Zentralbl Gynakol 2002; 124(6): 338-341
DOI: 10.1055/s-2002-34748
Zum Gedenken

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Ich war Kaiser geworden.” Walter Stoeckel (1871-1961) zum 40. Todestag

Walter Stoeckel (1871-1961) on the Occasion of his 40th Death Anniversary M. David, A. Ebert
  • Berlin
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Publication Date:
17 October 2002 (online)

„Am 3. Januar 1925 starb Bumm. In den 21 gynäkologischen Königreichen Deutschlands saßen die Ordinarien hellwach auf ihren Thronen und blickten gespannt nach Berlin in die Artilleriestraße, die heute Tucholskystraße heißt, wo das bedeutendste aller Königreiche lag, sagen wir ruhig: das Kaiserreich unter den deutschen Universitätsfrauenkliniken. Der ‚Kaiser’ war tot - wer würde sein Nachfolger? Es sprach sich bald herum, dass sich von den 21 Königen höchstens vier Hoffnungen machen durften, in die engere Wahl zu kommen. Es waren Franz (Berliner Charité), Sellheim (Halle), Schröder (Kiel) und ich.”- so Stoeckel in seiner Autobiografie.

Auf der Berufungsliste der Fakultät stand schließlich an erster Stelle Franz, an zweiter Stelle Stoeckel und an dritter Schröder. Am 20. April 1925 erhielt Stoeckel die Berufung nach Berlin. Seine Gefühle umschreibt er so: „Ich war ‚Kaiser’ geworden.”

Erst 10 Monate später trat Prof. Stoeckel die Stelle an. Bis dahin hatte er zäh um Geld und Stellen gerungen. In seiner Antrittsvorlesung am 4. Mai 1926 in der Universitätsfrauenklinik sagte er: „Das Angebot einer führenden Stellung in der Hauptstadt des Deutschen Reiches gilt mit Recht als besondere Auszeichnung - als Nachfolger eines Bumm erwählt und berufen zu werden, darf als die höchste Ehrung angesehen werden, die einem Gynäkologen zuteil werden kann.” Die langen Verhandlungen mit der preußischen Ministerialbürokratie begründete er mit den folgenden Sätzen, die wohl auch den baulichen Zustand der damaligen ersten Universitätsfrauenklinik Deutschland beschreiben: „Die Größe und der Komfort einer Klinik dürfen in keinem zu krassen Missverhältnis zu den Leistungen stehen, die man unbedingt von ihr fordern muss . . . Klinken werden alt wie die Menschen, und sie altern gewöhnlich noch rascher als ihre Leiter.”

Stoeckel führte die Klinik von 1926 bis 1951 und wohnte noch weitere 10 Jahre dort bis zu seinem Tod.

Einer seiner prominentesten, und, soweit man das sagen kann, wohl auch liebsten Schüler, Felix Mikulicz-Radecki, sagte während der Gedenksitzung unserer Gesellschaft für Stoeckel im Februar 1962: „Am 12. Februar 1961 starb, kurz vor Vollendung seines 90. Lebensjahres, der langjährige Direktor der weltberühmten Universitäts-Frauenklinik Berlin in der ehemaligen Artilleriestraße, Walter Stoeckel, der . . . nicht nur im deutschen Sprachraum als der bedeutendste Repräsentant deutscher Frauenheilkunde anerkannt und verehrt wurde.”

Geboren wurde Walter Stoeckel 1871 in Stobingen bei Insterburg in Ostpreußen, wo er auch zur Schule ging. 1890 legte er das Abitur ab und studierte dann Medizin in Leipzig, München und Jena. 1898 begann er als Assistent an der Bonner Universitätsfrauenklinik, wo er dann Oberarzt - und damit erster gynäkologischer Oberarzt in Deutschland - wurde. Zuvor heiratete er die Tochter seines Chefs.

Er wechselte dann nach Erlangen zu Veit, bei dem er sich mit einer grundlegenden Arbeit über die Zystoskopie im Bereich der Gynäkologie habilitierte. Zystoskopie und Urogynäkologie blieben auch weiterhin seine Spezialgebiete.

Ab Herbst 1904 war er Oberarzt bei Bumm in der Charité-Frauenklinik, der sog. II. Universitätsfrauenklinik. 22 Jahre später kehrte er, wie bereits erwähnt, als Ordinarius nach Berlin zurück, an die I. Universitätsfrauenklinik. Die Übernahme dieser Klinik mit 54 Jahren war für Stoeckel - so kann man es aus vielen seiner Äußerungen ableiten - das Lebensziel schlechthin. Er wurde Direktor der Klinik, nachdem er schon drei andere - kleinere - Universitätsfrauenkliniken mit Erfolg geleitet und sich quasi auch geografisch über Marburg, Kiel und Leipzig immer mehr der Reichshauptstadt genähert hatte.

Wir möchten nachfolgend weniger auf die Lebensgeschichte Walter Stoeckels in allen Einzelheiten chronologisch eingehen, als vielmehr einige unserer Meinung nach interessante Episoden aus seinem „gelebten Leben” vorstellen. Zunächst wollen wir aber versuchen, anhand von Aussagen anderer über Stoeckel und von ihm selbst mosaikartig ein Bild seiner Persönlichkeit zu vermitteln.

Stoeckel selbst schreibt in seiner Autobiografie über Pflichtgefühl und Berufsethos: „Für mich ist die Klinik nicht nur das Haus gewesen, in dem ich wohnte und meinen Dienst versah. Für mich war sie immer das berufliche Höchste, was es gibt . . .” Das Buch beginnt im Übrigen mit dem Satz „Ich bin Ostpreuße”, Was das bedeutet, zeigt dieses Zitat aus einer Rede, die er unmittelbar nach dem Zusammenbruch des III. Reiches 1945 vor dem „Betriebskollektiv der Frauenklinik” hielt: „Wer, wie ich in Ostpreußen geboren ist, braucht nicht zu betonen, dass er im Konflikt der Pflichten den kategorischen Imperativ der Hauptpflicht erkennt und ihm ohne Wenn und Aber folgt.”

Mikulicz-Radecki beschreibt als eine der auffallendsten Eigenschaften Stoeckels sein Organisationstalent. Dabei sei er ein absoluter Autokrat gewesen. Zitat Stoeckel: „Die einzig mögliche Regierungsform in einer Klinik ist die des aufgeklärten Absolutismus.”

Kraatz betont, dass Stoeckel Konzessionen grundsätzlicher oder individueller Art fremd gewesen seien. Obenan stand das Wohl des Kranken. Die scharfe Logik seines Denkens, so Mikulicz-Radecki, erlaubte Stoeckel das kritische Erkennen der Fehler anderer, er hatte aber kein Verständnis für deren Schwächen. Andererseits verlangte er das Sich-Bekennen zu Fehlern - zum Beispiel bei oder nach einer Operation. Dann hatte und zeigte er Nachsicht und alles war vergessen.

Mikulicz-Radecki meint, dass Stoeckel eine sehr ausgeglichene Persönlichkeit gewesen ist, die zwischen den Polen „glückliche Familie” und „Überzeugtheit von Richtigkeit seiner Gedanken” ruhte, während Kraatz in einer Laudatio zum 80. Geburtstag Stoeckels auch von „. . . dem gelegentlich durchbrechenden Temperament des Sanguinikers . . .” sprach.

Warum wurde Stoeckel gerade Frauenarzt? Die Antwort gibt er selbst - durchaus tiefenpsychologisch interpretierbar - in seinen Memoiren. Stoeckels Mutter starb 2 œ Wochen nach seiner Geburt im Wochenbett. Er schreibt dazu: „Gewiss mag es kein Zufall gewesen sein, dass ich gerade diesen Beruf ergriff. Aber nicht Schuldgefühl lenkte ‚unbewusst’ meine Schritte. Vielmehr leitete mich, als ich reif genug war, der bestimmte Wunsch, dazu beitragen zu können, dass einer Frau wie meiner Mutter in dem Augenblick, da höchstes Erleben ihr widerfahren soll, tiefstes Leid erspart bleibe.”

Auch wenn er die Geburtshilfe nicht sehr bevorzugte und kaum - außer später bei Privatpatientinnen - selbst aktiv betrieb, so hat Stoeckel doch sehr gute, heute noch lesenswerte geburtshilfliche Lehrbücher geschrieben. Zu Ausbildungsfragen sagte er bei seiner Antrittsvorlesung 1926 in Berlin: „. . . Dass die Gelegenheit zur Erlernung der praktischen Geburtshilfe vielfach nicht ergriffen wird, liegt weniger an der Indolenz der Studierenden als an der planimetrischen Ausdehnung des Medizinstudiums und an der dadurch herangezüchteten Oberflächlichkeit, mit der dieses Studium betrieben wird, man könnte fast sagen betrieben werden muss . . .”

Stoeckel war ein Pionier des Lehrfilms in Deutschland, was kaum bekannt ist. Sein erster Beitrag zu seinem „Lehrbuch in Filmen”, von dem große Teile heute noch im Filmarchiv der Charité erhalten sind, war 1926 die Dokumentation einer normalen Geburt. Die Uraufführung fand ganz in der Nähe der Charité im Langenbeck-Virchow-Haus statt und sogar Sauerbruch, der sehr skeptisch gegenüber diesem Medium eingestellt war, zeigte sich stark beeindruckt.

Auch von der Operation, die bis heute mit seinem Namen verbunden ist, dem Schauta-Stoeckel, gibt es einen noch erhaltenen s/w-Film. Der erste „Schauta” wurde laut Mikulicz-Radecki 1923 versucht, anhand der Bilder in der Schautaschen Monografie von 1908. Mikulicz-Radecki saß neben Stoeckel, musste ihm die Bilder zeigen und den Text vorlesen. Aber beides war nicht sehr ergiebig, die Bilder z. T. nicht nach der Natur, sondern nur nach der Fantasie gezeichnet. Stoeckel, als Schüler von Fritsch und Bumm ein Meister des vaginalen Operierens, modifizierte nach und nach die Operationstechnik und führte mehrere Neuerungen und Verbesserungen ein, so dass Amreich „. . . von einer Stoeckelschen Methode . . .” der Operation sprach. Stoeckel hat insgesamt rund 7 000 Frauen mit Kollumkarzinom behandelt, die meisten von ihm selbst operiert, mit einer absoluten Dauerheilung von 32 %.

Auch vor der Berliner Gynäkologischen Gesellschaft hat er zum Thema Karzinomoperation gesprochen, seinen letzten Vortrag hielt er 14. März 1958, seinem 87. Geburtstag, seinen ersten am 10. Februar 1905, als 34-jähriger Oberarzt von Bumm. 1929, 1933 bis 1935 und 1947 bis 1953 war er Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, seit 1941 Ehrenvorsitzender. Bei der Abgabe des Vorsitzes am 11. Dezember 1953 rief er die Kollegen in Ost und West zum Zusammenhalt auf, nachdem auf seinen Einfluss hin im Januar 1948 auf einer konstituierenden Sitzung die Berliner Fachgesellschaft unter dem neuen Namen „Wissenschaftliche Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie bei der Universität Berlin” wiederentstanden war. Die Spaltung in eine östliche und eine westliche Gruppe wurde verhindert und die Zusammenkünfte fanden von da an bis 1961 abwechselnd in den Hörsälen in der Tucholsky- und in der Pulsstraße (Berlin-Charlottenburg) statt.

Neben dem Vorsitz der Berliner Gesellschaft von 1933 bis 1935 hatte Stoeckel dieses Amt von 1931 an für einige Jahre auch für die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe inne. Er leitete in dieser Funktion im Oktober 1933 die in Berlin stattfindende 23. Tagung dieser Gesellschaft. Über den Grundtenor seiner Eröffnungsrede ist viel und kontrovers diskutiert worden. Wenngleich sich Stoeckel ansonsten bemühte, im kleineren Kreis und in seiner Klinik kollegialen Anstand gegenüber den ansonsten verfemten jüdischen Fachkollegen wie Robert Meyer zu wahren, so trug er die nationalsozialistische Gleichschaltungsaktion der Verbände und Gesellschaften wie auch die nun geforderte und von ihm in seiner Eröffnungsrede indirekt erwähnte Verdrängung jüdischer Fachkollegen weitgehend widerstandslos mit. Zitat aus seiner Rede am Beginn der Berliner Tagung:

„Wir können ihr Geschick nicht wenden; sie sind die beklagenswerten Opfer einer Härte geworden, die für die Gesundung des deutschen Volkes notwendig geworden war. Ich hoffe und ich erwarte, dass mit dieser Erklärung die Einstellung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie richtig und klar genug wiederzugeben ist, und dass sie genügt, um unsere Verhandlungen bei einer für sie selbst wünschenswerten Zurückhaltung der Betroffenen reibungslos ablaufen zu lassen.”

Stoeckel hatte wie z. B. Sauerbruch eine deutschnational-konservative Einstellung. Er war nie Mitglied der NSDAP, sondern lediglich Fördermitglied einer großen paramilitärischen Vereinigung. Wie halten wir es mit der Gnade der „viel späteren” Geburt? Die Fairness verlangt, diese uns heute sehr befremdenden Äußerungen in den Rahmen der Zeit zu stellen. Es ist zu ihrer Wertung wichtig, die Reaktion einer Gesellschaftsschicht generell zu prüfen, der wegen ihres intellektuellen Zuschnitts eine Meinungsführerschaft zukommen konnte. Historiker sprechen davon, dass es zumindest in den Anfangsjahren des Dritten Reiches die „einverstandenen” und die „bedrohten Eliten” gab. Stoeckel gehörte mit vielen anderen Ärzten zur intellektuellen und geistigen Elite Deutschlands, die sich durch die Nazis täuschen ließ und durch Schweigen zumindest passive Unterstützung gab.

Stoeckel war mit Magda Goebbels gut bekannt und entband in seiner Privatklinik, dem nach einer jüdischen Bankiersgattin benannten Ida-Simon-Bau, alle Goebbels-Kinder. Offenbar hat er die dadurch entstandene Beziehung zur obersten Führungsschicht der Nationalsozialisten auch genutzt, z. B. in der Auseinandersetzung mit dem Staatsrat und späteren Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti und seiner Mutter, der Reichshebammenführerin Nana Conti. Es ging dabei um die einseitige, damals auch aus hygienischen Gründe fragwürdige Propagierung der Hausgeburt in Deutschland durch die Nationalsozialisten.

Ziel war es wohl letztlich, mehr Klinikbetten für die Versorgung von Kriegsverwundeten zur Verfügung zu haben.

Nach einer harten Diskussionsrunde mit Conti telefonierte Stoeckel mit Frau Goebbels, die ihre sechs Kinder alle in der Klinik bekommen hatte, und schilderte ihr die Situation. Bald darauf rief der Reichspropagandaminister den Reichsgesundheitsführer an und ‚stauchte’ ihn zusammen. Schließlich erschienen im Zentralblatt für Gynäkologie 1940 „24 Leitsätze für die Ordnung der Geburtshilfe” mit einer ausgewogenen Würdigung der sog. Anstaltsgeburt. Als Verfasser zeichnete Dr. Conti, aber die Formulierungen waren wohl von Stoeckel.

Auch im Ausland war Stoeckel bekannt und geschätzt. 1937 entband er die bulgarische Königin von ihrem zweiten Kind. Der Blasensprung wurde ihm telefonisch gemeldet und Stoeckel machte sich mit dem Flugzeug auf eine siebenstündige Reise nach Sofia. Am Morgen des 16. Juni entband er mittels Forceps den späteren Zaren und jetzigen bulgarischen Ministerpräsidenten Simeon II. in Gegenwart einer staatlichen Kontrollkommission. Diese bestand aus dem Ministerpräsidenten, einem Jura-Professor und dem Dekan der Medizinischen Fakultät, die nach der Verfassung die Prinzengeburt bezeugen mussten. Neben dem „Zivil-Verdienst-Orden erster Klasse mit Stern” und einer goldenen, mit Brillanten besetzten Zigarettendose wurde Stoeckel noch für einige Tage im Königshaus bewirtet. Auch Ausflüge u. a. auf ein königliches Gestüt wurden auf Wunsch des großen Pferdeliebhabers Stoeckel organisiert.

Die letzten Kriegstage lebte und operierte er in dem auf dem Gelände in der Artilleriestraße bereits Anfang der 40er Jahre entstandenen Operationsbunker. Die Klinik wurde in der „Schlacht um Berlin” zu 60 % zerstört. Nach dem Krieg begann unter Leitung des sichtlich durch die Entbehrungen gezeichneten, inzwischen 74-jährigen Stoeckel der Wiederaufbau.

Obwohl, wie es in einer Diplomarbeit aus der DDR von 1981 heißt, „W. Stoeckel als Vertreter der alten Intelligenz . . . nicht bereit (war), neben seinen medizinischen Fähigkeiten parteipolitisch engagiert am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitzuwirken (und) seinem Verständnis nach . . . die medizinische Wissenschaft losgelöst von den gesellschaftlichen Verhältnissen (existierte) . . .”, spielte Stoeckel auch in der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin weiter eine wichtige Rolle. Er war aufgrund seines Alters und seiner Erfahrungen in den Gremien prädestiniert auch für schwierige Aufgaben. So führte er u. a. das Vermittlungsgespräch mit dem Anatomen Stieve. Dieser hatte mit zwei Vorträgen vor der Berliner Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und durch mehrere Publikationen für Aufsehen gesorgt, in denen er über die „Wirkung der Gefangenschaft und Angst auf den Bau und die Funktion weiblicher Geschlechtsorgane” berichtete.

Ein Medizinstudent hatte 1948 Vorwürfe wegen der Forschungen Stieves erhoben, die an den Ovarien von im III. Reich hingerichteten Insassen der Zuchthäuser Plötzensee und Brandenburg a. d. Havel vorgenommen worden waren. Stieve drohte seine Kündigung an, die Fakultät musste den renommierten Anatomen aber halten, da kein Ersatz für die Lehre und die Institutsleitung vorhanden war.

Ein anderes Beispiel sind die Querelen um die im August 1946 vom Gesundheitsministerium ohne Konsultation der Fakultät eingesetzte erste und einzige Dekanin, die bis dahin weitgehend unbekannte Pathologie-Professorin Fräulein Else Knake. Die schon am Tage der Amtsübernahme beginnenden, die Fakultät lähmenden Kontroversen mussten überwunden werden. Auf Vorschlag Stoeckels wurde Knake schließlich nach zweimonatiger Amtszeit am 18. 10. 1946 zur stellvertretenden kommissarischen Dekanin gewählt, als neuen Dekan schlug er Heubner vor. Dies wurde von der Fakultät einstimmig angenommen.

Am 1. August 1950 wurde Stoeckel emeritiert, nachdem er 1938, 1941 und auch in der Nachkriegszeit jeweils um eine Verlängerung seiner Amtszeit gebeten wurde.

Er wohnte weiter in einer 3-Zimmer-Wohnung in der dritten Etage des Ida-Simon-Bau auf dem Klinikgelände, schrieb seine ca. 30-bändigen Memoiren und wurde umsorgt von seiner Köchin, seiner langjährigen Sekretärin, seinem Fahrer und seiner leitenden OP-Schwester, die ihn auch in seinen letzten Lebenswochen pflegte.

Zu seinem 80. und zum 85. Geburtstag erhielt er Glückwünsche aus Ost und West, sowohl von Adenauer als auch von Pieck. An seinem 85. Geburtstag veranstalteten die Studenten einen Fackelzug zu seinen Ehren und es gab eine große offizielle Veranstaltung im Hörsaal in der Tucholskystraße. Schon einige Jahre vorher war ihm Hof der Klinik eine Bronzebüste von Stoeckel aufgestellt worden, die er von seinem Balkon in der dritten Etage des Ida-Simon-Hauses aus sehen konnte.

Im Januar 1961 begann seine Lebenskraft zu erlöschen. . .

Über den Jahreswechsel 1961 schreibt Stoeckel: „Die Weihnachtstage verliefen still und friedlich. Silvester - am Nachmit-

tag hatten wir eine gemütliche Kaffeestunde mit Lotte, Irma und Margarete. Beim letzten Lichterglanz las ich meinen Gästen ein Gedicht von Hermann Hesse vor. Es war sehr harmonisch. Ich ging dann bald ins Bett und schlief ohne Träume ins neue Jahr hinein. Was wird das Jahr 1961 bringen?”

(Literatur beim Verfasser)

OA PD Dr. med. M. David

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Campus Virchow-Klinikum

Universitätsklinikum der Humboldt-Universität zu Berlin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

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