Der Nuklearmediziner 2002; 25(3): 149
DOI: 10.1055/s-2002-34135
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialK. Tatsch
  • Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Klinikum der Universität München-Großhadern
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Publication Date:
16 September 2002 (online)

Das Themenheft „Zerebrale Rezeptordiagnostik” wurde in der Absicht konzipiert, den gegenwärtigen Kenntnisstand über die klinische Bedeutung dieser Verfahren zusammenzufassen und darüber hinaus über einige aktuelle Forschungsrichtungen zu informieren. Naturgemäß musste hierbei eine thematische Beschränkung vorgenommen werden. Die Gründe für die getroffene Auswahl - abgehandelt werden die Benzodiazepinrezeptoren, das serotonerge und das dopaminerge System - liegen einerseits in der klinischen Relevanz, die einige dieser Methoden in den vergangenen Jahren gewonnen haben, und andererseits in der Perspektive derjenigen Ansätze, die gegenwärtig noch nicht im, aber an der Schwelle zum klinischen Einsatz stehen.Den Ausführungen zu den einzelnen Verfahren wurde eine Einführung aus Sicht der Radiopharmazie/-chemie über die Entwicklung, radiochemische Synthese und Markierung der hier angesprochenen Liganden für die Bildgebung der Neurotransmission mit SPECT und PET vorangestellt.Der Themenblock über Benzodiazepinrezeptoren ist zweigeteilt. Die Arbeit über den zentralen Benzodiazepinrezeptor (GABA-A-Benzodiazepinrezeptorkomplex) fasst den aktuellen Wissensstand über die Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen dieser Methodik in der Neurologie (Epilepsie, Surrogatmarker für neuronale Degeneration) und Psychiatrie (Angst- und Panikstörungen, Alkoholkrankheit, Schizophrenie) zusammen. Vom klinischen Einsatz weiter entfernt, aber wissenschaftlich um so interessanter ist die Darstellung des peripheren Benzodiazepinrezeptors mit [Ž11¿C]PK11195 und PET. Hiermit lassen sich über die Darstellung aktivierter Mikroglia aktive „neuroinflammatorische” Veränderungen nachweisen. Die potenzielle Bedeutung dieser Methode, die derzeit weltweit nur in wenigen Institutionen erfolgreich etabliert ist, wurde zwischenzeitlich exemplarisch für eine Reihe neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen demonstriert.Ein weiterer Themenkomplex behandelt die bildgebende Diagnostik des zentralen serotonergen Systems. Dieses gilt als eines der globalen modulierenden Neurotransmittersysteme des Gehirns. Erkenntnisse neuerer Studien zeigen, dass insbesondere bei neuropsychiatrischen Krankheiten davon auszugehen ist, dass Veränderungen der zentralen serotonergen Aktivität nicht nur pathophysiologisch maßgebliche, sondern oft vermutlich sogar eine pathogenetisch relevante Rolle spielen. Hierzu gehören einerseits die affektiven Störungen, Angst- und Panikerkrankungen sowie die Zwangsstörungen, andererseits wird in zunehmendem Maße auch bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis eine Beteiligung des serotonergen Systems postuliert.Den breitesten Raum nehmen die Ausführungen zum dopaminergen System ein. Gründe hierfür sind die umfassenden Literaturdaten und die maßgebliche klinische Relevanz der mit diesen Methoden erzielten Untersuchungsergebnisse. Im Detail wird in diesem Themenkomplex auf die diagnostischen und differenzialdiagnostischen Aussagemöglichkeiten bei Parkinson-Syndromen eingegangen, wobei der PET- und SPECT-Bildgebung jeweils mit einem eigenen Beitrag Rechnung getragen wird. Den Arbeiten ist ein Übersichtsartikel eines erfahrenen neurologischen Kollegen vorangestellt, der in verständlicher Form die klinischen Charakteristika der verschiedenen Parkinson-Syndrome beleuchtet und zu den Problemen ihrer differenzialdiagnostischen Einordnung und den Erfordernissen einer validen, möglichst frühzeitigen Diagnosesicherung Stellung nimmt. Ein weiterer, eigener Beitrag widmet sich anderen neurodegenerativen Erkrankungen (Morbus Wilson und Chorea Huntington), bei denen charakteristischerweise ebenfalls das dopaminerge System involviert ist. Eine ausführliche Abhandlung zu der nuklearmedizinischen Rezeptordiagnostik des dopaminergen Systems bei schizophrenen Patienten unter Therapie mit typischen und atypischen Neuroleptika rundet das Spektrum der Ausführungen zum dopaminergen System ab.Die Autoren hoffen, dass es mit der Zusammenstellung aktueller Themen zur zerebralen Rezeptordiagnostik gelungen ist, einerseits umfassend über die kliniknahen und klinisch etablierten Einsatzmöglichkeiten zu informieren und andererseits Interesse für Entwicklungen an der Front der Wissenschaft zu wecken. Mit wachsender Verfügbarkeit kommerziell erhältlicher Liganden treten in zunehmendem Umfang klinisch interessierte Kollegen auch anderer Fachbereiche - insbesondere Neurologen und Psychiater - an den Nuklearmediziner heran, um sich über Durchführung, Stellenwert, Aussagekraft und Limitationen dieser Methoden näher zu informieren. Absicht war, mit diesem Heft auch hierfür eine Informationsgrundlage zu bereiten.

Prof. Dr. med. K. Tatsch

Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin

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