Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(1/2): 45-46
DOI: 10.1055/s-2002-19426
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen lässt sich durch Hämodialyse nicht verhindern

Further Information

Publication History

Publication Date:
12 May 2004 (online)

Die Arbeit von Berger et al. [2] berichtet von einem fehlenden nephroprotektiven Effekt einer postexpositionellen Dialyse nach Gabe von Kontrastmittel (KM) bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (7 Patienten dialysiert, 8 ohne Dialyse). Eine kritische Haltung gegenüber der prophylaktischen Dialyse ist durchaus angebracht, da bisher keine kontrollierten Outcome-orientierten Daten vorliegen, die die Effektivität dieser Methode belegen. Allerdings rechtfertigen die Ergebnisse der o. g. Studie keine endgültige Bewertung i. S. des Titels der Arbeit.

1. Wurde eine Fallzahlplanung durchgeführt? Bei Patienten mit hochgradiger Einschränkung der Nierenfunktion und KM-Mengen wie in der dialysierten Gruppe (durchschnittlich 194 ml) liegt das Risiko einer Kontrastmittel-Nephropathie (KMN; Definition: Kreatinin-Anstieg von ≥ 0,5 mg/dl binnen 48 h), bei 20-50 % [1] [3] [8]. Geht man von 40 % aus und postuliert für die Dialyse eine Risiko-Reduktion auf 25 %, wäre eine Fallzahl von mindestens 330 nötig um mit einer statistischen Power von 80 % einen prophylaktischen Effekt nachzuweisen (2-Gruppen-Chi-Quadrat-Test, α = 5 %; Nquery 4.0 software). Dies zeigt, dass die Fallzahl der o. g. Studie - wie auch von zwei weiteren »kontrollierten« Studien zu diesem Thema (Lehnert: n 15 vs. 15 [7]; Sterner: n = 15 vs. 17 [10]) viel zu klein ist, um die Effektivität der Methode zu beurteilen.

2. Bedingt durch die kleine Fallzahl ist eine z. T. erhebliche Dysbalance der entscheidenden Risikofaktoren Kontrastmittel-Menge (194 vs. 94 ml; 206 %), Ausgangskreatinin (2,9 vs. 2,5 mg/dl; 116%), Prävalenz von Diabetes (4/7 vs 2/8; 229 %) und Cigarroa-Quotient (8,8 vs. 3,3; 267 %) zuungunsten der dialysierten Patienten festzustellen. Der Cigarroa-Quotient gilt als derzeit bester Prädiktor für das Auftreten einer KMN (ml KM × Kreatinin i. S. (mg/dl):kgKG; Risiko einer KMN von 21 %, falls über 5; [3]). Er wurde hier näherungsweise aus den Mittelwerten von Kreatinin i. S., KM-Menge und Gewicht errechnet.

3. Fehlende Verblindung: Die in der Diskussion erwähnte »großzügigere Handhabung« der KM-Gabe durch die Untersucher, denen bekannt war, welche Patienten dialysiert wurden, stellt einen klassischen Bias ungeblindeter Studien dar und kann die unterschiedlichen KM-Mengen in beiden Gruppen keineswegs relativieren.

4. Weitere offene Fragen:

Wie war die Verteilung der Dialyse-Dauer und die Zahl der Notfall-Eingriffe innerhalb der beiden Gruppen? In den Abb. 1-3 ist nicht angegeben, wann die Kreatinin-Bestimmung »vor KM-Gabe« stattfand. Da sich dieser Wert z. T. erheblich vom Wert »KM-Gabe« unterscheidet, liegt er vermutlich mindestens 24 h vor der KM-Gabe. In diesem Fall wäre allerdings nicht verständlich, warum nicht der Wert »KM-Gabe« als Referenzwert für die prozentuale Kreatinin-Veränderung herangezogen wurde. Erfolgte die erste Messung von Serum-Kreatinin und Jod-Konzentration erst 24 h nach Dialyse? Eine Bestimmung unmittelbar nach der Dialyse hätte wichtige Daten zur Effizienz der Dialyse geben können. Ist eine Subgruppen-Analyse bei der kleinen Fallzahl von n = 15 sinnvoll? Bei 3 der 4 Patienten (75 %) ohne Dialyse fand sich ein deutlicher Rückgang des Kreatinins zwischen »vor KM« und »KM«, bei den dialysierten Patienten nur bei einem von 5 (20 %) (Abb. 2). Die Patienten mit einem solchen Rückgang hatten ein deutlich geringeres Risiko eines Anstieges gegenüber dem Ausgangswert »vor KM«. Statistik zum Vergleich der Inzidenzen der KMN: Die Aussage, dass das Auftreten einer KMN (Kreatinin-Anstieg ≥ 0,5 mg/dl innerhalb von 48 h) in der Hämodialyse-Gruppe signifikant höher war, ist nicht nachvollziehbar. Das angewandte statistische Verfahren wurde leider nicht angegeben. Bei den angegebenen Inzidenzen der KMN (3/7 vs. 1/8) ergibt der adäquate Test nach Fisher einen nicht signifikanten Wert von p = 0,282 (SAS 8.0). Effektivität der Jodelimination: Wie in Abb. 3 dargestellt, war die Jodelimination in der Dialyse-Gruppe nicht einmal am ersten Tag nach Dialyse signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Dies spricht entweder für eine schlechte Elimination während der Dialyse (auch hierfür wäre ein Wert direkt nach Dialyse entscheidend gewesen) oder dafür, dass die Nierenfunktion der untersuchten Patienten noch so gut war, dass der überwiegende Teil der Elimination des KM von den Nieren geleistet wurde. Prävention der KMN: Die Autoren empfehlen eine Prophylaxe der KMN ab einem Kreatinin von 1,5 mg/dl bzw. 150 mmol/l ( = 1,7 mg/dl) (Tab. 2). Letztere Grenze erscheint v. a. bei weiteren Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, hoher KM-Menge und nephrotoxischer Begleitmedikation zu hoch. Ein prophylaktischer Benefit für den Einsatz niederosmolarer KM konnte bereits ab einem Kreatinin von 1,35 mg/dl nachgewiesen werden 1. Für die Wirksamkeit einer Theophyllin-Prophylaxe liegen im Vergleich zu allen anderen medikamentösen Prophylaxen die umfangreichsten Daten vor 4-6. Sollten nicht alle Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine KMN diese Prophylaxe erhalten? Wie im Editorial erwähnt sind die bisherigen Daten zur Prophylaxe mit Acetylcystein noch nicht ausreichend. Der prophylaktische Effekt konnte nur bei Gabe kleiner Mengen von KM (75 ml) auf dem weniger nephrotoxischen intravenösen Weg nachgewiesen werden 11. Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht bei Hochrisiko-Patienten alle drei in kontrollierten Studien erfolgreichen Prophylaxen (Hydrierung, Theophyllin, Acetylcystein) eingesetzt werden sollten. Das letzte Wort über die Wirksamkeit der postexpositionellen Dialyse kann erst gesprochen werden, wenn eine sorgfältig geplante Studie mit folgendem Design durchgeführt ist: Randomisiert, kontrolliert, ausreichende Fallzahl (vermutlich 400 Patienten). ausschließlich Patienten mit höchstem Risiko einer KMN (Kreatinin ≥ 3 mg/dl oder Kreatinin-Clearance ≤ 30 ml/min sowie eine KM-Mindestmenge von 150 ml). Verbessertes/längeres Dialyse-Verfahren: In der vorliegenden Studie war der Beginn der Hämodialyse mit 106 ± 25 Minuten nach Dialyse wahrscheinlich zu spät. Um Verzögerungen der Dialyse zu vermeiden, sollten die Dialysezugänge bereits vor der KM-Untersuchung gelegt werden. Um die Elimination des KM zu verbessern, sollte vermutlich auch die Dialyse-Dauer länger sein. Während sich für die angegebene Dialyse-Dauer von 2-3 Stunden Eliminationsraten von 32-60 % ergaben, konnten durch 4- bis 6-stündige Dialysen ca. 80 % des KM eliminiert werden 9.

Literatur

  • 1 Barrett B J, Carlisle E J. Metaanalysis of the Relative Nephrotoxicity of High- and Low-Osmolality lodinated Contrast Media.  Radiology. 1993;  188 171-178
  • 2 Berger E D, Bader B D, Bösker J, Risler T, Erley C M. Kontrastmittelinduziertes Nierenversagen lässt sich durch Hämodialyse nicht verhindern.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 162-166
  • 3 Cigarroa R G, Lange R A, Williams R H, Hillis L D. Dosing of contrast material to prevent contrast nephropathy in patients with renal disease.  Am J Med. 1989;  86 649-652
  • 4 Erley C M, Duda S H, Schlepkow S, Koehler J, Huppert P E, Strohmaier W L, Bohle A, Risler T, Osswald H. Adenosin antagonist theophylline prevents the reduction of glomerular filtration rate after contrast media application.  Kidney Int. 1994;  45 1425-1431
  • 5 Erley C M, Duda S H, Rehfuss D, Scholtes B, Bock C, Müller J, Jurmann M J, Osswald H, Risler T. Prevention of radiocontrast-media-induced nephropathy in patients with pre-existing renal insufficiency by hydration in combination with the adenosine antagonist theophylline.  Nephrol Dial Transplant. 1999;  14 1146-1149
  • 6 Huber W, Jeschke B, Page M, Weiß W, Salmhofer H, Schweigart U, Ilgmann K, Reichenberger J, Neu B, Classen M. Reduced Incidence of Radio-Contrast Induced Nephropathy in ICU Patiens under Theophylline Prophylaxis.  Intensive Care Med. 2001;  27 1200-1209
  • 7 Lehnert T, Keller E, Gondolf K, Schäffner T, Pavenstädt H, Schollmeyer P. Effect of hemodialysis after contrast medium administration in patients with renal insufficiency.  Nephrol Dial Transplant. 1998;  13 358-362
  • 8 Manske C L, Sprafka J M, Strony J T, Wang Y. Contrast nephropathy in azotemic diabetic patients undergoing coronary angiography.  Amer J Med. 1990;  89 615-620
  • 9 Moon S S, Back S E, Kurkus J, Nielsson-Ehle P. Hemodialysis for elimination of the nonionic contrast medium iohexol after angiography in patients with impaired renal function.  Nephron. 1995;  70 430-437
  • 10 Sterner G, Frennby B, Kurkus J, Nyman U. Does post-angiographic hemodialysis reduce the risk of contrast-medium nephropathy?.  Scand J Urol Nephrol. 2000;  34 323-326
  • 11 Tepel M, van der Giet M, Schwarzfeld C, Laufer U, Liermann D, Zidek W. Prevention of Radiographic-Contrast-Agent-Induced Reductions in Renal Function by Acetylcysteine.  N Engl J Med. 2000;  343 180-184

Dr. Wolfgang Huber
Michael Hennig*
Dr. Florian Eckel
Prof. Dr. Dres. h.c. Meinhard Classen

II. Medizinische Klinik, *Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie

Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

Ismaninger Straße 22

81675 München

Phone: 49/89/4140-2265

Fax: 49/89/4140-4809

Email: Wolfgg.Huber@t-online.de

    >