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DOI: 10.1055/s-2000-9476
Arthur Schopenhauer - ein philosophischer Partner des Arztes?
Eine Erinnerung an seinen 140. TodestagPublication History
Publication Date:
31 December 2000 (online)

Soll ein Arzt auf einen Philosophen hören? Ist Philosophie nicht ein Spezialfach? Schopenhauer sah sie nicht als eine Angelegenheit für Experten, für ihn behandelte sie Grund- und Lebensfragen, die jeden, nicht zuletzt den Arzt, angehen. Arthur Schopenhauer (22. Februar 1788 - 21. September 1860 ) wurde in Danzig als Sohn eines Großkaufmanns geboren, seine Mutter war die später berühmte Schriftstellerin Johanna Schopenhauer. Nach dem frühen Tod des Vaters brach er eine verhaßte Kaufmannslehre ab und erwarb die Gymnasialreife [10] . 1809-1813 studierte er in Göttingen und Berlin. Neben philosophischen und historischen hörte er auch medizinische Vorlesungen. Zwar habilitierte er sich 1820 in Berlin für Philosophie, las aber nur ein Semester, weil die Studenten nicht zu ihm, sondern zu Hegel (1770-1831) gingen. Schopenhauers Universitätslaufbahn scheiterte. 1831 floh er vor der Cholera, an der Hegel starb, von Berlin nach Frankfurt a. M., dort lebte er als Privatgelehrter und Junggeselle von seinem ererbten Vermögen. Schnellen Schritts sah man ihn bei jedem Wetter mit seinem Pudel durch die Stadt gehen.
Obwohl sein Hauptwerk, der erste Band von »Die Welt als Wille und Vorstellung«, bereits 1819 erschienen war, wurde seine Philosophie Jahrzehnte ignoriert. Als er seinem Verleger Brockhaus den zweiten Band anbot, schrieb er ihm am 7. Mai 1843: »Ich wollte, Sie kennten die wahre Litterärgeschichte: da würden Sie wissen, dass alle ächten Werke, alle die, welche nachher sich einer beständigen Dauer erfreut haben, am Anfange vernachlässigt dalagen« [15]. Schopenhauer war sensibel, leidenschaftlich, schnell empört und oft unduldsam. »Die Natur hat ein übriges gethan, mein Herz zu isolieren, indem sie es mit Argwohn, Reizbarkeit, Heftigkeit und Stolz in einem mit der mens aequa des Philosophen fast unvereinbaren Maaße bedachte« [19]. Früh kam es zum Zerwürfnis mit der Mutter. Johanna Schopenhauer schrieb am 13. Dezember 1807 aus Weimar an ihren Sohn: »Auch Dein Mißmut ist mir drückend und verstimmt meinen heitern Humor... Du bist nur auf Tage bei mir zum Besuch gewesen, und jedesmal gab es heftige Szenen um nichts« [20]. Schopenhauers Philosophie war auch als Mittel gedacht, wilde Affekte zu zähmen. Er lehrte die Macht des Triebes und des blinden Dranges, die er »Willen« nannte. Seine Praxisphilosophie wollte Herr werden über Gier, Verlangen und Unruhe, die zu Leiden führen [9]. »In meinem 17ten Jahre«, erinnerte sich Schopenhauer, »wurde ich vom Jammer des Lebens so ergriffen, wie Buddha in seiner Jugend, als er Krankheit, Alter, Schmerz und Tod erblickte« [18].
Literatur
- 1 Bergdolt K. Leib
und Seele. Eine Kulturgeschichte des gesunden Lebens. Beck, München 1999: 135, 301
Reference Ris Wihthout Link
- 2 Buselmeier M. Literarischer
Führer durch Heidelberg. Wunderhorn, Heidelberg 1996: 97
Reference Ris Wihthout Link
- 3 Freud S. Vorlesungen
zur Einführung in die Psychoanalyse. Ges. Werke.
11. Bd. Fischer, Frankfurt a. M. 1966: 143ff
Reference Ris Wihthout Link
- 4 Freud S. Das
Unbehagen in der Kultur. Ges. Werke, 14. Bd., S. 438,
a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 5 Freud S. Neue
Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Ges. Werke,
15. Bd., S. 110, a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 6 Gontscharow I A. Oblomow. Winkler, München 1976: 230
Reference Ris Wihthout Link
- 7 Hildesheimer W. Marbot. Suhrkamp, Frankfurt
a.M. 1981: 140f
Reference Ris Wihthout Link
- 8 Mann T. Buddenbrooks. Aufbau,
Berlin 1965: 676f
Reference Ris Wihthout Link
- 9 Mann T. Schopenhauer. In:
Essays 1933-1938, hg. v. Kurzke H, Stachorski S Fischer,
Frankfurt a. M. 1995: 253ff
Reference Ris Wihthout Link
- 10 Safranski R. Schopenhauer
und die wilden Jahre der Philosophie. Eine Biographie. Rowohlt,
Reinbeck 1990
Reference Ris Wihthout Link
- 11 Schopenhauer A. Die
Welt als Wille und Vorstellung. 1. Bd. hg. v. Hübscher
A Brockhaus, Wiebaden 1972: 290
Reference Ris Wihthout Link
- 12 Schopenhauer A. Die
Welt als Wille und Vorstellung. 2. Bd. hg. v. Hübscher
A, S. 36, 174, 528ff., 691, a. a. O
Reference Ris Wihthout Link
- 13 Schopenhauer A. Parerga
und Paralipomena, 2. Bd. hg. von A. Hübscher
S. 229, 233, 550, a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 14 Schopenhauer A. Aphorismen
zur Lebensweisheit. Kröner Stuttgart 1974: 3ff, 16f, 151
Reference Ris Wihthout Link
- 15 Schopenhauer A. Gesammelte
Briefe. hg von Hübscher A Bouvier,
Bonn 1978: 99, 475, 479,
672
Reference Ris Wihthout Link
- 16 Schopenhauer A. Der
handschriftliche Nachlaß. hg. von Hübscher
A. 1. Bd DTV, München 1985: 154
Reference Ris Wihthout Link
- 17 Schopenhauer A. Der
handschriftliche Nachlaß. hg. von Hübscher
A. 3. Bd., S. 514, a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 18 Schopenhauer A. Der
handschriftliche Nachlaß. hg. von Hübscher
A. 4/1. Bd., S. 96, 123 und 263, a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 19 Schopenhauer A. Der
handschriftliche Nachlaß. hg. von Hübscher
A. 4/2. Bd., S. 120, a. a. O.
Reference Ris Wihthout Link
- 20 Schopenhauer J. Im
Wechsel der Zeiten, im Gedränge der Welt. Winkler,
München 1986
Reference Ris Wihthout Link
- 21 Schweitzer A. Kultur
und Ethik. Beck, München 1960: 252ff
Reference Ris Wihthout Link
- 22 Tolstoi L. Tagebücher. Winkler,
München 1979
Reference Ris Wihthout Link
Prof. Dr. med. Karlheinz Engelhardt
Jaegerallee 7
D-24159 Kiel