Rofo 2000; 172(9): 785-787
DOI: 10.1055/s-2000-7231
DER INTERESSANTE FALL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neuroradiologische Befunde bei der Hemiatrophia facialis progressiva (Parry-Romberg-Syndrom)

K. Kirchhof1 , T. Wlezel2 , K. Ziegler3
  • 1 Abteilung Neuroradiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
  • 2 Abteilung Klinische Radiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
  • 3 Neurochirurgische Klinik, Diakonissenkrankenhaus Flensburg
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Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Die Hemiatrophia facialis progressiva wurde 1825 erstmals von Parry und 1846 von Romberg beschrieben. Es handelt sich um eine meist einseitige, langsam progrediente, aber selbst limitierende Atrophie der Gesichtsweichteile mit Bevorzugung des Versorgungsgebietes des N. trigeminus (Rogers BO et al, Int Congress Series 1963; 66: 681). Die Erkrankung beginnt bei vielen Patienten im ersten oder zweiten Dezennium mit einer bläulich-bräunlichen Hyperpigmentierung der Haut über der Augenbraue oder unter dem Unterlid. Ipsilateral folgen andere typische Symptome wie der Verlust von Wimpern oder der Augenbraue, ein Pigmentverlust der Haare, eine Alopezie oder eine linienförmige Hautvertiefung (en coup de sabre). Die Atrophie betrifft in erster Linie die Gesichtshaut und das subkutane Gewebe. Nur wenn die Krankheit im ersten Lebensjahrzehnt beginnt, ist eine Atrophie des Gesichtsschädels zu befürchten. Die Gegenseite oder die Arme werden nur selten bei einem weit fortgeschrittenen Krankheitsbild erfasst. Häufiger wird eine ipsilaterale zerebrale Beteiligung gefunden, deren genaue Inzidenz jedoch nicht bekannt ist. Neurologische Symptome, die man als eine Trias aus Herdsymptomen, psychischen Veränderungen und vegetativen Störungen zusammenfassen kann, treten bei 10 - 15 % der Patienten auf (Terstegge K et al, Radiologe 1993; 33: 585). Sie können auch dann noch zunehmen, wenn die Atrophie der Gesichtsweichteile bereits zum Stillstand gekommen ist (Asher SW et al, Arch Neurol 1982; 39: 44). Bei 10 - 40 % der Patienten wird die Hemiatrophie von Augenerkrankungen begleitet.

Histologisch findet man eine unspezifische chronische Entzündung mit perivaskulärer lymphozytärer Infiltration und Atrophie von Haut und Haarfollikeln. Die elastischen Fasern bleiben im Gegensatz zur Sklerodermie erhalten. Eine intrakranielle Beteiligung ist durch eine einseitige subakute Meningoenzephalitis mit leptomeningealer Fibrose und lymphozytären Infiltraten gekennzeichnet. Zerebral wurden verkalkende Gefäßmalformationen, Marklagergliosen von Groß- und Kleinhirn sowie dysmorphe Sulci beschrieben.

Die Ätiologie der wahrscheinlich nicht erblich bedingten Erkrankung mit weiblicher Prädominanz (Frauen : Männer = 3 : 2) konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Als Ursachen werden ein chronisch entzündlicher Prozess (Cory RC et al, MNR 1997; 18: 751), möglicherweise in Verbindung mit einer sympathischen Dysfunktion, eine Störung des rostralen Neuralrohres (Schievink WI et al, Neurosurgery 1996; 38: 1237) oder ein neurokutanes Syndrom diskutiert. Die Behandlungsmöglichkeiten des Parry-Romberg-Syndroms sind begrenzt. Die Wirksamkeit einer immunsuppressiven Therapie konnte bisher nicht gesichert werden. Auch die Ergebnisse nach plastischer Rekonstruktion oder Sympathikolyse waren unterschiedlich (Rogers BO et al, Int Congress Series 1963; 66: 681).

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