Geburtshilfe Frauenheilkd 2001; 61(3): 142-146
DOI: 10.1055/s-2001-11907
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ethnologie als Risikofaktor für Gestationsdiabetes in Mitteleuropa

Ethnic Background as a Risk Factor for Gestational Diabetes in Central EuropeA. Tammaa1 , G. Teich2 , T. Scholl1 , H. Salzer1
  • 1 Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe
  • 2 5. Medizinische Abteilung im Wilhelminenspital der Gemeinde Wien
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Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung

Unbestritten ist der große Einfluss der Ethnologie auf das Manifestationsrisiko eines Gestationsdiabetes (GDM). Unter den mitteleuropäischen Ethnien ist dieses sehr ähnlich und daher zu vernachlässigen. Vor allem bei Frauen aus China, Indien oder aus dem südostasiatischen Raum ist die Inzidenz von GDM zwar um ein Vielfaches erhöht, jedoch sind diese Populationen hierorts verhältnismäßig selten anzutreffen und daher von untergeordneter klinischer Bedeutung. Bereits beschrieben ist auch das gehäufte Vorkommen von GDM bei Schwangeren aus dem Mittelmeerraum. Da der Mittelmeerraum ethnologisch eine sehr heterogene Region darstellt, stellten wir die Frage, ob durch die Zuwanderung von anderen Volksgruppen, im konkreten Fall aus der Türkei und Ex-Jugoslawien, auch in unserem Patientenkollektiv Risikogruppen auftauchen, die aus der Literatur nicht explizit als solche bekannt sind.

Material und Methodik

Wir untersuchten 1310 Patienten, die in einem Zeitraum von 12 Monaten (1.1. - 31. 12. 1999) an unserer Abteilung entbunden hatten. 75 % davon nahmen in diesem Zeitraum an unserem freiwilligen Gestationsdiabetesscreening teil. Das Screening erfolgte nach den in Österreich am weitesten verbreiteten sogenannten „Grazer Kriterien“. Die Diagnose GDM wurde nach einem OGTT mit 75 g Glukose und einem 1-h-pp-Wert von > 160 mg% gestellt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Schwangeren aus Ex-Jugoslawien entsprechen dem hiesigen Kollektiv. Es stellte sich heraus, dass die Inzidenz eines GDM bei türkischen Patientinnen fast doppelt so hoch ist wie bei Patientinnen mitteleuropäischen Ursprungs (Mitteleuropa 9,2 %, Ex-Jugoslawien 9,6 %, Türkei 16,3 %). Insgesamt hatten türkische Frauen im Vergleich zu den anderen Kollektiven einen erhöhten BMI (22,7 vs. 23,1 vs. 24,9) und eine höhere Parität (> 2 Kinder in der Anamnese: 10,3 % vs. 15,4 % vs. 36,9 %). Das Alter war in allen Gruppen ähnlich (29,0 vs. 27,1 vs. 27,6 a).

Schlussfolgerung

Türkische Schwangere haben im Gegensatz zu jugoslawischen und mitteleuropäischen Patienten ein erhöhtes Risiko an Gestationsdiabetes zu erkranken. Vor allem Abteilungen die kein generelles Screening durchführen, sollten daher türkische Schwangere als Risikopatienten betrachten und diesen einen oralen Glukosetoleranztest empfehlen. Zur Gewichtung der einzelnen Risikofaktoren sind größere Patientenzahlen nötig.

Summary

Objective

Ethnic background is an established risk factor for gestational diabetes mellitus (GDM) and the risk for GDM is increased in various ethnic groups from the Mediterranean region. The aim of the present study was to evaluate the risk for gestational diabetes in women from this region, particularly Turkey and the former Yugoslavia.

Methods

All 1310 women delivered at our department in a 1-year period were offered a 75-g oral glucose tolerance test (oGTT) in the 26th week of pregnancy. A total of 984 (75 %) underwent a test. Gestational diabetes was diagnosed if 1-hour blood glucose levels exceeded 160 mg/dL. The origin of the 984 women who underwent an oGTT was central Europe (63 %), the former Yugoslavia (19 %), Turkey (12 %) and other (5.6 %). The age of the women in the different groups was similar.

Results

The prevalence of GDM was 16.3 % in women from Turkey compared with 9.2 % in women from Central Europe and 9.6 % in those from the former Yugoslavia. There was no difference in blood glucose levels at screening or in the need for insulin therapy. Turkish women had a higher body-mass index (24.9 vs. 22.7 and 23.1) and higher parity (parity > 2 in 37 % vs. 10 % and 15 %).

Conclusion

The risk for gestational diabetes appears increased in women from Turkey but not in those from the former Yugoslavia. This should be considered in screening policies.

Literatur

Dr. Ayman Tammaa

Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im
Wilhelminenspital der Gemeinde Wien

Montleartstraße 36

1171 Wien

Österreich

Email: Ayman.Tammaa@gyn.wilh.magwien.gv.at