ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2003; 112(10): 423
DOI: 10.1055/s-2003-43191
Editorial

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Hamsterkäufe

Cornelia Gins
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Publication Date:
31 October 2003 (online)

Die Krankenkassen geben Alarm. Seit das Gesundheitsreformgesetz konkrete Formen angenommen hat, steigen die Ausgaben für Arzneimittel, Brillen und natürlich Zahnersatz. Genaue Zahlen über den Kostenschub können die Kassen zwar erst zum Quartalsende vorlegen, aber in jedem Fall zeichnet sich bereits schon jetzt ab, dass dadurch der finanzielle Spielraum für die geplanten Beitragssenkungen, dem eigentlichen Sinn dieser ganzen Aktion, kleiner wird. Von derzeit 14,4 % soll der Beitragssatz nach Vorstellung von Frau Schmidt auf 13 % gesenkt werden. Derzeit verzeichnen die Angestellten-Krankenkassen im ersten Halbjahr 2003 einen Anstieg bei Zahnersatz um 3,8 %. In den neuen Bundesländern lag der Anstieg sogar bei 7,3 %. Auch die BKK verzeichnet einen Anstieg von 7,5 % im Vergleich zum Vorjahr.

Obwohl die Neuregelung für Zahnersatz erst 2005 startet, kommen die verunsicherten Patienten bereits jetzt schon in die Praxen nach dem Motto: Was man hat, das hat man. Das Gesetz ist zwar nun beschlossen, aber keiner hat eine genaue Vorstellung davon, wie das in der Praxis aussehen soll. Auch wir Zahnärzte stehen noch ziemlich hilflos den Fragen der Patienten gegenüber. In den Köpfen dieser sitzt jedenfalls die Idee, dass es in Zukunft eigentlich gar nichts mehr gibt. Zum Arzt gehen wird teuer, wie auch immer. Das Misstrauen gegenüber den Reformplänen ist so groß, da ist es doch ganz verständlich, dass Brille, Zähne und Medikamente noch schnell auf Vorrat abgerufen werden. Alle Beteuerungen, dass es doch gar nicht so schlimm kommen wird, werden natürlich nicht gehört. Und die Politik wundert sich.

Auf den ersten Blick scheint es erstaunlich, wie kurz offensichtlich das Gedächtnis unserer Politiker ist. Es ist doch alles schon einmal dagewesen. Es gab einen Herrn Ehrenberg, einen Herrn Blüm und natürlich einen jüngeren Herrn Seehofer. Alle 3 Minister haben mit ihrer angestrebten Sparpolitik zunächst den gegenteiligen Effekt erreicht. Da könnte man doch meinen, dass nach soviel bereits gemachter Erfahrung andere Entscheidungen hätten getroffen werden können. Auf den zweiten Blick allerdings lässt sich doch ein gravierender Unterschied zu den vorangegangenen Reformen erkennen. Hatten sie doch als angenehme Begleiterscheinung dazu beigetragen, dass sich auch die Portmonees von Zahnärzten und Technikern füllten. Doch diesmal sieht es anders aus. Frau Schmidt kann es nämlich völlig egal sein, ob die Nachfrage nach Zahnersatz steigt. Es gibt doch das Budget. Arbeiten die Zahnärzte jetzt mehr, gibt es eben für dieselbe Leistung weniger Geld, wie schon in der Kons/Chirug. praktiziert. In Berlin sind bereits erste Maßnahmen für das 4. Quartal vorbereitet.

Wir sitzen also wieder zwischen den Stühlen. Verweigern wir die Arbeit mit dem Hinweis auf nicht vorhandene Kostendeckung, wird in den Medien das Bild des raffgierigen Arztes bedient. Behandeln wir so, wie es indiziert ist, müssen wir das Geld von zu Hause mitbringen. Der schwarze Peter bleibt uns - so oder so.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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