Zentralbl Gynakol 2001; 123(2): 111-116
DOI: 10.1055/s-2001-12413
Aus Klinik und Praxis

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Rechtliche Probleme bei einer Sektio auf Wunsch?

Caesarean section on request - legal implicationsKathrin Becker-Schwarze
  • Institut für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen (Leiter: Prof. Dr. D. Hart)
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

17. 7. 2000

30. 8. 2000

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zusammenfassung

Die Anforderungen an die rechtliche Beurteilung der Sektio auf Wunsch ergeben sich aus den allgemeinen Zulässigkeitskriterien für ärztliches Handeln: der Indikationserstellung, der sachgerechten Behandlung (= Qualität) und Einwilligung der Behandlung nach Aufklärung.
Die Indikationsproblematik stellt sich im besonderen bei der strafrechtlichen Dimension. Selbst wenn man die Auffassung teilt, daß eine Sektio auf Wunsch einen Eingriff ohne Indikation darstellt, ergibt sich daraus nicht automatisch die Sittenwidrigkeit i. S. des § 226 a StGB, denn ein solcher Eingriff kann durch die Einwilligung der Frau gerechtfertigt sein. Es stellt sich dann das Problem der umfassenden Aufklärung über die Risiken eines solchen Eingriffs. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, bei der Sektio auf Wunsch die Indikation zu verneinen.
Die Aufklärungsanforderungen im Hinblick auf das Haftungsrecht sind nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Aufklärungsanforderungen an Entbindungsmethoden zu entwickeln. Aus dem allgemein geltenden Grundsatz, daß je größer die Risiken des Eingriffs und je problematischer die zu treffende Entscheidung sind, desto intensiver die Aufklärung sein muß, ergeben sich umfassende Aufklärungspflichten bei der Sektio auf Wunsch. Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung ist die natürliche Geburt die Behandlungsmethode der ersten Wahl. Hier bedarf es aber zukünftig des innerprofessionellen Diskurses und u. U. einer neuen Festlegung des medizinischen Standards durch die medizinische Profession, wenn die Risiko-Nutzen-Abwägung aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse zu neuen Ergebnissen führt.
Hinsichtlich der berufsrechtlichen Aspekte kann der behandelnde Arzt selbstverständlich eine Sektio auf Wunsch ablehnen.

Caesarean section on request - legal implications

Summary

The requirements for a legal assessment of the Caesarean section on request can be deduced from the general criteria for the legitimacy of medical treatment: indication of treatment, adequacy of treatment (= quality) and informed consent.
The problem of indication is of particular relevance under the aspect of criminal law. Even if one takes the view that a Caesarean section on request is an operation without indication this does not automatically amount to unconscionability as defined by sect. 226 a StGB (Criminal Code) since such an operation may be justified by the consent of the woman. This leads to the problem of comprehensive information on the risks of such an operation. Moreover, it appears to be questionable to reject the indication of an Caesarean section on request.
The information requirements with reference to liability law can only be formulated with the background of the general information requirements for methods of delivery. The general principle that the greater the risk of operation and the more difficult the decision to be taken are, the more intensive should be the information provided, results in comprehensive duties of information in the case of the Caesarean section on request. At present, court rulings establish natural birth to be the first choice of treatment. However, if the risk/benefit assessment should lead to new results due to new medical findings in the future, this will require some discourse within the profession and possibly a new establishment of the medical standard.
With regard to the professional aspect, the doctor in charge is entitled to refuse a Caesarean section on request.

MeSH

E4.819.774.457.145 cesarean section

1 1 Vgl. dazu Hart/Francke. Charta der Patientenrechte. 1999; Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 51, Rdnr. 6

2 2 Schlund. gynägol praxis 1999; 23: 230-231

3 3BGH NJW 1978, 1206

4 4 Vgl. dazu Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 62

5 5 Vgl. dazu nur Schönke-Schröder-Eser. StGB, § 223 StGB, Rdnr. 6 ff

6 6 Ulsenheimer, Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 61-65

7 7 Vgl. dazu nur Schönke-Schröder-Eser. StGB, § 223 StGB, Rdnr. 5

8 8 Vgl. Schönke-Schröder-Stree. § 226 a StGB, Rdnr. 6 ff.; vgl. auch Paeffgen. Nomos Komm. Zum Strafgesetzbuch. § 226 a, Rdnr. 18 ff

9 9 Vgl. Schönke-Schröder-Stree. § 226 a StGB, Rdnr. 11

10 10 Ulsenheimer. gynägol praxis 1999; 23: 231-233

11 11 BGH NJW 1981, 351

12 12 So auch Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60, 64

13 13 So werden genannt rein kosmetische Operationen, Organentnahme von Lebenden, Sterilisation, Blutspende, Humanexperiment; Doping, Schwangerschaftsabbruch, vgl. dazu nur Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 61-65 An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, daß im Unterschied zur freiwilligen Sterilisation oder der kosmetischen Chirurgie sowohl der Schwangerschaftsabbruch wie die Organentnahme gesetzlich geregelt sind. Gerade der Schwangerschaftsabbruch nach dem Beratungskonzept legt gesetzlich genau die Verfahrensschritte, die zu einem Abbruch führen, fest. Insofern sind diese Fälle nicht so ohne weiteres auf die hier zu behandelnde Problematik übertragbar.

14 14 Beispielsfälle sind ausschließlich kosmetische Operationen ohne Heilcharakter; Sterilisation und Empfängnisverhütungsmaßnahmen ohne therapeutischen Zweck; Humanexperimente; fremdnützige Eingriffe, die Dritten zugute kommen sollen wie Blutspende und Organspende, vgl. dazu Eser, Rdnr. 50

15 15 Vgl. OLG Stuttgart VersR 1989, 519, 521

16 16 Vgl. Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 49, Rdnr. 3 ff

17 17 Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 51, Rdnr. 8

18 18 BGH v. 6. 12. 1988 AHRS 5 000/30; BGH VersR 1991, 703, 704; OLG Stuttgart VersR 1989, 519

19 19 So Ulsenheimer. Gynäkologe 1998; 799, 800

20 20 BGH VersR 1993, 703, 704

21 21 BGH VersR 1993, 703 ff

22 22 OLG Hamm VersR 1997, 1403

23 23 Vgl. nur Siebert. Die Sectio auf Wunsch - ein Entwicklungsprozeß? gynäkol prax 1999; 23: 201-202

24 24 Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 63

25 25 Vgl. dazu nur Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 128 ff

26 26 Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 63 ff

27 27 Ratzel/Lippert. Kommentar zur Musterberufsordnung. § 7, Rdnr. 6

28 28 Ulsenheimer. gynägol praxis 1999; 23: 231-233

Dr. Kathrin Becker-Schwarze

Institut für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen

Universitätsallee, GW 1

D-28359 Bremen

Telefon: Tel.: 0 421/2 18-37 84

eMail: E-mail: kabecker@uni-bremen.de

    >