Ultraschall Med 2002; 23(6): 365-366
DOI: 10.1055/s-2002-36176
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

One-stop-shopping bei Pulmonalarterienembolie?

One Stop Shopping in Pulmonary Embolism?N.  Gritzmann 1
  • 1Radiologie und Nuklearmedizin, KH Barmherzige Brüder, Kajetanerplatz 1, 5020 Salzburg, Österreich
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Publication Date:
03 January 2003 (online)

Als Krankenhausradiologe wird man nahezu täglich mit der Fragestellung nach einer Lungenembolie konfrontiert. Es ist daher legitim, die Arbeit von P. Lechleitner et al.: Chest Sonography in the Diagnosis of Pulmonary Embolism [1] aus der Sicht eines Radiologen zu kommentieren. Die innovative Originalarbeit zu einem klinisch wichtigen Thema beinhaltet durchaus provokante Elemente, bedarf aber einer sachlich kritischen Bewertung. Das Dilemma in der Diagnostik der Lungenembolie ist vielfältig. Die Klinik ist ein ausgesprochenes Chamäleon. Zudem existiert kein nichtinvasiver bildgebender Goldstandard in der Diagnostik. Die Pulmonalisangiographie ist ein „im klinischen Alltag” nur selten praktiziertes Referenzverfahren. Die optimale Verifizierung einer Pulmonalembolie bzw. auch ihrer klinischen Bedeutung ist wahrscheinlich nur durch „out come”-Studien zu belegen. Diese werden bei bildgebenden Verfahren sicherlich zu selten - wahrscheinlich aufgrund des hohen Aufwands und der langen Studiendauer - durchgeführt.

Laborchemisch wird der D-Dimertest vorwiegend zum Ausschluss eines akuten thromboembolischen Geschehens eingesetzt. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Sensitivität des Tests 100% nicht erreicht. Die Spezifität der Methode ist daher für eine Therapieentscheidung unzureichend.

Die kombinierte Ventilations/Perfusionsszintigraphie der Lunge (V/P scan) ist die etablierteste Methode zur Diagnostik einer Pulmonalembolie. Weitgehend akzeptiert ist, dass bei unauffälliger Perfusionsszintigraphie eine bedeutsame akute Lungenembolie ausreichend sicher ausgeschlossen ist. Häufig ist das Untersuchungsergebnis ein „intermediate probability scan”, dieser erfordert ein weiteres Verfahren zur Diagnostik der Lungenembolie. Zudem ist die Szintigraphie in den Krankenhäusern unzureichend verfügbar. Nur ca. 20% der österreichischen Spitäler haben diese Möglichkeit, zudem wird sie häufig nur in der regulären Dienstzeit angeboten.

In den letzten Jahren wurde die Spiralcomputertomographie in der Diagnostik der Lungenembolie ausreichend evaluiert. Zentrale und segmentale Pulmonalarterienembolien sind treffsicher direkt darzustellen, weiter sind einige Differenzialdiagnosen des Thoraxschmerzes erkennbar. Auch können die Ursachen für eine inhomogene szintigraphische Perfusion nachgewiesen werden, z. B. lokalisiertes Emphysem. Kleine, periphere Lungenembolien sind mittels Spiral-CT nur unsicher erfassbar, deren klinische Bedeutung wird unterschiedlich bewertet. Bei einer Lungenstauung sinkt die Treffsicherheit von CT und Szintigraphie. Die Einführung der Multislice-CT wird die Treffsicherheit im subsegmentalen Bereich erhöhen. Durch die anschließende Darstellung des venösen Systems könnte mittels CT ein sogenanntes „one-stop-shopping” erreicht werden. Dazu gibt es erfolgreiche Verlaufsstudien bei klinisch suspekter Lungenembolie, die bei negativem Spiral-CT und negativer Beinvenensonographie keine Therapie durchführten. Dies spricht eher für die geringere Bedeutung der wahrscheinlich übersehenen kleinen, peripheren Embolien.

Die rezente Originalarbeit von P. Lechleitner et al. [1] hat einen anderen Ansatz. Es wird die indirekte Darstellung der Pulmonalembolie mittels eines keilförmigen oder rundlichen nachgeschalteten schalldurchlässigen Herdes in der Lunge mittels Ultraschall untersucht und im Vergleich zur MRA der Lungenarterien und der Ventilations-Perfusions-Szintigraphie der Lungen evaluiert. Die Autoren setzen wie auch andere Arbeitsgruppen voraus [2] [3] [4] [5], dass es bei einer Lungenembolie zum Zusammenbruch des „surfactant factors” mit nachgeschalteter (keilförmiger) Einblutung, Infiltration bzw. Ödem kommt. Vielleicht stimmt die von den Autoren angenommene pathophysiologische Erklärung gar nicht, da sie ja von der Darstellung des Pulmonalinfarkts ausgeht. Die Inzidenz des Pulmonalinfarkts wird bei Lungenembolie von den Pathologen mit 50 - 60% angegeben. Zumeist besteht beim Pulmonalinfarkt eine zusätzliche Beeinträchtigung der Bronchialgefäßzirkulation, z. B. kardiale Stauung oder Pneumonie. Angenommen, die (peripheren) Lungeninfarkte bei Lungenembolie sind wirklich so häufig wie in der Studie vermutet, warum können wir diese in einer Spiral-CT nicht darstellen? Die Spiralcomputertomographie ist durchaus in der Lage, keilförmige periphere Infiltrationen oder auch Atelektasen treffsicher nachzuweisen, weil ein großer flüssigkeitsbedingter Kontrast zur lufthaltigen Lunge exzellent erfasst wird [6]. Weiter ermöglicht die Spiral-CT eine sichere Darstellung des gesamten untersuchten Lungenvolumens. Seit den ersten Publikationen über die nachgeschaltete keilförmige Pulmonalinfarktdarstellung im Ultraschall analysiere ich unsere Spiral-CTs bei Verdacht auf pulmonale Embolie auf dieses periphere Infiltrationszeichen. Dieses ist in der CT auch bei direkter Darstellung eines eindeutigen, komplett okkludierenden Pulmonalarterienembolus nicht regelmäßig zu sehen. Die geschätzte Häufigkeit einer peripheren Konsolidierung bzw. eines Infiltrats bei direkter Darstellung des Thrombus in der Pulmonalarterie in der CT entspricht durchaus der herkömmlich erwarteten Lungeninfarktinzidenz. Wie erklärt sich diese hohe Anzahl an dargestellten Lungeninfarkten, zumal mit der Sonographie ja gar nicht die gesamte Lungenoberfläche eingesehen werden kann?

Die Kernspinangiographie (MRA) der Pulmonalarterien ist zwar eine vielversprechende Methode in der Diagnostik der Lungenarterienembolie, derzeit aber als Referenzmethode selbst noch zu wenig wissenschaftlich evaluiert und daher noch nicht allgemein akzeptiert [7]. Wahrscheinlich werden auch mit diesem Verfahren kleine Embolien übersehen. Die Inzidenz der Lungenarterienembolien könnte somit in der Studie höher gewesen sein und die Sensivität der Sonographie dürfte möglicherweise niederer sein. Zudem ist unklar, ob die sonographisch dargestellten Keile mit der Embolielokalisation in der MRA korrelierten. Positiv ist festzustellen, dass es in der Literatur bis jetzt keinen Vergleich von Lungenultraschall und MRA der Pulmonalarterien gibt.

Das Bestechende an der Sonographie ist sicherlich die nahezu ubiquitäre Verfügbarkeit im stationären Bereich. Nicht jeder Patient kann zum Großgerät gebracht werden. Zudem müssen in der CT bzw. im MR Kontrastmittel bei der Frage nach einer Lungenembolie appliziert werden, in der MRT und teilweise in der CT gibt es Kontraindikationen. Gelegentlich wird die Untersuchung infolge Klaustrophobie verweigert. Mittels Ultraschall könnten in einem Untersuchungsvorgang die Rechtsherzbelastung, Beinventhrombosen und auch die peripheren Pulmonalinfarkte dargestellt werden, soweit die Lungenoberfläche eingesehen werden kann. Wie treffsicher die Lungenembolie mittels pulmonalem Ultraschall darstellbar ist, bleibt für mich zum Teil weiterhin offen. Problematisch für die Sonographie ist sicherlich - wie schon in der Arbeit diskutiert - dass zentrale, somit häufig großvolumige PE, dem Lungenschall entgehen. Gerade diese zentralen Embolien haben immer eine prognostische Relevanz. Hämodynamische Veränderungen können nur mittels Echokardiographie erkannt werden.

Abschließend möchte ich feststellen, dass die Bildgebung bei Lungenarterienembolie sicherlich äußerst kontrovers diskutiert wird und apodiktische Meinungen aufgrund des allgemein fehlenden diagnostischen Goldstandards nicht angezeigt sind. Im Sinne der Patienten ist zu hoffen, dass für die schwierige Diagnose der Lungenembolie ein treffsicheres, flächendeckend verfügbares, nicht invasives, Verfahren zur Verfügung steht. Optimal wäre natürlich ein „one-stop-shopping”. Ob dies die Lungensonographie kombiniert mit Beinvenenfarbdoppler und Echokardiographie sein werden, möchte ich aber eher bezweifeln.

Wie immer ist das Bessere des Guten Feind.

Literatur

  • 1 Lechleitner P, Riedl B, Raneburger W et al. Chest Ultrasound in the Diagnosis of Pulmonary Embolism: A Comparison with MRT Angiography and Ventilationperfusion Scintigraphy.  Ultraschall in Med. 2002;  23 359-360
  • 2 Mathis G, Dirschmid K. Pulmonary Infarction: Sonographic Appearance with Pathologic Correlation.  Eur Journ Rad. 1993;  17 170-174
  • 3 Mathis G, Bitschnau K, Gehmacher O et al. Chest Ultrasound in Diagnosis of Pulmonary Embolism in Comparison to Helical CT.  Ultraschall in Med. 1999;  20 54-59
  • 4 Lechleitner  P, Raneburger W, Gamper G et al. Lung Sonographic Findings in Patients with Suspected Pulmonary Embolism.  Ultraschall in Med. 1998;  19 78-82
  • 5 Kroschel U, Seitz K, Reup J et al. Sonographische Darstellung von Lungenembolien: Ergebnisse einer prospektiven Studie.  Ultraschall in Med. 1991;  12 263-268
  • 6 Herold C J. Spiral computed tomography of pulmonary embolism.  Eur Respir J Suppl. 2002;  35 13-21 und 183-192
  • 7 Hatabu H et al. CT and MR in pulmonary embolism: a changing role for nuclear medicine in diagnostic strategy.  Sem Nucl Med. 2002;  32 183-192

Prim. Univ. Prof. Dr. N. Gritzmann

Radiologie und Nuklearmedizin · KH Barmherzige Brüder · Kajetanerplatz 1

5020 Salzburg · Österreich

Email: norbert.gritzmann@bbsalz.at

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