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DOI: 10.1055/s-2001-12413
J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG
Rechtliche Probleme bei einer Sektio auf Wunsch?
Caesarean section on request - legal implicationsPublikationsverlauf
17. 7. 2000
30. 8. 2000
Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zusammenfassung
Die Anforderungen an die rechtliche Beurteilung der Sektio auf Wunsch ergeben sich
aus den allgemeinen Zulässigkeitskriterien für ärztliches Handeln: der Indikationserstellung,
der sachgerechten Behandlung (= Qualität) und Einwilligung der Behandlung nach Aufklärung.
Die Indikationsproblematik stellt sich im besonderen bei der strafrechtlichen Dimension.
Selbst wenn man die Auffassung teilt, daß eine Sektio auf Wunsch einen Eingriff ohne
Indikation darstellt, ergibt sich daraus nicht automatisch die Sittenwidrigkeit i.
S. des § 226 a StGB, denn ein solcher Eingriff kann durch die Einwilligung der Frau
gerechtfertigt sein. Es stellt sich dann das Problem der umfassenden Aufklärung über
die Risiken eines solchen Eingriffs. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, bei der
Sektio auf Wunsch die Indikation zu verneinen.
Die Aufklärungsanforderungen im Hinblick auf das Haftungsrecht sind nur vor dem Hintergrund
der allgemeinen Aufklärungsanforderungen an Entbindungsmethoden zu entwickeln. Aus
dem allgemein geltenden Grundsatz, daß je größer die Risiken des Eingriffs und je
problematischer die zu treffende Entscheidung sind, desto intensiver die Aufklärung
sein muß, ergeben sich umfassende Aufklärungspflichten bei der Sektio auf Wunsch.
Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung ist die natürliche Geburt die Behandlungsmethode
der ersten Wahl. Hier bedarf es aber zukünftig des innerprofessionellen Diskurses
und u. U. einer neuen Festlegung des medizinischen Standards durch die medizinische
Profession, wenn die Risiko-Nutzen-Abwägung aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse
zu neuen Ergebnissen führt.
Hinsichtlich der berufsrechtlichen Aspekte kann der behandelnde Arzt selbstverständlich
eine Sektio auf Wunsch ablehnen.
Caesarean section on request - legal implications
Summary
The requirements for a legal assessment of the Caesarean section on request can be
deduced from the general criteria for the legitimacy of medical treatment: indication
of treatment, adequacy of treatment (= quality) and informed consent.
The problem of indication is of particular relevance under the aspect of criminal
law. Even if one takes the view that a Caesarean section on request is an operation
without indication this does not automatically amount to unconscionability as defined
by sect. 226 a StGB (Criminal Code) since such an operation may be justified by the
consent of the woman. This leads to the problem of comprehensive information on the
risks of such an operation. Moreover, it appears to be questionable to reject the
indication of an Caesarean section on request.
The information requirements with reference to liability law can only be formulated
with the background of the general information requirements for methods of delivery.
The general principle that the greater the risk of operation and the more difficult
the decision to be taken are, the more intensive should be the information provided,
results in comprehensive duties of information in the case of the Caesarean section
on request. At present, court rulings establish natural birth to be the first choice
of treatment. However, if the risk/benefit assessment should lead to new results due
to new medical findings in the future, this will require some discourse within the
profession and possibly a new establishment of the medical standard.
With regard to the professional aspect, the doctor in charge is entitled to refuse
a Caesarean section on request.
MeSH
E4.819.774.457.145 cesarean section
Schlüsselwörter
Sektio auf Wunsch - Eingriff ohne medizinische Indikation - Körperverletzung - Sittenwidrigkeit - Haftungsrecht - umfassende Aufklärung - Nutzen-Risiko-Abwägung
Key words
Caesarean section on request - operation without medical indication - bodily injury - unconscionability - liability law - comprehensive information - risk/benefit assessment
1 1 Vgl. dazu Hart/Francke. Charta der Patientenrechte. 1999; Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 51, Rdnr. 6
2 2 Schlund. gynägol praxis 1999; 23: 230-231
4 4 Vgl. dazu Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 62
5 5 Vgl. dazu nur Schönke-Schröder-Eser. StGB, § 223 StGB, Rdnr. 6 ff
6 6 Ulsenheimer, Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 61-65
7 7 Vgl. dazu nur Schönke-Schröder-Eser. StGB, § 223 StGB, Rdnr. 5
8 8 Vgl. Schönke-Schröder-Stree. § 226 a StGB, Rdnr. 6 ff.; vgl. auch Paeffgen. Nomos Komm. Zum Strafgesetzbuch. § 226 a, Rdnr. 18 ff
9 9 Vgl. Schönke-Schröder-Stree. § 226 a StGB, Rdnr. 11
10 10 Ulsenheimer. gynägol praxis 1999; 23: 231-233
12 12 So auch Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60, 64
13 13 So werden genannt rein kosmetische Operationen, Organentnahme von Lebenden, Sterilisation, Blutspende, Humanexperiment; Doping, Schwangerschaftsabbruch, vgl. dazu nur Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 61-65 An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, daß im Unterschied zur freiwilligen Sterilisation oder der kosmetischen Chirurgie sowohl der Schwangerschaftsabbruch wie die Organentnahme gesetzlich geregelt sind. Gerade der Schwangerschaftsabbruch nach dem Beratungskonzept legt gesetzlich genau die Verfahrensschritte, die zu einem Abbruch führen, fest. Insofern sind diese Fälle nicht so ohne weiteres auf die hier zu behandelnde Problematik übertragbar.
14 14 Beispielsfälle sind ausschließlich kosmetische Operationen ohne Heilcharakter; Sterilisation und Empfängnisverhütungsmaßnahmen ohne therapeutischen Zweck; Humanexperimente; fremdnützige Eingriffe, die Dritten zugute kommen sollen wie Blutspende und Organspende, vgl. dazu Eser, Rdnr. 50
15 15 Vgl. OLG Stuttgart VersR 1989, 519, 521
16 16 Vgl. Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 49, Rdnr. 3 ff
17 17 Laufs/Uhlenbruck. Handbuch des Arztrechts. § 51, Rdnr. 8
18 18 BGH v. 6. 12. 1988 AHRS 5 000/30; BGH VersR 1991, 703, 704; OLG Stuttgart VersR 1989, 519
19 19 So Ulsenheimer. Gynäkologe 1998; 799, 800
20 20 BGH VersR 1993, 703, 704
22 22 OLG Hamm VersR 1997, 1403
23 23 Vgl. nur Siebert. Die Sectio auf Wunsch - ein Entwicklungsprozeß? gynäkol prax 1999; 23: 201-202
24 24 Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 63
25 25 Vgl. dazu nur Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 128 ff
26 26 Ulsenheimer. Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation eine Körperverletzung? Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60: 63 ff
27 27 Ratzel/Lippert. Kommentar zur Musterberufsordnung. § 7, Rdnr. 6
28 28 Ulsenheimer. gynägol praxis 1999; 23: 231-233
Dr. Kathrin Becker-Schwarze
Institut für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen
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