Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(46): 1383
DOI: 10.1055/s-2000-8319
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypertonie 2000

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Prof. Dr. Thomas Unger, Herausgeber

Hypertonie 2000 ist das Motto der diesjährigen wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks/Deutsche Hypertoniegesellschaft in Heidelberg. Ein anspruchsvolles Motto zur Jahrtausendwende, welches zweierlei versinnbildlichen soll: Einmal die Rückbesinnung auf die Anfänge der Hypertonieforschung in Deutschland und die Gründung der Hochdruckliga vor über 25 Jahren, beides untrennbar mit dem Namen des Heidelberger Pharmakologen und Hypertonieforschers Franz Gross (1913-1984) verbunden, zum anderen einen Ausblick in die Zukunft, auf noch ungelöste gravierende Probleme der Behandlung dieser so wichtigen Volkskrankheit, aber auch auf Fortschritte in Diagnostik und Therapie, die uns in absehbarer oder noch ferner Zeit helfen können, unsere therapeutischen Aufgaben besser zu lösen.

Ein solches Schwerpunktheft kann diese umfassenden Themen nur mit Schlaglichtern beleuchten. Dennoch haben wir uns bemüht, eine Themenpalette zusammenzustellen, die sich in Übersichten und Originalien an den inhaltlichen Schwerpunkten des Kongresses orientiert.

Der historische Aspekt wird in einem Beitrag von Eberhard Ritz, Heidelberg, aufgegriffen, der sich des wissenschaftlichen Wirkens von Franz Volhard anlässlich dessen 50. Todestages annimmt. Auf Franz Volhard, einen herausragenden Kliniker und Forscher aus der Anfangszeit der Nephrologie und Hypertensiologie, gehen wissenschaftliche Konzepte zurück, die mit gewissen Einschränkungen auch heute noch Gültigkeit besitzen.

Die Epidemiologie der Hypertonie mit Auswirkungen auf die Prävention unter Einbeziehung der MONICA-Studie ist das Thema einer Übersicht von Hans-Werner Hense, Münster. Angesichts der Tatsache, dass die Hypertonie vor dem Hintergrund ihrer genetischen Aspekte eine Krankheit darstellt, die wie wenige andere durch unsere Zivilisation geprägt ist, kann die Bedeutung einer auf wissenschaftlichen Füßen stehenden Prävention nicht oft genug betont werden.

Den Erfolg präventiver Maßnahmen beleuchtet eine Originalie von Elke Danzer, Erlangen-Nürnberg, die zusammen mit ihren Kollegen die Ergebnisse einer strukturierten intensiven Hypertonieschulung vorstellt und auf die Notwendigkeit einer flächendeckenden Etablierung von Hypertonie-Schulungsprogrammen verweist.

Der gegenwärtige Stand der Hypertonie-Therapie wird von Roland Schmieder, Erlangen-Nürnberg, in einem Editorial in aller gegebenen Kürze zusammengefasst. Hier verdeutlicht sich unser größtes gegenwärtiges Dilemma, nämlich dass wir trotz aller Erfolge bei der Entwicklung neuer, effizienter und immer nebenwirkungsärmerer Antihypertensiva in Bezug auf den Behandlungsgrad der Hypertonie noch sehr viel aufzuholen haben. Dieses Defizit ist nicht auf Deutschland beschränkt; es zeigt sich in allen Ländern, in denen die Hypertonie eine maßgebliche Rolle spielt.

Eine Reihe kürzlich durchgeführter groß angelegter klinischer Studien, beispielsweise die HOT-Studie oder die SYST-EUR-Studie, haben bewiesen, dass eine Kontrolle des Blutdruckes und damit eine Senkung der hypertoniebedingten Mortalität mit heutigen Therapiemöglichkeiten auch unter praxisnahen Bedingungen zu erreichen sind. Diese bahnbrechenden Ergebnisse sollten für alle Beteiligten, ob behandelnder Arzt, ob Patient, »Meinungsbildner«, Medienvertreter oder Gesundheitspolitiker, ein weiterer Ansporn sein, mit allen Mitteln bevölkerungsweit auf eine stringente Blutdruckkontrolle hinzuarbeiten, um den Behandlungsgrad der Hypertonie zu verbessern und damit die gefährlichen Konsequenzen dieser Krankheit zu verringern.

Einen Ausblick in potenzielle diagnostische und therapeutische Möglichkeiten der Zukunft, basierend auf der rasant fortschreitenden Entwicklung der genetischen Forschung, bietet schließlich der Beitrag von Reinhold Kreutz, Berlin. Mit den Begriffen »Pharmakogenomik« und »Pharmakogenetik« verbindet sich die Hoffnung, Patienten aufgrund ihrer jeweiligen genetischen Disposition bzw. Risiko-Konstellation diagnostisch differenzierter zu charakterisieren, als es heute möglich ist, und einer auf dieser genetischen Differenzierung beruhenden gezielten Therapie zuzuführen. Heute ist das noch Zukunftsmusik, in einigen Jahren vielleicht schon Behandlungs-Realität auch im Bereich der Bluthochdruckkrankheit.

Abgerundet wird das Heft durch einen Fallbericht von Frank Schuppert, Berlin, und Kollegen, welcher Zusammenhänge zwischen Neurofibromatose, Phäochromozytom und Hypertonie aufdeckt, und das beliebte »Mediquiz« der Autoren Hellebart et al., Wien, über einen kardiologischen Befund, dessen Symptomatik auch im Bereich der Hypertonie nicht selten ist. Bleibt mir als diesjähriger Tagungspräsident zu hoffen, dass Sie als Leser dieses Heftes einen Einblick gewinnen in bisherige Leistungen, gegenwärtige Probleme und künftige Hoffnungen der Hypertonieforschung und dass Sie von diesem Publikationsniederschlag von Hypertonie 2000 in vielfältiger Weise profitieren können.

Prof. Dr. med. Thomas Unger

Direktor des Institutes für Pharmakologie am Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Hospitalstraße 4

24105 Kiel

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