Pneumologie 2003; 57(5): 255
DOI: 10.1055/s-2003-39369
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Virtuelle Bronchoskopie: Ergänzung oder Konkurrenz zur konventionellen Bronchoskopie?

Virtual Bronchoscopy: Supplement or in Competition to Conventional BronchoscopyK.  Häußinger
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Publication Date:
04 June 2003 (online)

Obwohl uns die ersten Thorax-CT-Bilder vor circa 30 Jahren noch als revolutionäre Neuerung in Erinnerung sind, wurde diese Technik durch eine Reihe neuer Entwicklungen wie das high-resolution-CT (HR-CT), das Spiral-CT und das Multidetektor-Spiral-CT ergänzt bzw. verbessert. Während die genannten Begriffe für den Nichtradiologen noch einigermaßen verständlich sind, übersteigen Weiterentwicklungen wie „die Multiplanare Rekonstruktion (MPR), die Maximumintensitätsprojektion (MIP), die Oberflächendarstellung (SSD), die Volumendarstellung (VR) oder die virtuelle Bronchoskopie (VB)” das technische Verständnis des Klinikers. Das „Geheimnis” sei in einem Satz zusammengefasst: Alle diese Techniken befassen sich mit der Bildnachverarbeitung von Aquisitionsparametern der Spiral-CT-Untersuchung, d. h., mit der Qualität axialer Schnittbilder. Die in diesem Heft veröffentlichte Kasuistik zur virtuellen Mehrzeilen-CT-Bronchoskopie in der Diagnostik endobronchialer Tumoren wirft ein Schlaglicht auf die von uns Klinikern, insbesondere den endoskopisch tätigen Klinikern, skeptisch beäugte „radiologische Konkurrenzmethode” der Endoskopie.

Die virtuelle Bronchoskopie ist definiert als eine neue, spezielle 3D-Darstellungs- und Beurteilungstechnik, bei der axiale Dünnschichtspiral-CT-Daten des Thorax in realistisch simulierte endoluminale Ansichten generiert werden. Man unterscheidet zwei methodische Ansätze: Die 3D-Oberflächendarstellung (surface randering) und die Volumendarstellung (volume randering). Der Nachteil der oberflächenbasierten virtuellen Bronchoskopie ist der Verlust an extraluminärer Information, der Nachteil der Volumendarstellung ist die schlechtere Beurteilung der Oberflächenstrukturen der Luftwege.

Die Technik der transparenten, farbcodierten 3D-Oberflächendarstellung vereint die Vorteile beider Methoden und ermöglicht sowohl die optimale intraluminale Beurteilung der Oberflächenstrukturen der Luftwege wie auch die der extraluminalen Strukturen jenseits der Tracheobronchialwand.

Die Vorteile der virtuellen Bronchoskopie sind:

Die nichtinvasive Beurteilung von Oberflächenstrukturen. Die Methode ist damit eine sinnvolle Alternative zur flexiblen fiberoptischen Bronchoskopie, wenn diese abgelehnt wird, nicht durchführbar ist oder kontraindiziert ist und die Sicht „beyond of endoscopic visibility”. Die virtuelle Bronchoskopie ermöglicht zum einen die Korrelation endoluminaler Befunde mit umgebenden extraluminalen Strukturen, z. B. parabronchialen Tumormassen oder parabronchialen Lymphknoten und andererseits die Beurteilung poststenotischer bzw. postokklusiver Abschnitte der axialen Atemwege.

Die wichtigsten klinischen Einzelindikationen sind somit

die Beurteilung von Querschnitt und Längsausdehnungen tracheobronchialer Stenosen zur Planung und Erfolgskontrolle endoskopisch palliativer Maßnahmen und die gezielte transbronchiale Nadelaspirationsbiopsie im Rahmen des Tumorstagings.

Während die virtuelle Bronchoskopie in der Literatur auch zum Screening in der (Früh-)Diagnostik endobronchialer Tumoren empfohlen wird, wird dies vom Verfasser abgelehnt, da die endobronchiale, submuköse oder peribronchiale Ausdehnung diskreter Tumorinfiltrationen in der virtuellen Bronchoskopie nicht nachweisbar ist oder unterbewertet wird. Diese kritische Einschränkung des Autors charakterisiert den Hauptnachteil der virtuellen Bronchoskopie. Sie gibt keine ausreichende Information über Farbe und Feinstruktur der Oberfläche, keine Information über Menge und Konsistenz des Sekretes, keine Information über dynamische Prozesse und last but not least, sie eröffnet nicht den Zugang zur zytologischen, mikrobiologischen und histopathologischen Abklärung. Die virtuelle Bronchoskopie erspart damit in den weitaus meisten Fragestellungen nicht den Einsatz der Fiberbronchoskopie.

Das Resümee lautet: Die dreidimensionalen Bilder der virtuellen Bronchoskopie vom Röhrensystem der Atemwege sind eindrucksvoll und plastisch, die Untersuchung ist nicht belastend. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die virtuelle Bronchoskopie die Fiberbronchoskopie häufig nur ergänzen kann, sie aber bis auf wenige Indikationen nicht ersetzt. Eine Wachablösung des Goldstandards Bronchoskopie ist durch die virtuelle Bronchoskopie daher vorerst nicht zu erwarten.

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