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DOI: 10.1055/s-2003-39356
Mikroalbuminurie Routine-Screening bei Typ-2-Diabetes mellitus - Contra
Routine screening for microalbuminemia in type 2 diabetes mellitus: contraPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
22. Mai 2003 (online)

Ein Screening-Test ist klar von diagnostischen Maßnahmen zu trennen. Screening wird immer bei Menschen ohne die gesuchte Erkrankung durchgeführt. Durch geeignete Suchstrategien soll eine sichere Diagnose und frühere Therapie erzielt werden, was bessere Behandlungsergebnisse als das spätere Einleiten einer Therapie ergeben sollte. Screening ohne belegten Nutzen hat häufig negative Auswirkungen[1] [2]. 1998 wurde daher in London ein Nationales Screening Komitee ins Leben gerufen [3], das folgende Forderungen für eine sinnvolle Screeningmaßnahme aufstellt:
Bei der gesuchten Erkrankung muss es sich um ein wichtiges Gesundheitsproblem handeln und kosteneffektive Primärpräventionsmaßnahmen müssen bereits implementiert sein. Der Test sollte einfach sein und die gesuchte Erkrankung sicher erkennen können (hohe Sensitivität und Spezifität). Für die Behandlung der gesuchten Erkrankung sollten Beweise vorliegen, dass eine frühere therapeutische Intervention die Behandlungsergebnisse verbessert. Für das Screeningprogramm sollten prospektive randomisierte Studien vorliegen, die belegen, dass es die Morbidität und/oder Mortalität an der gesuchten Erkrankung effektiv reduziert. Der Nutzen des Screeningprogrammes sollte den psychologischen und physischen Schaden, der durch das Screening entsteht, überwiegen. Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Durchführung des Screeningprogrammes müssen vorhanden sein.
EIne Mikroalbuminurie haben etwa 17 % der Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus. Patienten mit Hypertonie ohne Diabetes mellitus weisen in etwa 12 % eine Mikroalbuminurie auf, bei normotonen Nichtdiabetikern sind es 7 % [4]. Die Mikroalbuminurie und Bluthochdruck besteht bei vielen Patienten mit Diabetes bereits vor der Entwicklung der Zuckerkrankheit [5]. Der Zusammenhang zwischen Mikroalbuminurie und Bluthochdruck ist enger als mit Hyperglykämie [6-8]. Eine histologisch gesicherte diabetische Nierenerkrankung liegt bei etwa 30 % der Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus vor, die eine Mikroalbuminurie aufweisen, weitere 30 % dieser Patienten haben eine nicht-diabetestypische histologische Nierenveränderung und 40 % haben überhaupt keine Nierenerkrankung [9] [10]. De Grauw zeigte, dass etwa 40 % von Hausarztpraxis-Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus und Mikroalbuminurie 6 Jahre später eine Normoalbuminurie hatten [11]. Tabei zeigte in einer prospektiven Langzeitstudie, dass bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus und Mikroalbuminurie 57 % nach 7 Jahren ohne irgendwelche therapeutische Maßnahmen eine normale Urineiweißausscheidung aufweisen, bei 43 % persistierte die Mikroalbuminurie, kein Patient entwickelte eine manifeste diabetische Nephropathie [12]. Eine diabetische Retinopathie verbunden mit einer Mikroalbuminurie macht das Vorliegen einer diabetischen Nephropathie wahrscheinlicher [9] [10] [13]. In epidemiologischen Studien war die Höhe des Blutdrucks bereits im normotonen Bereich positiv mit dem Risiko einer Progression der Nephropathie assoziiert [14] [15], woraus manche die Forderung nach einer antihypertensiven Behandlung bereits bei normotonen Patienten mit Mikroalbuminurie ableiten [16-18]. Wir untersuchten in einem systematischen Review die Ergebnisse diesbezüglicher randomisierter Interventionsstudien [19] [20]. Fünf valide randomisierte prospektive Studien untersuchten diese Fragestellung [21-25]. In keiner dieser Studien fand sich ein positiver Effekt einer Blutdrucksenkung im normotonen Bereich mit und ohne ACE-Hemmer auf die Progression der Niereninsuffizienz, gemessen an der Änderung der glomerulären Filtrationsrate [19]. Menschen mit Mikroalbuminurie mit und ohne Diabetes mellitus haben ein höheres kardiovaskuläres und nicht-kardiovaskuläres Erkrankungs- und Sterberisiko [4] [26] [27]. Es existieren aber keine therapeutischen Interventionen, deren spezifischer Nutzen bei einem Nachweis einer Mikroalbuminurie belegt wäre. Das Routine-Screening auf Mikroalbuminurie bei Typ-2-Diabetes erfüllt keine der Kriterien des Nationalen Screening Komittees [3], vor allem nicht die beiden wichtigsten:
Durch den Nachweis einer Mikroalbuminurie lässt sich eine diabetische Nephropathie nicht diagnostizieren. Es gibt keine therapeutische Maßnahme, die belegterweise nur bei Patienten mit Mikroalbuminurie die Morbidität reduziert.
Durch die Bestimmung der Albuminurie lassen sich also behandlungsbedürftige Typ-2-Diabetiker nicht von nicht-behandlungsbedürftigen trennen. Ein Routinescreening ist demnach überflüssig.
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Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki
St. Franziskus Hospital
Schönsteinstraße 63
50825 Köln