Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2000; 35(12): 772-773
DOI: 10.1055/s-2000-8939-6
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Perspektiven der autologen Transfusion aus transfusions-medizinischer Sicht

R.  Eckstein, V.  Weisbach
  • Abteilung für Transfusionsmedizin Universitätsklinikum Erlangen
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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Nach experimentellen Ansätzen im 19. und klinischen im frühen 20. Jahrhundert [1] [2] [3] wurde die autologe Transfusion zunächst wenig genutzt. Nur etwa 5 % der Patienten mit planbaren chirurgischen Eingriffen erhielten Eigenblut. Als in den frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts über die HIV-Infektion das Infektionsrisiko als größtes Risiko der Bluttransfusion überhaupt erkannt wurde, änderte sich die Situation, denn die Zahlen waren katastrophal (Tab. [1]) [4].

Zunächst in den USA und dann auch in Europa ging man mehr und mehr dazu über, wo immer möglich präoperativ Eigenblut zu gewinnen. Um Wildwuchs zu steuern, einigte man sich schließlich Ende der 80er Jahre darauf, daß immer dann, wenn bei planbaren operativen Eingriffen eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 5 % für eine Transfusion bestand, der Patient über das Risiko der homologen Bluttransfusion aufzuklären und rechtzeitig auf die Möglichkeit der Anwendung autologer Therapieverfahren hinzuweisen sei. Letztlich stieg so der Anteil der Patienten, die im Rahmen elektiver Eingriffe mit Eigenblut versorgt wurden, bis zum Jahr 1992 auf nahezu 75 % an [4] [5]. Damit war im Jahr 1992 in den USA 1 von 12 gespendeten Konserven eine Eigenblutkonserve. In absoluten Zahlen waren dies immerhin 1,1 Millionen Konserven.

Da gleichzeitig energisch an der Verbesserung der Sicherheit der Fremdblutkonserven gearbeitet worden war, und durch Einführung neuer Testverfahren das Risiko der Infektionsübertragung deutlich reduziert werden konnte (Tab. [2]) [6], gleichzeitig aber das Risiko der bakteriellen Verkeimung bei Eigenblutkonserven mit 1 : 250 000 - 1 : 500 000 mit 2 - 4 Einheiten auf 1 Million etwas höher anzusehen ist als bei homologen Konserven (1 : 1 000 000), war damit zugleich der Kulminationspunkt der Eigenblutgewinnung erreicht. Bis zum Jahr 1997 verringerte sich die Zahl der pro Jahr gewonnenen autologen Einheiten deutlich auf 600 000.

Ob hier nun ein langfristig durchzuhaltender Standard erreicht ist, der allen Patienten, die mit Eigenblut ohne größeres Risiko versorgt werden können, diese Therapie auch zukommen läßt, oder ob es sich hier um einen lediglich von der Euphorie über die neu gewonnene Sicherheit der homologen Einheiten diktierten Rückgang handelt, der genauso wenig rational ist wie die überschießende Eigenblutproduktion in den späten 80er Jahren, muß offen bleiben.

Während wir nämlich die Risiken der Fremdbluttransfusion sehr genau kennen, ist dies bei den Risiken der Eigenbluttransfusion überhaupt nicht der Fall. Um nicht erneut nach dem uralten Medizinerprinzip „Glaube und persönliche Erfahrung” zu handeln und notwendige Eigenblutgewinnung über die Euphorie über die „Sichere” Fremdblutkonserve zu unterlassen, sind deshalb prospektive, multizentrische Studien zu Risiken und Nebenwirkungen der Eigenbluttransfusion und der Eigenblutspende von größter Wichtigkeit, denn beides ist nur scheinbar standardisiert. In Wahrheit sind wir immer noch auf dem Weg zur rationalen Indikationsstellung, wir haben sie noch nicht erreicht.

So zeigen unsere eigenen Daten, daß die immer noch und früher auch von uns propagierte Eigenblutentnahme bis ins unmittelbare Operationsvorfeld hinein keinesfalls eine optimale Praxis darstellt. Denn der entscheidende Gewinn bei der Eigenblutspende liegt offensichtlich nicht in der Zahl der gewonnenen Konserven, sondern in der Quantität der Regeneration im Knochenmark. Und damit ist der Organismus des Patienten die beste Eigenblutkonserve, die es neben den gewonnenen Konserven zu nutzen gilt. Denn die Netto-Erythrozytenproduktion nimmt klar mit zunehmender Zeitdauer zu (Tab. [3]).

Da es die absolut sichere Fremdblutkonserve nicht gibt, ja gar nicht geben kann, ist die Eigenblutgewinnung bei planbaren Eingriffen mit Transfusionsrisiko eine nicht mehr wegzudenkende Größe moderner Hämotherapie auch der nächsten Jahre. Allerdings sind wir aufgerufen, sie durch exakte wissenschaftliche Untersuchungen zu standardisieren. So ist nicht etwa das Ende der Eigenblutanwendung gekommen, sondern wir sind aufgerufen, sie rational zu begründen, damit sie allen Patienten zugänglich gemacht werden kann, für die sie einen Gewinn an Sicherheit bedeutet.

Literatur

Prof. Dr. med. Reinhold Eckstein

Abteilung für Transfusionsmedizin

Universitätsklinikum Erlangen

Krankenhausstraße 12

91054 Erlangen