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DOI: 10.1055/s-2000-7368-3
Präoperative Eigenblutspende: Nettozuwachs an Erythrozytenmenge oder nur „Verschiebebahnhof”?
Der Einfluss des SpendeschemasPublication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)
Variablen eines Eigenblutspendeschemas sind die (geplante) Zahl der Blutentnahmen, die Abstände zwischen den Blutentnahmen, das Entnahmevolumen pro Spendetermin, der vor einer Blutentnahme geforderte Mindesthämatokrit und die Länge des Spendezeitraums. Der Spendezeitraum ist definiert als der Abstand zwischen der ersten Eigenblutentnahme und der Operation. Bei Vergleichen verschiedender Spendeschemata müssen der Ausgangshämatokrit des Patienten und eventuelle Begleitmaßnahmen (z. B. Eisensubstitution, Erythropoetintherapie) berücksichtigt werden. Soweit nicht anders angegeben, haben die Patienten der in diesem Beitrag zitierten Untersuchungen eine orale Eisensubstitution (165 - 300 mg Fe++/die) erhalten. Es werden ausschließlich die Daten solcher Patienten betrachtet, die nicht mit Erythropoetin behandelt wurden. Bezüglich der Berechnung des Erythrozytengewinns wird auf einschlägige Originalarbeiten (z. B. [3] [6]) verwiesen.
Dem Verfasser sind nur zwei Untersuchungen bekannt, in denen verschiedene Spendeschemata miteinander verglichen wurden [1] [2]. Eine der beiden Untersuchungen kann hier nicht berücksichtigt werden, weil sie keine Angaben über den Erythrozytengewinn enthält und dessen nachträgliche Berechnung aus den publizierten Daten nicht möglich ist [1]. In der anderen Untersuchung [2] wurden zwei Gruppen von Patienten verglichen, denen in Abständen von entweder 3 oder 7 Tagen je dreimal 350 ml Blut entnommen wurde. Die Patienten aus der Gruppe mit den kurzen Entnahmeintervallen hatten einen Ausgangshämatokrit von 41 ± 3 % (Mittelwert ± Standardabweichung), jene aus der Gruppe mit den langen Entnahmeintervallen einen von 39 ± 2 %. Der Spendezeitraum betrug in beiden Gruppen durchschnittlich 26 Tage. Angaben über den geforderten Mindesthämatokrit und zur Eisensubstitution fehlen. Der präoperative Erythrozytengewinn war mit 258 ± 130 ml vs. 262 ± 208 ml nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen verschieden. Hieraus kann gefolgert werden, dass es bei vorgegebener Zahl der Blutentnahmen und vorgegebener Länge des Spendezeitraums für den Erythrozytengewinn unerheblich ist, ob die Blutentnahmen in drei- oder siebentägigen Abständen erfolgen.
Die Tab. [1] gibt einen Überblick über die durchschnittlichen Erythrozytengewinne bei Anwendung verschiedener Spendeschemata. Die Daten in der oberen Hälfte der Tabelle stammen aus Untersuchungen [3] [4] [5], in denen 6 Eigenblutentnahmen innerhalb von 3 Wochen angestrebt wurden. Patienten, die einem solchen aggressiven Spendeschema unterworfen wurden, produzierten während eines Zeitraums von 25 - 35 Tagen je nach Ausgangshämatokrit im Mittel zwischen 353 und 568 ml Erythrozyten (gewichtetes harmonisches Mittel: 392 ± 160 ml). Patienten mit einem Ausgangshämatokrit > 39 % „schafften” mehr Eigenblutentnahmen und erzielten einen größeren Erythrozytengewinn (440 ± 176 ml) [4] als solche mit einem Ausgangshämatokrit ≤ 39 % (353 ± 155 ml) [5].
Die untere Hälfte der Tabelle enthält Daten von Patienten, die in wöchentlichem Rhythmus Eigenblut spendeten. Kasper und Mitarbeiter [6] ermittelten für 225 Patienten, denen durchschnittlich 2,7 (Median: 3) Eigenblutkonserven in wöchentlichen Abständen entnommen worden waren, einen mittleren Erythrozytengewinn von 351 ± 143 ml. Für Patienten mit einem Ausgangshämatokrit ≤ 39 % errechnete sich ein durchschnittlicher Erythrozytengewinn von 248 ± 158 ml, für Patienten mit einem Ausgangshämatokrit > 39 % einer von 362 ± 136 ml [6]. Der Spendezeitraum (26 ± 5 Tage, Bereich: 16 - 35) war in der Untersuchung von Kasper und Mitarbeitern [6] ähnlich lang wie in den vorgenannten Untersuchungen [3] [4] [5], in denen zwei Eigenblutentnahmen pro Woche angestrebt worden waren, der Erythrozytengewinn aber durchschnittlich 10 - 30 % geringer.
Die Untersuchungen von Gesemann und Mitarbeitern [7] sowie de Pree und Mitarbeitern [8] zeigen, dass auch bei wöchentlichem Spenderhythmus recht beachtliche Erythrozytengewinne möglich sind, wenn der Spendezeitraum ausgedehnt wird und die Eigenblutentnahmen fortgesetzt werden (Tab. [1]). In beiden Untersuchungen [7] [8] wurden ähnliche Erythrozytengewinne erzielt wie bei dreiwöchiger Anwendung eines aggressiven Spendeschemas [3] [4] [5].
Die Bedeutung eines ausreichend langen Spendezeitraums unterstreicht eine Untersuchung von Toy und Mitarbeitern [9]: nach Entnahme von 2 Eigenblutkonserven (in nicht genanntem Abstand) betrug der durchschnittliche Erythrozytengewinn bei einem Spendezeitraum von 14 - 20 Tagen 108 ml, bei einem Spendezeitraum von 21 - 27 Tagen 150 ml, bei einem Spendezeitraum von 28 - 34 Tagen 232 ml und bei einem Spendezeitraum von 35 - 41 Tagen 386 ml.
Die hier referierten Daten lassen folgende Schlussfolgerungen zu: Die präoperative Eigenblutspende führt zu einem quantifizierbaren Nettogewinn an Erythrozyten. Es werden nicht nur Erythrozyten aus dem Körper des Patienten in einen Plastikbeutel „verschoben”! Die Höhe des Erythrozytengewinns unterliegt großen individuellen Schwankungen (siehe Standardabweichungen in Tab. [1]) und ist im Einzelfall nicht vorhersagbar [6]. Bei Entnahme von 3 Eigenblutkonserven (je 450 ml) in wöchentlichen Abständen und einem Abstand zwischen der ersten Eigenblutentnahme und der Operation von 3 - 5 Wochen ist ein durchschnittlicher Erythrozytengewinn von 350 ml zu erwarten. Dies entspricht der Erythrozytenmasse von knapp zwei buffycoatfreien allogenen Erythrozytenkonzentraten mit einem Erythrozytengehalt von 180 ml pro Einheit. Bei Anwendung eines aggressiven Spendeschemas (zwei Eigenblutentnahmen pro Woche) sind größere Erythrozytengewinne möglich. Mit den Eigenblutentnahmen sollte - innerhalb der durch die Lagerungsfähigkeit der Erythrozyten gesetzten Grenzen und unabhängig von dem gewählten Spendeschema - möglichst frühzeitig vor der Operation begonnen werden. Die Produktion von Erythrozyten braucht Zeit!
Literatur
- 1 Wittig M, Osswald P M, Lorentz A, Jani L. Kurze Abnahmeintervalle bei der präoperativen Eigenblutspende im Konzept der autologen Transfusion. Anaesthesist. 1994; 43 9-15
- 2 Mercuriali F, Inghilleri G. Proposal of an algorithm to help the choice of the best transfusion strategy. Curr. Med. Res. Opin.. 1996; 13 465-478
- 3 Goodnough L T, Price T H, Rudnick S, Soegiarso R W. Preoperative red cell production in patients undergoing aggressive autologous phlebotomy with and without erythropoietin therapy. Transfusion. 1992; 32 441-445
- 4 Goodnough L T, Price T H, Friedman K D, Johnston M, Ciavarella D, Kahn N, Sacher R, Vogler W R, Wissel M, Abels I. A phase III trial of recombinant human erythropoietin therapy in nonanemic patients subjected to aggressive removal of blood for autologous use: dose, response, toxicity, and efficacy. Transfusion. 1994; 34 66-71
- 5 Price T H, Goodnough L T, Vogler W R, Sacher R A, Hellman R M, Johnston M FM, Bolgiano D C, Abels R I. The effect of recombinant human erythropoietin on the efficacy of autologous blood donation in patients with low hematocrits: a multicenter, randomized, double-blind, controlled trial. Transfusion. 1996; 36 29-36
- 6 Kasper S M, Gerlich W, Buzello W. Preoperative red cell production in patients undergoing weekly autologous blood donation. Transfusion. 1997; 37 1058-1062
- 7 Gesemann M, Genter P R, Scheiermann N. Association of erythropoiesis during autologous blood donation with initial hemoglobin concentration and length of donation period. Infusionsther Transfusionsmed.. 1999; 26 353-359
- 8 De Pree C, Mermillod B, Hoffmeyer P, Beris P. Recombinant human erythropoietin as adjuvant treatment for autologous blood donation in elective surgery with large blood needs (≥ 5 units): a randomized study. Transfusion . 1997; 37 708-714
- 9 Toy P, Ahn D, Bacchetti P. When should the first of two autologous donations be made?. Transfusion. 1994; 34 S54
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan-Mario Kasper
Klinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln
50924 Köln
Email: sm.kasper@uni-koeln.de