Zusammenfassung
Fragestellung
Unbestritten ist der große Einfluss der Ethnologie auf das Manifestationsrisiko eines
Gestationsdiabetes (GDM). Unter den mitteleuropäischen Ethnien ist dieses sehr ähnlich
und daher zu vernachlässigen. Vor allem bei Frauen aus China, Indien oder aus dem
südostasiatischen Raum ist die Inzidenz von GDM zwar um ein Vielfaches erhöht, jedoch
sind diese Populationen hierorts verhältnismäßig selten anzutreffen und daher von
untergeordneter klinischer Bedeutung. Bereits beschrieben ist auch das gehäufte Vorkommen
von GDM bei Schwangeren aus dem Mittelmeerraum. Da der Mittelmeerraum ethnologisch
eine sehr heterogene Region darstellt, stellten wir die Frage, ob durch die Zuwanderung
von anderen Volksgruppen, im konkreten Fall aus der Türkei und Ex-Jugoslawien, auch
in unserem Patientenkollektiv Risikogruppen auftauchen, die aus der Literatur nicht
explizit als solche bekannt sind.
Material und Methodik
Wir untersuchten 1310 Patienten, die in einem Zeitraum von 12 Monaten (1.1. - 31.
12. 1999) an unserer Abteilung entbunden hatten. 75 % davon nahmen in diesem Zeitraum
an unserem freiwilligen Gestationsdiabetesscreening teil. Das Screening erfolgte nach
den in Österreich am weitesten verbreiteten sogenannten „Grazer Kriterien“. Die Diagnose
GDM wurde nach einem OGTT mit 75 g Glukose und einem 1-h-pp-Wert von > 160 mg% gestellt.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Schwangeren aus Ex-Jugoslawien entsprechen dem hiesigen Kollektiv.
Es stellte sich heraus, dass die Inzidenz eines GDM bei türkischen Patientinnen fast
doppelt so hoch ist wie bei Patientinnen mitteleuropäischen Ursprungs (Mitteleuropa
9,2 %, Ex-Jugoslawien 9,6 %, Türkei 16,3 %). Insgesamt hatten türkische Frauen im
Vergleich zu den anderen Kollektiven einen erhöhten BMI (22,7 vs. 23,1 vs. 24,9) und
eine höhere Parität (> 2 Kinder in der Anamnese: 10,3 % vs. 15,4 % vs. 36,9 %). Das
Alter war in allen Gruppen ähnlich (29,0 vs. 27,1 vs. 27,6 a).
Schlussfolgerung
Türkische Schwangere haben im Gegensatz zu jugoslawischen und mitteleuropäischen Patienten
ein erhöhtes Risiko an Gestationsdiabetes zu erkranken. Vor allem Abteilungen die
kein generelles Screening durchführen, sollten daher türkische Schwangere als Risikopatienten
betrachten und diesen einen oralen Glukosetoleranztest empfehlen. Zur Gewichtung der
einzelnen Risikofaktoren sind größere Patientenzahlen nötig.
Summary
Objective
Ethnic background is an established risk factor for gestational diabetes mellitus
(GDM) and the risk for GDM is increased in various ethnic groups from the Mediterranean
region. The aim of the present study was to evaluate the risk for gestational diabetes
in women from this region, particularly Turkey and the former Yugoslavia.
Methods
All 1310 women delivered at our department in a 1-year period were offered a 75-g
oral glucose tolerance test (oGTT) in the 26th week of pregnancy. A total of 984 (75
%) underwent a test. Gestational diabetes was diagnosed if 1-hour blood glucose levels
exceeded 160 mg/dL. The origin of the 984 women who underwent an oGTT was central
Europe (63 %), the former Yugoslavia (19 %), Turkey (12 %) and other (5.6 %). The
age of the women in the different groups was similar.
Results
The prevalence of GDM was 16.3 % in women from Turkey compared with 9.2 % in women
from Central Europe and 9.6 % in those from the former Yugoslavia. There was no difference
in blood glucose levels at screening or in the need for insulin therapy. Turkish women
had a higher body-mass index (24.9 vs. 22.7 and 23.1) and higher parity (parity >
2 in 37 % vs. 10 % and 15 %).
Conclusion
The risk for gestational diabetes appears increased in women from Turkey but not in
those from the former Yugoslavia. This should be considered in screening policies.