Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(16): 479
DOI: 10.1055/s-2001-12888
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stillen des Kindes bei einer Hepatitis-B-Infektion der Mutter

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Eine schwangere Erstgebärende hat sich während der Schwangerschaft eine akute Hepatitis-B-Infektion zugezogen. Es ist geplant, das Kind nach der normalen Geburt sofort aktiv und passiv zu impfen. Sollte die Mutter ihr Kind stillen oder wäre es besser, sofort abzustillen und Flaschennahrung zu geben?

Antwort: In Deutschland sind etwa 0,5 % der deutschen und 5 % der ausländischen Schwangeren HBS-Ag-positiv. Während in den asiatischen Ländern die Infektionen bis zu 80 % schon bis zur Pubertät erfolgt, ist in Deutschland die Hepatitis B vor allem eine Erkrankung der jungen Erwachsenen (15 bis 40 Jahre).

Schwangerschaft und Geburt: Der Verlauf einer akuten Hepatitis B wird durch die Schwangerschft nicht beeinflusst. Ein vermehrter Übergang in eine chronische Verlaufsform wird nicht beobachtet.

Unabhängig davon, ob es sich um eine akute oder eine chronische Verlaufsform einer Hepatitis B handelt, ist die Infektion des Kindes im ersten und zweiten Schwangerschaftstrimenon zwar beschrieben, aber ein seltenes Ereignis. Fehlbildungen treten nicht auf. Im dritten Trimenon steigt die Infektionsrate dann stark an und ist während der Geburt am höchsten. Auch postpartal ist eine fäkal-orale Übertragung oder eine Übertragung durch Stillen möglich.

Das Risiko der postpartalen Infektion ist jedoch gegenüber der intrapartalen als relativ gering einzuschätzen.

Von den infizierten Kindern zeigen die meisten lediglich eine milde Verlaufsform der akuten Hepatitis B. Bis zu 90 % entwickelt sich ein chronischer Trägerstatus mit dem Risiko der Entstehung eines primären Leberzellkarzinoms bzw. einer Leberzirrhose.

Wegen dieser hohen Infektions- und Erkrankungsrate wurde das HBS-Ag-Screening der Mutter im letzten Trimenon in den Mutterschaftsrichtlinien eingeführt.

Neugeborene von HBS-Ag- und HBE-Ag-positiven Müttern müssen sofort nach der Geburt passiv und aktiv geimpft werden, um eine stattgehabte Transmission zu blockieren. Damit lassen sich 95 % aller möglichen Infektionen verhindern [1] [2].

Stillen: Die Infektion des Kindes durch die Muttermilch ist grundsätzlich möglich, aber ein relativ seltenes Ereignis. Sie ist natürlicherweise bei Stillproblemen, besonders wenn die Brustwarzen blutig sind, erhöht. Auch in früherer Zeit, als die aktive und passive Immunisierung noch nicht generell üblich war, wurde vom Stillen wegen der geringen Infektionsgefahr nicht abgeraten.

Aus heutiger Sicht ist das Kind durch die aktiv-passive Immunisierung geschützt, es spricht nichts gegen die Muttermilch-ernährung, auch ein frühes Anlegen im Kreißsaal ist unproblematisch [3] .

Literatur

  • 1 Grospietsch G. Erkrankungen der Leber: Hepatitis B. (3. Auflage) Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart In: Grospietsch G (Hrsg): Erkrankungen in der Schwangerschaft 2000: 273-276
  • 2 Rossol S. Hepatitisinfektionen der Schwangeren. (2. Auflage) Springer, Heildelberg In: Friese K, Kachel W (Hrsg.): Infektionserkrankungen der Schwangeren und des Neugeborenen 1998: 118-135
  • 3 Schneider T, Wirth S. Hepatitisinfektionen des Neugeborenen. 2. Auflage, Springer, Heidelberg In: Friese K, Kachel W (Hrsg): Infektionserkrankungen der Schwangeren und des Neugeborenen 1998: 136-150

Prof. Dr. med. G. Grospietsch

Frauenklinik und Hebammenlehranstalt Städtisches Klinikum

Celler Straße 38

38114 Braunschweig

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