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DOI: 10.1055/s-2000-8939-3
Autologe Plasmapherese: Sinnvolles Gerinnungs-therapeutikum oder teures Volumenersatzmittel ?
Publication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)
Bei der Rückschau auf 60 000 entnommene Transfusionseinheiten im Rahmen des Autologen Blutversorgungsprogramms am Orthopädischen Fachkrankenhaus Annastift in Hannover wird die Methode der Autologen Plasmapherese einer kritischen Würdigung unterzogen.
Hierbei wird erkennbar, daß aus einer 100prozentigen Versorgung mit autologem Phereseplasma im Jahre 1989 bis heute ein Rückgang der Plasmapherese auf etwa 10 % des Gesamtvolumens zu verzeichnen ist. (Abb. [1]) Dies entspricht den Ergebnissen aus einer Umfrage von Kasper [1] an 502 bundesdeutschen Krankenhäusern aus dem Jahre 1993.
Das präoperativ maschinell über Hohlfaserfilter entnommene Plasma galt damals in erster Linie als unentbehrlicher Baustein zur Restitution des intraoperativen Blutverlustes in Kombination mit dem durch maschinelle Autotransfusion gewonnenen gewaschenen Erythrozytenkonzentrat.
Erst hierdurch war an unserem Hause eine durchgehende Eigenblutversorgung von 78 % bei elektiver Orthopädie möglich, nachdem in den Jahren zuvor die alleinige normovolämische Hämodilution auch nach Neufestlegung des Transfusionstriggers auf 8 g/d Hb lediglich eine Fremdblutersparnis von 25 - 30 % bewirken konnte. Qualitätskontrollen an zahlreichen eigenen Plasmaprodukten nach unterschiedlicher Lagerungsdauer von wenigen Wochen bis zu 12 Monaten ergaben weit bessere Aktivitäten der Gerinnungsfaktoren als dies bei handelsüblichen Präparaten der Fall ist [2]. Die Qualitätsmerkmale des im Filtrationsverfahren erzeugten autologen fresh frozen Plasmas entsprechen in allen Punkten den von der Grazer Konsensustagung Transfusionsmedizin festgelegten Qualitätskriterien [3] und den Leitlinien der Bundesärztekammer [4].
Autologes fresh frozen Plasma mit seiner Vielzahl von biologisch hochwertigen Hämostasekomponenten ist daher das wertvollste aber auch kostspieligste Volumenersatzmittel für die perioperative Phase [5] [6] [7] [8].
Eine sehr viel kostengünstigere Alternative zum primären intraoperativen Volumenersatz stellen kolloidale Volumenersatzmittel (z. B. vom Typ der Hydroxyäthylstärke) dar.
Wenngleich auch auf Grund aktueller Befunde [8] neuere HAES-Präparationen mit niedrigem Substitutionsgrad und niedrigem Substititionsmuster deutlich höher dosiert werden können (z. B. - 33 ml/kg KG und Tag 2500 ml/75 kg KG und Tag ) bleibt bei der Beurteilung des Einflusses von Koiloiden auf die Gerinnung die Berücksichtigung der dilutionsbedingten relativen Abnahme der plasmatischen gerinnungsaktiven Bestandteile einerseits und einer möglichen direkten Interaktion von Kolloiden mit den Gerinnungsfaktoren bzw. den gerinnungsaktiven Zellen im Sinne eines von Mishler postulierten „fibroplastischen Effekts” mit einer Beschleunigung der Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin und der damit verbundenen leichteren Löslichkeit der Fibringerinnsel durch Plasmin, andererseits bestehen [9].
Thrombozytenaggregationsstörungen, wie sie von den Dextranen her bekannt sind, treten bei der Hydroxyäthylstärke in nicht signifikanter Ausprägung auf.
Auch der diskrete, durch Desmopessin beherrschbare Abfall des Faktors VIII (bzw. des v. Willebrand-Faktors) unter den Einfluß der Kolloide ist ein Hinweis darauf, daß es ein gerinnungsneutrales ideales Kolloid als Volumenersatzmittel (noch) nicht gibt.
Aus diesem Grunde ist bei der ständigen Fortschreibung unseres autologen Transfusionskonzepts die Plasmapherese zwar zu Gunsten der Eigenblutspende (entweder mit nachfolgender Zentrifugation oder seit einiger Zeit zunehmend mit Inline-Depletion) deutlich zurückgegangen (Abb. [1]), sie besitzt aber bei Operationen, bei denen erwartungsgemäß Blutverlustraten über 2500 ml auftreten, ihre feste Indikation.
Literatur
- 1 Kasper S M, Kiencke P, Beiten D. Gegenwärtiger Stand der autologen Bluttranfusion in der Bundesrepublik Deutschland. Anaesthesist. 1985; 44 230-241
- 2 Bingöl T. Untersuchungen zur Qualität und Stabilität von Fresh-frozen-Plasma im Rahmen des Eigenblutkonzepts „Annastift”. Inauguraldissertation Hannover 1992
- 3 Lanzer G, Mayr W R. Therapiekonzepte in der Transfusionsmedizin. Anaesthesist. 1995; 44 143-146
- 4 Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Deutscher Ärzteverlag 1995
- 5 Kreienbühl G. Therpaie mit Blut- und Blutprodukten. Anaesthesist. 1995; 44 725-741
- 6 Dombotz H, Kulier A. Reduktion des Fremdblutverbrauchs in der operativen Medizin. Anaesthesist. 1995; 44 191-218
- 7 Menges T, Rupp D, van Lesen A, Hempelmann G. Fremdblutsparende Maßnahmen. Auswirkungen auf die plasmatische Gerinnung bei totalendoprotetischen Eingriffen. Anaesthesist. 1992; 41 27-33
- 8 Singbartl G, Schleinzer W. Kostenanalyse autologer Transfusionsverfahren - eine Untersuchung bei 5017 Patienten. Anaesthesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther.. 1999; 34 350-358
- 9 Thun Ch. Gerinnung und HAES-Steril. Wissenschaftliche Mitteilungen der Fresenius AG, Bad Homburg Juni 1999
Prof. Dr. med. I. Linde
Zentrale Anästhesieabteilung Annastift e. V.
Heimchenstr. 1 - 7
30625 Hannover (Kleefeld)