Geburtshilfe Frauenheilkd 2002; 62(9): 833-837
DOI: 10.1055/s-2002-33893
Editorial

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Forschung für die Frau in einer neuen Welt - auch eine Frage der strukturellen Bedingungen

Research for Women in a New World - not at least a Matter of Structured ConditionsH. G. Bender
  • Universitäts-Frauenklinik Düsseldorf
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Publication Date:
06 September 2002 (online)

Für die Bewertung von Forschungskonzepten und Forschungsleistungen gibt es weitgehend akzeptierte Maßstäbe und Organisationen. Die Spanne reicht von Evaluationskommissionen in der Fakultät, Peer-review-Prozessen bei wissenschaftlichen Publikationen über die Bewertungsverfahren von Förderorganisationen wie Deutsche Forschungsgemeinschaft, Deutsche Krebshilfe, Volkswagenstiftung u. a. bis zum Medizinausschuss des Wissenschaftsrates. Die Bewertungen wissenschaftlicher Leistungen beinhalten selten oder nie eine Berücksichtigung der Strukturvoraussetzungen, unter denen Arbeiten durchgeführt wurden oder durchgeführt werden sollen. Dabei kommt einer solchen Hinterfragung eine große und zunehmende Bedeutung zu. Die aus früheren Zeiten bekannte Freiheit für Forschung und die Bereitstellung von Laborkapazitäten wird zunehmend durch Leistungs- und Förderungs-abhängige Vergabe von Laborflächen ersetzt. Damit ist positiv begutachtete Forschung zu einem Existenz bestimmenden Kriterium geworden. Auch für die einzelnen Wissenschaftler ist die begutachtete wissenschaftliche Leistung zu einem Karriere entscheidenden Faktum geworden. Fakultäten berufen nach Impactfaktor und Citation-Index, weil sie selbst in Konkurrenz zu anderen Fakultäten mit der kumulativen Leistungsangabe argumentieren müssen und die Vergabe der flexiblen Komponente der ministeriellen Zuführungsbeträge von diesen Nachweisen abhängig ist. Die zunehmende Anforderung an begutachtete und geförderte Forschungsprojekte, die von Seiten der Fakultäten an Bewerberinnen/Bewerber um akademische Positionen gestellt werden, werden ergänzt um Wunschvorstellungen von Seiten des Vorstandes des Universitätsklinikums, der besonderen Wert auf ein attraktives klinisch-praktisches Profil in der Patientenbetreuung legt und dies mit betriebswirtschaftlichem Know-how kombiniert sehen möchte. In diesem Zusammenhang macht es sich besonders nachteilig bemerkbar, dass es in Deutschland keine klinische Studienkultur gibt. Daraus resultiert, dass wissenschaftliche Profilierung nur über den Weg von Laborarbeiten gelingt. Dabei besteht generell das Risiko, dass die Nachwuchswissenschaftler, die sich aus den genannten Gründen bevorzugt der Labortätigkeit zuwenden, unbewusst oder bewusst ein Defizit in der Sammlung klinischer Erfahrungen riskieren. Insgesamt ergibt sich damit die Konsequenz, dass Fakultäten die in der Forschung am besten ausgewiesenen Kandidaten wählen, diese jedoch dann den klinischen Anforderungen nicht gerecht werden können. Vor diesem extrem breit gewordenen Anforderungsspektrum zwischen Forschung und Patientenbetreuung ist - insbesondere in den operativen Fächern und damit auch der Gynäkologie und Geburtshilfe - das Risiko sehr groß geworden, einem der beiden Qualitätsmaßstäbe nicht zu genügen und insbesondere bei einem befristeten Beschäftigungsverhältnis dessen Beendigung befürchten zu müssen. In diesem Zusammenhang deutet sich ein neues Problem an, dass ein befristet eingestellter Klinikchef sich einer größeren Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsklinikums gegenüber sieht, die zur Erledigung von klinischen Routineaufgaben durchaus in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen sein können. Aus dieser Konstellation können sich Hindernisse für die Umsetzung innovativer Weiterentwicklungs-Konzepte für die Klinikstruktur ergeben, die durchweg von angestellten Klinikleitern erwartet wird. Nicht zuletzt durch Auseinandersetzungen über die Neuorientierung der Klinik können sich Defizite in der klinischen Leistungsfähigkeit und in den Forschungsergebnissen einstellen, die die Verlängerung des befristeten Beschäftigungsvertrags für den Abteilungsleiter nach fünf Jahren gefährden können.

Unberücksichtigt bei der externen Bewertung von klinischer und wissenschaftlicher Leistung bleibt zumeist auch die bauliche Verfassung sowie die personelle und sachliche Ausstattung der in den einzelnen Bundesländern vorgehaltenen Universitätskliniken und Laboratorien. Nicht zeitgemäße Bausubstanz wird als nicht änderbar hingenommen, das Nichteinhalten von Berufungszusagen zur Verbesserung der Situation bleibt unberücksichtigt und Personalratsblockaden für personelle Veränderungen und Neueinstellungen sind bedauerlich, aufgrund der Gesetzeslage aber nicht abzuändern. Es stellt sich die Frage, ob in den angesprochenen Punkten nicht auch eine Bringschuld der Träger besteht, bevor Leistungen abgefragt und kritisch bewertet werden. Bekannt ist der bundesweite Rückstand von Renovationsmaßnahmen in den Universitätsklinika. Unbekannt ist jedoch zumeist der Zusammenhang zwischen dadurch erschwerter Patientenbetreuung und wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit. Bauliche Mängel müssen durch vermehrten persönlichen Einsatz ausgeglichen werden, um Patienten für Universitätsklinika in Kompetition mit anderen leistungsstarken Krankenhäusern der Umgebung zu binden. Diese Mehrinvestition von Zeit geht den wissenschaftlichen Mitarbeitern für ihre Forschungs- und Labortätigkeit verloren.

Vielen Bewertern wissenschaftlicher und klinischer Leistungen ist offenkundig die Verteilung der Zeitkontingente der ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Wahrnehmung ihrer verschiedenen Aufgabengebiete nicht bekannt. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der außerordentlich intensiven Verkürzung der stationären Behandlungsdauer hat sich eine Kondensation von Dokumentationsaufgaben ergeben, die 60 bis 70 % der täglichen Dienstzeit beansprucht. Die Patientenbetreuung im engeren Sinne und die Zeitreserven für Labortätigkeiten reduzieren sich damit auf ein Minimum. Dadurch ist nicht nur proportional eine Verringerung der Leistungskapazität im beschriebenen Ausmaß verbunden; vielmehr stellt die beschriebene Situation eine nicht zu verantwortende Ressourcenvergeudung dar. In anderen Ländern, insbesondere in den USA, werden Dokumentationsaufgaben von Dokumentationsfachkräften möglicherweise kompetenter, auf jeden Fall aber kostengünstiger durchgeführt. Aufgrund der starren Bedingungen in Deutschland gelingen derartige Adaptationsprozesse nicht oder aber nur erheblich verzögert. Alle neu an eine Klinik oder eine Abteilung herangetragenen Anforderungen werden zunächst und auf unbestimmte Zeit auf die Schultern der ärztlichen Mitarbeiter abgeladen, da sie mit ihrem Verantwortungsbewusstsein ja am besten die Bedeutung neuer Programme für ihre Klinik beurteilen können. Dies gilt für Verschlüsselungen von Diagnosen und Morbidität, operative und perinatologische Qualitätssicherungs-Programme, Multimedia-Innovationen und vieles andere mehr. Ärztliche Mitarbeiter haben für alle diese Aufgabenstellungen keine spezielle Ausbildung. Damit missbraucht man nicht nur die finanziell höher angesiedelten Arztdienststunden, sondern nimmt auch die amateurhafte Aufgabenerfüllung von nicht speziell ausgebildeten Mitarbeitern in Kauf. Neben diesen Detailaspekten ist die Zunahme der Bürokratisierung in der Ausübung des Arztberufes zu einem nicht mehr weg zu diskutierenden Grundsatzproblem geworden. Jeder weiß, dass die Vielzahl der für ärztliche Tätigkeit erlassenen Vorschriften und Reglementierungen gar nicht mehr überschaubar sein kann und nur noch eine Absicherungsfunktion für Behörden und Gesellschaft bildet, auf die sich bei Bedarf auch die Rechtsprechung abstützen kann. In dieser Angelegenheit bedarf es dringend einer Befreiungsaktion und der Rückbesinnung auf die Realitäten.

Bei der derzeitigen Diskussion über die Gültigkeit und die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes wird im Rahmen der ohnehin schon wenig differenzierten Argumentation die Auswirkung auf die Forschung gar nicht angesprochen. Dabei erscheinen weder die Patientenbetreuung noch die wissenschaftliche Tätigkeit geeignet, in den Rahmen des öffentlichen Beschäftigungsrechtes eingepasst zu werden. Diese Einsicht ist keineswegs Ausdruck einer Ausbeutermentalität, sondern das Ergebnis von Erfahrungen und logischen Überlegungen, nach denen Wissenschaft und die Grundvoraussetzung Kreativität nur unter günstigen Voraussetzungen und individuell akzeptablen Umgebungsbedingungen und deren flexibler Nutzung erfolgreich gedeihen können. Welche Paradigmen-Verschiebung ergibt sich dadurch, dass man die Erfüllung eines vorgeschriebenen starren Zeitkontingentes zur obersten Maxime erhebt, statt nach den besten Voraussetzungen für eine effiziente Forschung zu fragen? Ebenso problematisch verläuft die Bewertung des Arbeitszeitgesetzes auf die Krankenversorgung. Für Schlussfolgerungen muss mehr berücksichtigt werden als die Zahl der zu berechnenden Arztstellen als Resultante aus der Gesamtzahl der Stunden, die zur Aufgabenerfüllung in einer Abteilung zu gewährleisten sind, dividiert durch 38,5 Stunden. Unberücksichtigt bleibt, welche primären und sekundären Nachteile mit der Durchsetzung von fixen Zeitkontingenten verbunden sind. Durch größere Zahlen von Dienstübergaben steigt das Risiko von Fehlinformationen und Informationsverlusten, die für die Patientin nachteilig und gefährlich werden können. Weiterhin geht das Konzept des Arbeitszeitgesetzes von der einfachen und gleichwertigen Vermehrbarkeit von qualifizierten Ärztinnen und Ärzten aus. Davon kann jedoch gerade bei wissenschaftlich erfolgreichen Mitarbeitern nicht die Rede sein. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass kurz- und mittelfristige Auswirkungen weniger dichter Ausbildung zu bedenken sind. Die Verteilung derselben Patientenprobleme auf eine größere Zahl von Ärztinnen und Ärzten führt zwangsläufig zu einer Ausdünnung der Erfahrung. Dieser Aspekt kombiniert sich mit den Erfahrungsverlusten, die sich gerade durch die häufigere Übergabe von länger zu betreuenden Patientinnen in besonders kritischen Situationen ergeben. Unter diesen befinden sich überproportional viele Frauen mit besonders komplexen Krankheitsbildern, die gerade für die umfassende Einschätzung der Krankheitssituation zu einer wesentlichen Erkenntnisvermehrung verhelfen. Auch aus der Sicht der betroffenen Patientin wäre sicher eine durchgehendere Betreuung in schwierigen Situationen durch eine Ärztin oder einen Arzt zu bevorzugen. Diese vielschichtigen Argumente werden bisher nicht genügend berücksichtigt. Stattdessen beruft man sich lieber auf so genannte wissenschaftliche Arbeiten, nach denen überlange Dienstzeiten mit einer höheren Blutalkohol-Einwirkung vergleichbar sein sollen. Bei einer korrekten Bewertung müsste die Frage lauten: Wo liegt die optimale Schnittstelle für die Patientenbetreuung im Vergleich zwischen weniger ausgeschlafenen aber erfahrenen Ärzten und ausgeschlafenen, weniger erfahrenen Ärzten? Wie könnte die Entlastung der stärker eingespannten Ärzte anders geschehen als durch die starren Regelungen des Arbeitszeitgesetzes? Insbesondere erscheint bedenklich, dass man meint, die Tätigkeit in ein derartiges Konzept einspannen zu können und dessen Einhaltung Priorität gegenüber dem ärztlichen Grundauftrag einräumt. In diesem Zusammenhang sind auch Begriffe wie Job-Sharing und ähnliche nicht nachvollziehbar.

Unter den beschriebenen Voraussetzungen bekommt die häufig und hitzig diskutierte Frage, ob eine einheitlich geführte Frauenklinik günstigere Arbeits- und Entwicklungsbedingungen bietet oder ob es günstiger ist, selbständige Abteilungen innerhalb einer Frauenklinik einzurichten, eine ganz andere, weniger bedeutsame Dimension. Es wird erkennbar, dass diese Frage in einer nicht sachgerechten simplizifierten Form gestellt und diskutiert worden ist. Dies mag auch eine Ursache dafür gewesen sein und heute noch sein, dass in dieser Frage mehr mit Emotionen und Eigeninteressen als mit überzeugenden Sachargumenten debattiert wurde bzw. wird. Eine Kommission des Deutschen Ordinarienkonvents unseres Faches hat kürzlich ein Positionspapier zur Struktur der Universitäts-Frauenklinik erarbeitet, das eine Weiterentwicklung der im Februar 1995 von einer Strukturkommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe formulierten Anforderungen und Perspektiven für das Fach Gynäkologie und Geburtshilfe an deutschen Hochschulen ist. Die Novellierung wurde erforderlich, da auch schon in der Zwischenzeit erhebliche Veränderungen der klinischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Aufgaben in der Hochschulmedizin zu verzeichnen waren.

Nach den Überlegungen der Kommission stellen Universitäts-Frauenkliniken eine Einheit dar, die unter klinischen Aspekten Institutionen der Maximalversorgung sind und als Einzelklinik oder im Department-System strukturiert sein können. Als persönliche Anmerkung möchte ich hinzufügen, dass die enge Verknüpfung der drei Segmente Forschung, Lehre und Krankenversorgung außerordentlich positive und häufig verkannte Auswirkungen hat: Die forschende Lehre und die lehrende Forschung sind mehr als Forschung bzw. Lehre in isolierter Form. Darüber hinaus ist die Anbindung der Forschung an die Krankenversorgung für beide Seiten ein Glücksumstand, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und unter keinen Umständen durch neue Finanzierungssysteme infrage gestellt werden sollte. In dieser Verzahnung sollten die Schwerpunkte

Gynäkologie, gynäkologische Onkologie, Geburtshilfe, Perinatal- und pränatale Medizin und Endokrinologie mit Reproduktionsmedizin

vertreten sein.

Zur Wahrnehmung der Aufgaben in Krankenversorgung, Lehre und Forschung ist eine kritische Größe der Klinik oder der in der Klinik integrierten Abteilung erforderlich. Dieser Aspekt kann nicht genügend betont und beachtet werden.

Die Bettenkapazität wird zukünftig zunehmend an Bedeutung als Bemessungsgrundlage verlieren. Maßgebend wird die stationäre und ambulante Leistungserbringung insbesondere im Hinblick auf die künftigen Erlössysteme sein. In diesem Zusammenhang ist auf eine differenzierte, kostendeckende Vergütung zu achten. Die Gewährung von Institutsermächtigungen ist sowohl unter den Gesichtspunkten von Forschung und Lehre als auch für die Patientinnenversorgung absolut notwendig. Aus diesem Grunde kann auch auf die Behandlung von ambulanten Patientinnen nicht verzichtet werden. Die derzeitige Situation, in der zumindest in Großstädten der Zugang zu Polikliniken durch Regelungen kassenärztlicher Vereinigungen mehr oder weniger komplett abgeriegelt wird, ist eine der am schwierigsten zu verstehenden Fehlentwicklungen in der medizinischen Versorgung. Warum wird nicht wenigstens zugelassen, dass von Fachärzten bzw. Fachärztinnen überwiesene Patientinnen betreut werden können? Unsere ausländischen Kollegen können nicht verstehen, warum keine Nachuntersuchung zur Qualitätssicherung - etwa nach onkologischen Therapien - möglich sein soll, nur weil ökonomische Aspekte des Systems dagegen sprechen.

Das angesprochene Papier führt weiter aus, dass bei der Einrichtung des Department-Systems die Aufgaben der Abteilungsleiter in der Patientenversorgung, der Lehre und der Forschung nach dem jeweiligen Schwerpunkt möglichst genau zu definieren und festzulegen sind. Überschneidungen sind zu vermeiden. Im Interesse einer umfassenden Krankenversorgung ist eine intensive Kooperation zwischen den Abteilungen erforderlich. Die Weiterbildung der Assistenten muss unabhängig von den wissenschaftlichen Schwerpunkten garantiert sein; sie ist durch ein Rotationssystem sicherzustellen. Die Oberärzte und Vertreter der Abteilungsleiter sollten an der Rotation teilnehmen können, aber auch die Gelegenheit zur Spezialisierung in der klinischen Versorgung und Wissenschaft erhalten. Damit wird die Kontinuität des universitären Auftrags unter den Aspekten der Krankenversorgung, Forschung und Lehre aufrecht erhalten.

Zusätzlich können einzelne Funktionsbereiche (Sektionen) gebildet werden, zum Beispiel für Psychosomatik, Immunologie, Infektiologie oder spezielle grundlagenwissenschaftliche Gebiete. Ebenso muss die interdisziplinäre und kooperative Zusammenarbeit innerhalb der Zentren (Perinatalzentrum, Brustzentrum, reproduktionsmedizinisches Zentrum) und zwischen den Universitäten gefördert werden. Zusätzlich wird Ärzten in der Spezialisierung, zum Beispiel in der Pränatalmedizin, gynäkologischen Onkologie und der Reproduktionsmedizin die Gelegenheit gegeben werden, an anderen Universitäten Spezialkenntnisse zu erwerben oder zu komplementieren. Hierzu sollte ein Verbund innerhalb der Universitäts-Frauenkliniken vorgesehen werden. Die Einrichtung klinischer Forschergruppen ist zu unterstützen.

Zu den Leitungs- und Organisationsstrukturen an Universitäts-Frauenkliniken führt das Papier aus, dass diese in Abhängigkeit von der Struktur und der Regelung des Bundeslandes von einem Klinikdirektor bzw. einem geschäftsführenden Direktor geleitet werden.

Der Klinikdirektor soll C 4-Professor sein, er sollte in einem Forschungsschwerpunkt ausgewiesen sein und ein Rotating als Oberarzt während seiner klinischen Ausbildung vorweisen können. Er ist als leitender Arzt und C 4-Professur für Gynäkologie und Geburtshilfe gegenüber den nachgeordneten Mitarbeitern in Krankenversorgung, Lehre und Forschung weisungsbefugt. Nach dem heute geltenden Modell in unserem Fach können die Bereiche Gynäkologie und gynäkologische Onkologie, Geburtshilfe, Perinatal- bzw. Pränatalmedizin sowie Endokrinologie mit Reproduktionsmedizin mit einem Oberarzt mit oder ohne Teilnahme am Rotationsprinzip besetzt sein.

Der geschäftsführende Direktor in einer Frauenklinik mit Department-System soll C 4-Professor sein, und es sollte sichergestellt sein, dass dieser langfristig auf diese Position berufen wird. Der geschäftsführende Direktor leitet im Benehmen mit den anderen Abteilungsleitern die Klinik, seine Befugnisse sollten nicht nur in der Ausführung von Beschlüssen des Kollegiums der Abteilungsleiter bestehen. Zu diesem Aufgabenbereich gehören die Organisation der Krankenversorgung, der Lehre und der Forschung sowie insbesondere die Weiterentwicklung der Klinikstruktur, gemeinsame Anliegen in der Forschung, Maßnahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Lehr- und Ausbildungsplänen, Haushaltsplan, Personalangelegenheiten, insbesondere die Einstellung von Assistenzärzten und anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie die Verwendung der Haushaltsmittel. Untereinander sind die Abteilungsleiter gleichberechtigt an den Entscheidungen der obengenannten Angelegenheiten zu beteiligen, Einzelheiten werden durch eine Geschäftsordnung geregelt. Die Abteilungsleiter sind verpflichtet, den geschäftsführenden Direktor bei der Erfüllung des gemeinsamen Aufgabenbereiches zu unterstützen. Nach einer Aufgabenbeschreibung für einzelne Teilgebiete des Faches endet das Papier mit der Schlussbemerkung, dass die Strukturen der Universitäts-Frauenkliniken künftigen wissenschaftlichen Entwicklungen Platz bieten müssen, insbesondere in der Frage der Leitungsstruktur. Es erscheint notwendig, die Möglichkeiten zur klinischen und Grundlagen-orientierten Forschung zu fördern. Insbesondere ist eine interaktive Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaften und Medizin im Sinne von klinischen Forschergruppen notwendig.

Insgesamt stellen die Weiterbildungsordnung und die Perspektiven der späteren Berufsausübung in Praxis und größerer Klinik mit einheitlicher Struktur eine wichtige Klammer dar und sprechen für die einheitliche Struktur der Ausbildungsklinik. Dafür spricht auch die derzeitige Novellierung der Weiterbildungsordnung.

Nach persönlicher Einschätzung wurde Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Fehler gemacht, amerikanische Department-Strukturen wegen ihrer beobachteten guten Funktionsfähigkeit in den USA unkritisch auf deutsche Kliniken zu übertragen. Der Fehler bestand darin, dass bei dieser Übertragung die Größenordnungen außer Acht gelassen wurden. Was an durchweg sehr viel größer dimensionierten Kliniken in den USA funktionierte, war nicht zuletzt dadurch begründet, dass man etwa angesichts von mehreren tausend Entbindungen nicht die Zeit, das Interesse und die Kraft hatte, sich um andere Teile des Faches zu kümmern. Daraus ergab sich eine Zeit- und Ressourcen-gesteuerte Notwendigkeit der Eingrenzung auf bestimmte Gebiete unseres Faches. Unter diesen Bedingungen entwickelte Struktursysteme sind einfach nicht auf deutsche Universitätsklinika zu übertragen, die vielfach aus städtischen Kliniken hervorgegangen sind und die darüber hinaus in einer sehr viel weniger zentralisierten und spezialisierten Versorgungsstruktur arbeiten. Daher kam es in strukturell unterteilten Kliniken mit deutschen Dimensionsbedingungen zu Übergriffen von dem eigentlichen Spezialgebiet in die Nebengebiete. Das System ist gescheitert, weil Vertreter von Spezialgebieten, die eben über diese Spezialität ihre Eigenständigkeit erreicht hatten, nach ihrer Etablierung auf einer selbständigen Position selbstverständlich Tätigkeiten auf anderen Teilgebieten unseres Faches mit ausüben wollten. Dadurch entwickelten sich mehrere gleichberechtigte Leiter, für deren Zuständigkeiten keine klaren Abgrenzungen bestanden, was notwendigerweise im Konflikt enden musste. Damit wurde das ursprüngliche Postulat der Profilierung durch Spezialisierung konterkariert. Zwangsläufig mussten daraus Reibereien und Paralysen entstehen. Hinzu erkannten die Verwaltungen, dass die Zuordnung von bestimmten Grundausstattungen wie Sekretariat, Laboratorien und anderen Ressourcen bei ungenügender Größe der Gesamtabteilung erhebliche, nicht begründbare Mehrkosten verursacht. Einige kleiner dimensionierte Spezialabteilungen behinderten unbeabsichtigt die Verfolgung ihrer eigenen Interessen dadurch, dass qualifizierte Bewerber flexiblere und erfolgversprechendere Karriereperspektiven in Großkliniken sahen als in kleinen Abteilungen mit zum Teil festgefügter Personalstruktur, die keine Aussicht auf eine rasche Aufstiegsmöglichkeit boten. Nicht zuletzt darin ist einer der Gründe zu sehen, dass die In-vitro-Fertilisation schneller von einheitlich strukturierten Kliniken etabliert werden konnte als von Spezialabteilungen in gynäkologischer Endokrinologie, die sich von der Sache her eher auf diesem Gebiet erfolgreich hätten betätigen müssen.

Der universitären Frauenheilkunde wird häufig und teilweise polemisch vorgehalten, dass sie die gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin nicht genügend gefördert und geradezu die dafür existierenden Abteilungen abgebaut habe. Dabei wird häufig nicht gesehen oder zumindest nicht erwähnt, dass dies eine Folge der Tatsache ist, dass gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin fast ausschließlich ambulant agierende Gebiete geworden sind und aus obengenannten Gründen die Zuständigkeit von Universitätsklinika für ambulante Patientinnen in unserem Gesundheitssystem schlichtweg negiert, und dass deren Betreuung verweigert wird. Groteskerweise beklagen nicht selten gerade diejenigen Vertreter diese Entwicklung, die aus persönlichen Gründen möglichst frühzeitig in eine Praxistätigkeit gewechselt sind, womit sie gleichzeitig unter den beschriebenen Bedingungen der Universität den Zugang zu ambulanten Patientinnen versperrt oder erschwert haben. Aufgrund dieser Tatsachen ist an vielen Frauenkliniken eine tragfähige und finanzierbare eigene Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin nicht vorstellbar, und einheitlich strukturierte Kliniken haben den Vorteil, mit der bereits oben zitierten größeren Flexibilität unter einem Dach die klinischen und wissenschaftlichen Aufgabenwahrnehmungen in der Reproduktionsmedizin und gynäkologischen Endokrinologie durch zusätzliche Mitarbeiter zu alimentieren, die vom Bedarfsprofil einer Abteilung ihr nicht zustehen würden. Dieses wird von außen her selten gesehen. Es ist aber so, dass die Frauenkliniken weniger etwas zur Elimination von Endokrinologie und Reproduktionsmedizin tun, sondern sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um die Fortführung und Weiterentwicklung bemühen. In diesem Zusammenhang muss zudem bedacht werden, dass Universitätsklinikstrukturen nicht frei von den Klinikdirektoren und von der wissenschaftlichen Fachgesellschaft bestimmt werden können. Dieser Eindruck wird gelegentlich auch aus persönlichen Motiven geweckt. Festzuhalten ist, dass die Struktur eines Universitätsklinikums und einer Universitäts-Frauenklinik in die Entscheidungskompetenz einer selbständigen Fakultät in Rückkoppelung mit Universität und zuständigem Landesministerium sowie gegebenenfalls dem Vorstand und Aufsichtsrat des Universitätsklinikums fällt. Die Strukturplanungen der Fakultät und des Universitätsklinikums werden aus den eingangs erwähnten Gründen zunehmend von Gesichtspunkten der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit und finanziellen Überlegungen geprägt. Darüber hinaus muss man sich daran erinnern, dass es Zeiten gab, in denen eine Hochphase der gynäkologischen Endokrinologie oder der Geburtshilfe durch innovative Forschungsansätze und daran gekoppelte hoch bewertete Publikationen günstige Voraussetzungen für eine Lehrstuhlbesetzung boten. Derzeit scheinen die Bedingungen durch die wissenschaftlichen Themen und die Forschung in der Gynäkologie und gynäkologischen Onkologie günstigere Voraussetzungen zu haben. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Gesichtspunkt, dass unter den jetzigen und anzunehmenden zukünftigen finanziellen Bedingungen Erlösüberlegungen günstigere Perspektiven durch einen Vertreter einer operativ-onkologischen Ausrichtung annehmen lassen. In der Fakultät werden darüber hinaus zunehmend Struktur- und Leitungsentscheidungen unter den Gesichtspunkten von thematischer Fokussierung und Schwerpunktbildung gesehen. Auch hier scheint die gynäkologische Onkologie zur Zeit günstigere Anknüpfungspunkte für Vernetzungsmöglichkeiten zu bieten.

Ohne Frage spielt auch bei einheitlicher und unterteilter Repräsentanz unseres Faches die Konstellation der Persönlichkeiten eine wichtige, im Einzelfall für die Funktionsfähigkeit einer Lösung entscheidende Rolle. Solange die Systematik der Struktur nicht eine gewisse Separation und ausreichende Freiräume für die wissenschaftlich-praktische Betätigung bietet, wird nach allen Erfahrungen eine insbesondere die Ebene der Weiterbildung betreffende Störung in dem nach der Weiterbildungsordnung einheitlichen Fach entstehen.

Hiermit kommen wir zu der Rolle der Dimension einer selbständigen Abteilung zurück. Voraussetzungen für eine eigenständige Einheit muss das Volumen an Untersuchungen, Behandlungen, Gebäuden und Leistungskennziffern sein. Für die Betreuung muss eine ausreichend große und qualifizierte Mitarbeiterschaft zur Verfügung stehen. Unter diesen Voraussetzungen müssen überprüfbare Leistungen in Qualität und Quantität in Klinik, Wissenschaft und Lehre bei einer akzeptablen Kosten-Leistungs-Relation nachgewiesen werden. Danach gibt es - wenn überhaupt - nur wenige Kliniken in Deutschland, die von ihrer Größe her eine Untergliederung rechtfertigen würden. Mit einer Konzentration der Versorgung könnten hier andere Einflussgrößen wirksam werden, unter denen für eine Unterteilung des Faches bei entsprechender Größenordnung der Funktionseinheiten günstigere Bedingungen herrschen mögen. Erst wenn dieser Wandel eingetreten ist, kann es eine neue Grundlage für Überlegungen zu einer Strukturänderung geben.

Die derzeitigen Voraussetzungen und die Abschätzung deren Weiterentwicklung bieten für die Hochschulmedizin und für unser Fach keine besonders günstigen Perspektiven. Umso mehr ist die unter diesen Bedingungen nachgewiesene Leistungsfähigkeit hervorzuheben. Zu dem von der Mehrheit der Wissenschaftler in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe gewählten Weg, wissenschaftliche Leistungen für das Fach und für sich selbst zu erbringen, gibt es keine sinnvolle Alternative. Der Öffentlichkeit muss die große Bedeutung der biomedizinischen Forschung für die nächsten Dekaden verdeutlicht werden. Hierin sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eine ihrer vorrangigen Aufgaben, die während ihres Kongresses vom 10. bis 14. September 2002 in Düsseldorf thematisiert werden.

Prof. Dr. med. H. G. Bender

Direktor der Universitäts-Frauenklinik
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

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