Pneumologie 2003; 57(3): 178-179
DOI: 10.1055/s-2003-37740
Nachruf
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nachruf Prof. Dr. Hans-Jürgen Brandt

In Memoriam Professor Dr. Hans-Jürgen BrandtR.  Loddenkemper
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Publication Date:
10 March 2003 (online)

Nach langer, mit großer Geduld ertragener Krankheit verstarb am 13. Januar 2003 Prof. Dr. Hans-Jürgen Brandt im Alter von 84 Jahren. Die Pneumologen Berlins und Deutschlands trauern um einen herausragenden Arzt, Lehrer und klinischen Forscher, der einer der Pioniere der Entwicklung von der Phthisiologie zur modernen Pneumologie war.

Hans-Jürgen Brandt wurde am 7. Oktober 1918 in Hamburg geboren und lebte seit 1924 in Berlin. Nach dem Studium der Medizin, welches er 1937 begann, machte er erste medizinische Erfahrungen im Sanitätsdienst während des Zweiten Weltkriegs. Er begann dann als wissenschaftlicher Assistent in der II. Medizinischen Klinik der Charité, wo er gastroskopieren und laparoskopieren lernte.

1949 wechselte er in die kurz zuvor (1947) gegründete Landestuberkuloseklinik Heckeshorn. Und was primär nur vorübergehend zum Erlernen der Bronchoskopie und der Thorakoskopie geplant war, stellte sich dann als dauerhafte, glückliche und erfolgreiche Tätigkeit in Heckeshorn heraus.

Charakteristisch für seine Pionierleistung ist die Einführung der Thorakoskopie, die zuvor in der Kollapstherapie der Tuberkulose Anwendung fand, als ein diagnostisches Verfahren, welches er bei einem großem Spektrum von pleuro-pulmonalen Erkrankungen nutzte. 1983 fasste er als Erstautor die jahrzehntelangen Heckeshorner Erfahrungen im „Atlas der diagnostischen Thorakoskopie” zusammen, der 1984 auch ins Englische übersetzt worden ist und mit dem er sich auch international einen Namen machte.

Bei Hans-Jürgen Brandt verbanden sich glücklich klinisches Wissen mit manuellem Geschick und technischem Interesse. Er entwickelte neue Instrumente für die Bronchoskopie in Allgemeinnarkose und für die diagnostische Thorakoskopie. Er erkannte frühzeitig den Wert der zytologischen Untersuchung und führte sie in die klinische Routine ein. Bereits 1955 beschrieb er die auch heute noch aktuellen Biopsietechniken der transbronchialen und perthorakalen Nadelaspirationen in H. Grunzes grundlegendem Buch „Klinische Zytologie bei Thoraxkrankheiten”. 1958 berichtete er über die intrabronchiale Radiotherapie mit Kobaltperlen bei Patienten mit Bronchialkarzinom und führte noch 1983, unmittelbar vor seiner Pensionierung, als Erster die kombinierte endobronchiale Behandlung mittels Laserkoagulation und Hochdosis-Iridium-192-Brachytherapie durch.

Neben der Endoskopie war er auch hoch interessiert an der Lungenfunktion. Er brachte dabei die von Knipping eingeführten Verfahren der Spiroergometrie und der regionalen Szintigraphie zusammen und wandte sie schon früh in der präoperativen Beurteilung von Patienten mit Lungenkarzinom an. So war er auch einer der Ersten, die so die postoperativ zu erwartende maximale Sauerstoffaufnahme vorhersagen konnten. 1972 habilitierte er mit dem Vortrag „Die EDV - gesteuerte Auswertung von Lungenfunktionsuntersuchungen” und wurde wenig später zum apl. Professor an der Freien Universität Berlin ernannt. Hans-Jürgen Brandt war 1976 auch einer der Ersten in Deutschland, die eine pneumologische Intensivstation einrichteten. Hier entwickelte er schon früh eine computerisierte Überwachung.

1964 gehört er zu den Initiatoren des Department-Systems in der Lungenklinik Heckeshorn, und zusammen mit Karl Ludwig Radenbach, Karl Bartmann, Günter Freise, Jutta Mai, Hans-Siegfried Otto und anderen schuf er so die Voraussetzung, Heckeshorn zu einem über die Grenzen Berlins bekannten Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie auszubauen. Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland holten sich hier Anregungen. 1976 konnte er sein „Diagnostikum” einweihen, dessen Planung seine ganze Liebe als einer, der früher Architekt werden wollte, galt.

Hans-Jürgen Brandt war ein universal ausgebildeter Arzt, er war Internist, Pneumologe und Anästhesist und hatte dazu großes chirurgisches Talent. Er war offen und begeisterungsfähig für alle neuen technischen Verfahren, vergaß dabei aber nicht das klinische Denken.

Er gab dies zahlreichen angehenden Fachärzten, aber auch vielen Studenten der Medizin weiter. Auf wissenschaftlichen Veranstaltungen zeigte er sich äußerst temperamentvoll in der Diskussion. Er engagierte sich in der Fort- und Weiterbildung und erhielt 1977 die Ernst-von-Bergmann-Plakette. Über viele Jahre war Hans-Jürgen Brandt Delegierter beim Deutschen Ärztetag und Vorsitzender des Weiterbildungsausschusses der Berliner Ärztekammer. Später stellte er seine große Erfahrung als Vorsitzender sowohl des Widerspruchsausschusses in der Weiterbildung als auch als Mitglied in der Ethikkommission noch lange nach seiner Pensionierung zur Verfügung. Erst 1998 zog er sich aus diesen Tätigkeiten zurück und verabschiedete sich mit einem Interview im Berliner Ärzteblatt mit dem Titel „Wir brauchen weniger und dafür bessere Spezialisten!”, eine gerade heute sehr aktuelle politische Forderung. Er unterstützte auch die Rückkehr des Gebietes Pneumologie in die Innere Medizin, gerade weil er unserem Fach mehr Anerkennung verschaffen wollte. Auch war er von Anfang an bei den Gründungen der Europäischen Gesellschaft unseres Fachgebietes aktiv dabei.

Hans-Jürgen Brandt war Ehrenmitglied der Berliner Gesellschaft der „Freunde der hebräischen Universität Jerusalem”. 1987 wurde ihm das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er war Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie sowie des Landesverbandes Berlin und Brandenburg der Pneumologen und fand internationale Ehrungen durch eine „Honorary Lecture” beim Weltkongress der Bronchologie in München 1994 und durch den „Congress Chairman Award” der European Respiratory Society in Berlin 1997.

Die deutsche Pneumologie verliert in ihm eine große Persönlichkeit und ich selber nicht nur einen wertvollen Lehrer und Berater, sondern auch einen liebenswerten Freund.

Zu seinen Ehren findet am Sonnabend, dem 12. April 2003, eine Gedenkfeier mit anschließendem wissenschaftlichen Symposium in der Lungenklinik Heckeshorn statt.

Prof. Dr. R. Loddenkemper

Lungenklinik Heckeshorn

Zum Heckeshorn 33

14109 Berlin

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