pruritus, die Tendenz zum Bronchospasmus bei chronisch lungenkranken Kindern und die stark gehemmte Darmmotilität müssen bei der Morphinanwendung beachtet werden. Die Atemdepression spielt beim beatmeten Kind keine Rolle, bei der Bolusgabe synthetischer Opioide kann aber eine unangenehme Thoraxstarre mit Beeinträchtigung der Beatmung auftreten.

Der große Vorteil der aufgezählten Opioide liegt in ihrer fehlenden Organtoxizität, ohne dass es zu einer Wirkungsabschwächung bei Dosiserhöhung (ceiling effect) käme wie bei den Agonist/Antagonist-Substanzen wie Pentazocin. Bei Morphin hatte es eine Zeit lang Verwirrung darüber gegeben, ob es einen „ceiling effect” gäbe, weil in dieser Substanz fälschlicherweise Antagonistenaktivität vermutet wurde.

Einer der Gründe, weshalb Opioide selten beim nichtbeatmeten FG und NG eingesetzt werden, liegt wahrscheinlich in der schwer voraussagbaren Wirkungsdauer. Wegen der verminderten Glukuronisierungskapazität ist die Halbwertszeit der Opioide verlängert, aber daraus erwächst lediglich die Frage nach einer adäquaten Dosierung, die für jeden Patienten angepasst werden muss. Alle Opioide sollten in niedriger Dosierung per Dauerinfusion gegeben werden. Dadurch bleiben die Nebenwirkungen gering. Zusätzlicher Analgetikabedarf sollte durch NSAIDs, schmerzhafte Kurzeingriffe durch Ketamingabe abgedeckt werden.

Von den NSAIDs wird in der Neonatologie am häufigsten Indomethacin zum Verschluss des offenen Duktus Botalli eingesetzt, allerdings wurden die Analgesieeffekte bisher unzureichend untersucht. Paracetamol ist in rectalen Dosen von 40 - 45 mg/kg wirksam, erreicht aber bei 100 mg/kg/Tag die lebertoxische Grenze. Ibuprofen, Ketorolac und Propacetamol werden ebenfalls im frühen Kindesalter eingesetzt, sind aber beim FG und NG wenig untersucht.

Bei jeder Opioidgabe bildet sich bei Langzeitanwendung nach 4 - 5 Tagen eine Gewöhnung und gelegentlich eine Abhängigkeit aus. Um keine Entzugssymptomatik auftreten zu lassen, sollte man sich immer aus der Behandlung ausschleichen oder Medikamente wie Ketamin oder Clonidin in Anspruch nehmen.

Beim FG und NG ist die Schmerzempfindung stärker ausgeprägt als im späteren Lebensalter. Bei chronischem Schmerz kann es zu permanenten strukturellen und funktionellen Veränderungen des zentralen Nervensystems führen, die sich neben schweren frühkindlichen Schäden (Hirnblutung, periventrikuläre Leukomalazie) in starker Schmerz-, Berührungs- und Wärmeempfindlichkeit äußern und durch eine adequate Analgesie und Sedierung verhindert werden können.

E. Bancalari (Univ. Miami) berichtete über die neuesten Bestrebungen seiner Abteilung, die Ursachen für bisher unerklärliche Hypoxieanfälle beim beatmeten FG und NG zu erforschen:

Beim FG treten bekanntermaßen spontane Hypoxieepisoden auf, nachdem die ursprüngliche Lungenerkrankung überwunden ist, die Beatmung aber noch wegen ungenügendem Atemantrieb fortgesetzt werden muss. Diese Episoden treten sowohl bei unbehelligten, ruhigen Kindern auf, meistens aber doch bei Manipulationen oder Unruhezuständen. Diese Hypoxieperioden dauern einige Sekunden bis zu mehreren Minuten an und bedürfen der Erhöhung der Sauerstoffzufuhr und der Beatmungparameter, was zur unerwünscht verstärkten Belastung des Lungengewebes führt.

Trotz adäquater Überwachung sind bei solchen Episoden die neurologischen Funktionen unterdrückt, mit Recht müssen Langzeitfolgen befürchtet werden, besonders wenn diese Hypoxieperioden so häufig sind, dass die betreuende Schwester ständig mit einem solchen Patienten beschäftigt ist.

Um die Ursache dieses wichtigen klinischen Problems zu finden, wurde eine Reihe von ehemals FG untersucht, die wochenlang nicht von der Beatmung zu entwöhnen waren und diese auffälligen Hypoxieepisoden aufwiesen.

Alle Patienten hatten ein Geburtsgewicht unter 1000 g, waren etwa vier Wochen alt und über ihre ursprüngliche Lungenerkrankung hinweggekommen. Sie unterlagen einer niedrigfrequenten „Intermittent Mandatory Ventilation” (IMV), die Atemfunktion wurde durch die Aufzeichnung der transkutanen Sauerstoffsättigung, des Atemzugvolumens (TV), des Atemminutenvolumens (AMV), des Atemwegswiderstandes (R), der Lungencompliance (C) und des Ösophagusdruckes (Pös) dargestellt.

Alle Hypoxieepisoden verliefen nach dem gleichen Muster: nach einer aktiven Expiration kam es zum Abfall des Lungenvolumens und gleichzeitigen Anstieg des Pös, das AMV fiel auf die Hälfte ab, ebenso das vom Respirator erzeugte TV. Die Patienten versuchten die Spontanatmung zu vertiefen, dennoch kam es zum Abfall der C und zur Verdoppelung des R. Ein R/L-Shunt konnte durch prä- und postductale O2-Messungen ausgeschlossen werden.

Die Ergebnisse dieser Studie können so interpretiert werden, das die Hypoxieepisoden durch eine forcierte Expiration ausgelöst werden, die das Lungenvolumen erheblich verringert, den R erhöht und die C reduziert. Darauf folgt eine Verminderung des AMV und der Sauerstoffsättigung bis auf 75 %, dann wurde eingegriffen um eine stärkere Hypoxie mit Bradykardie zu vermeiden. Offensichtlich werden diese Perioden durch den Versuch der Kinder zu schreien oder kräftig zu husten ausgelöst, ohne dass sie die Glottis wegen des liegenden Tubus verschließen können.

Als Intervention erfolgte zuerst eine Erhöhung der Sauerstoffzufuhr, dann eine Druck- oder Frequenzerhöhung am Respirator. Diese Zwischenfälle zeigen auch deutlich, dass zur Überwachung solcher Patienten das Aufzeichnen und Überwachen des TV und des AMV dringlich ist, denn der Abfall der transkutanen Sättigung ist schon ein relatives Spätzeichen.

Die Erhöhung des PEEP hilft bei einigen Patienten, die hypoxische Episode zu überwinden, kann aber die kräfige Expiration nicht kompensieren.

Wenn ein Patient trotz dieser Maßnahmen nicht schnell extubiert werden kann, ist eine sogenannte „volume guaranteed”-Funktion bei der Beatmung erstrebenswert, auch wenn damit nur die Dauer der Hypoxieanfälle verkürzt, aber nicht abgestellt werden kann. Günstiger ist es, die Entwöhnung auf Rachen-CPAP so schnell wie möglich voranzutreiben.

D. Null (Univ. Salt Lake City) behandelte die Stellung der hochfrequenten Beatmungstechniken in der heutigen Philosophie der Neugeborenenbeatmung.

In sehr detaillierten Fallbeschreibungen erklärte er den Umgang mit der konventionellen und hochfrequenten Beatmung (HFO), die jede ihren Platz in der Behandlung der neonatalen Lungeninsuffizienz hat.

Nach jeder Einstellung eines Beatmungsmusters muss man sich nach wenigen Stunden fragen, ob die betreffende Strategie erfolgreich sei oder nicht. Bläht sich die Lunge soweit auf, dass die Zwerchfelle über die 9. Rippe nach kaudal verschoben werden oder ein interstitielles Emphysem sichtbar wird, ist die Beatmungstrategie zu verändern, hier müsste die Frequenz erniedrigt oder der Inspirationsdruck reduziert werden. Verschlechtert sich die Oxygenation des Patienten nach einer Umlagerung, muss immer an eine Tubusverschiebung gedacht werden, die auch beim FG mehr als 1 cm ausmachen kann. Wenn das interstitielle Emphysem bedrohlich wird, sollte man die HFO in Erwägung ziehen, aber auch nur dann, wenn man genug Erfahrung damit hat. Eine Überinflation der Lunge kann sich auch unter HFO verschlechtern, im allgemeinen wird man aber mit einem niedrigeren Atemwegsmitteldruck auskommen und die Überblähung löst sich in mehreren Stunden auf. Entwöhnen kann man den Patienten dann über die hochfrequente oder die konventionelle Beatmung.

A. Fanaroff (Children's Hospital Cleveland) führte durch das ungelöste Problem der frühkindlichen Sepsis.

In den USA sterben jährlich etwa 800 FG an einer Sepsis, obwohl die Sepsis in dieser Altersgruppe sehr häufig ist. Die Besiedlung der Haut und Schleimhäute des FG mit pathogenen Mikroorganismen ist in der Intensivmedizin nur eine Frage der Zeit. Erst die Invasion der Keime in die Blutbahn oder den Liquor zerebrospinalis mit klinischen Symptomen macht die Infektionskrankeit aus. Zur Definition der Sepsis gehört der Nachweis eines Keimes in der Blutbahn und klinische Symptome wie Apnoen, Bradykardien, Hyper- oder Hypothermien. Vom akademischen Standard werden zwei gleichzeitig abgenommene Blutkulturen gefordert, was beim FG praktisch nicht zu erbringen ist. Als nosokomial wird die Infektionskrankheit bezeichnet, wenn sie 3 - 4 Tage nach Krankenhausaufnahme auftritt, auch wenn der Keim auf der Haut des Patienten in die Klinik eingebracht worden wäre.

Am deprimierendsten, wissenschaftlich aber am interessantesten ist die Erfahrung, dass sich oft 4 Wochen nach der Stabilisierung der vitalen Funktionen des FG eine Sepsis mit nekrotisierender Enterokolitis entwickelt. Sterben Kinder an einer Sepsis, so ergab sich vorher oft kein Keimwachstum im Blut. Dies bedeutet, dass auch bei Sepsisverdacht behandelt werden muss.

Die Sepsishäufigkeit hat sich in dem letzen Jahrzehnt nicht verändert, sie liegt beim reifen NG bei 1 - 4 % und nimmt mit abnehmendem Geburtsgewicht sowie größerer Unreife und Dauer der Intensivbehandlung zu und liegt beim FG < 1500 g in Cleveland bei 15 - 20 %, beim FG < 750 g bei 50 %.

Der wichtigste Sepsiserreger in den letzen 10 Jahren ist beim kleinen FG der koagulase negative Staphylokokkus epidermidis, der aber selten zum Tode führt im Gegensatz zur Invasion mit Gram negativen Keimen, besonders wenn sie mit einer Kandidainfektion vergesellschaftet sind. Die Spiegelung der Retina hilft oft bei der Diagnose der Kandidasepsis.

Wird ein Kind per Sectio geboren, werden keinerlei bakteriologische Untersuchungen unternommen. Eine Lumbalpunktion bei Sepsisverdacht ist nicht grundsätzlich angebracht, bei Blutgerinnungsstörungen sogar kontraindiziert. Wenn sich der Verdacht einer Begleitmeningitis ergibt, ist die Lumbalpunktion nach 2 - 3 Tagen sinnvoll um die Dauer der antibiotischen Behandlung festzulegen. Vor Eintreffen des Ergebnisses der Blutkultur wird sich an der Behandlung nichts ändern.

Bei einer Sepsis liegen signifikant erniedrigte IgG-Spiegel vor, die Substition von Globulinen scheint aber keinen Einfluss auf den Verlauf auszuüben, außer es werden spezifische Globuline angewandt. Dies ist zwar sehr enttäuschend, aber bei einem IgG-Spiegel um 200 mg/dl und darunter wird substituiert, denn die Agammaglobulinämie ruft per se Septikämien hervor.

Die Gabe von H2-Blockern, wenn auch selten beim FG und NG angewandt, erhöhen ebenso wie zentralvenöse Katheter (ZVK) die Sepsishäufigkeit deutlich. In der ersten Woche Liegedauer ist der ZVK für 7 %, nach der zweiten Woche für 21 %, nach 4 Wochen für über 50 % der Infektionen verantwortlich. Das Auswechseln der Katheter nach gewissen Zeiträumen scheint die Komplikationsrate eher zu erhöhen (Thrombosen). Versuche, die Sepsisrate mit einer niedrig dosierten Dauerinfusion von Vancomycin zu vermindern erbrachte zwar einen gewissen Erfolg in einer befristet behandelten Gruppe, epidemiologisch ist aber in Hinblick auf die Resistenzentwicklung von einem solchen Vorgehen abzuraten.

Die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung nosokomialer Infektionen auf der Intensivstation besteht im Waschen und Desinfizieren der Hände, das muss immer neu betont werden. Wenn Epidemien auf einer Station ausbrechen liegt es oft an einer Person, die einen typisierbaren Keim überträgt.

Der Versuch, durch Antibiotikagabe während der Geburt die besonders gefährliche Streptokokken-B-Sepsis zu verhindern, erwies sich in einer umfangreichen Untersuchung als erfolgreich, wenn sich die Prophylaxe auf die Patientinnen beschränkte, deren Zervixabstrich Kokken zeigte. Bei 7867 Streptokokken-B-Infektionen traten 20 % in den ersten 7 Lebenstagen auf, nach Einführung der Prophylaxe wurden die Frühinfektionen um 65 - 75 % reduziert.

Infektionen können aber auch durch therapeutische Maßnahmen begünstigt werden. So haben zwei Studien, die durch Dexamethasongabe Einfluss auf die Häufigkeit der chronischen Lungenerkrankung nehmen wollten, in Bezug auf die Lungenfunktion auch eine gewisse Besserung erzielt, aber in beiden Studien traten in der Dexamethasongruppe signifikant mehr Infektionen auf, eine Studie wurde abgebrochen, weil es zu gehäuften spontanen Darmperforationen kam, die nicht einer nekrotisierenden Enterokolitis entsprachen.

Letztere Studie umfasste einen zusätzlichen Studienaspekt, nämlich ob eine sogenannte „permissive Hyperkapnie” die Lungenfunktion während und nach einer Beatmungstherapie verbessern könnte. Die beiden Studiengruppen unterschieden sich im PCO2 um durchschnittlich 4 mmHg, es zeigte sich aber kein Unterschied in beiden Gruppen in Bezug auf Morbidität der Lunge oder die Mortalität.

Inhalative Steroide hatten einen geringen Effekt auf die Verhinderung der chronischen Lungenerkrankung, begünstigten allerdings auch weniger das Auftreten einer Allgemeininfektion.

Tritt beim FG und NG auf der Intensivstation unerwartet die erste Sepsis auf ohne dass kultivierte Keime vorliegen, wird generell mit Ampicillin und Gentamycin behandelt. Bei Verdacht auf Steptokokken der Gruppe B wird Penicillin gegeben, bei Penicillinallergie Clindamycin. Eine gezieltere Behandlung sollte erst nach dem Ergebnis einer Blut-, Urin- oder Liquorkultur angesetzt werden. Bei Verdacht auf eine Staphylokokkeninfektion wird wieder vermehrt Methicillin angewandt, außer wenn hier bereits eine Resistenz erwartet wird. Es besteht allenthalben die große Sorge vor einer folgenschweren Epidemie von vancomycinresistenten Staphylokokken, die nur durch den restriktiven Umgang mit Vancomycin verhindert werden kann.

Abschließend gab Fanaroff einen Überblick über die Spätergebnisse nach Intensivtherapie des kleinen FG:

Die Durchsicht der Weltliteratur und die Erfahrungen in Cleveland haben ergeben, dass die Überlebensrate von FG < 800 g und unterhalb der 25. SSW zwischen 2 und 58 % schwanken, aber krankhafte Befunde beim Ultraschall des Schädels bei den Überlebenden dieser Gruppe in bis zu 83 % der Fälle gefunden werden. Ab der 25. SSW überleben die FG bis zu 85 %, die pathologischen intrakraniellen Befunde erreichen bei dieser Gruppe 22 %. Chronische Lungenveränderungen erscheinen bei bis zu 71 % der Überlebenden, die neurologische Entwicklung ist bei vielen Kindern gestört. In Cleveland wurden über 200 ehemals FG im 20. Lebensmonat nachuntersucht. Eine chronische Lungenerkrankung wurde in 63 %, eine Verminderung der kognitiven Funktionen in 48 %, eine Spastik bei 16 % der Patienten gefunden. Im Vergleich zu den Patienten, die vor 1992 behandelt wurden, haben sich die Langzeitergebnisse deutlich verschlechtert als Folge immer kleinerer FG, die überleben. Diese Ergebnisse sind Anlass zu bleibender großer Besorgnis.

Josef Holzki

Abteilung für Kinderanästhesie und operative Kinderintensivmedizin

Kinderklinik der Stadt Köln

Amsterdamer Str. 59

50735 Köln