Aktuelle Urol 2003; 34(2): 87-90
DOI: 10.1055/s-2003-44511
Fragen für den Facharzt

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Fragen für den Facharzt

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Publication Date:
23 April 2003 (online)

 

Frage 1 - Onkologie Welche der folgenden Aussagen zum Sentinel-Node-Konzept beim Blasenkarzinom treffen zu? Antworten: Mit dem Sentinel Node ist der erste Lymphknoten definiert, der den Tumor drainiert. Das Konzept des Sentinel Node eröffnet die Möglichkeit, das Tumorstadium in den regionalen Lymphknotenstationen vorauszusagen. Mit der intraoprativen Gammakamera kann der Sentinel Node exakt lokalisiert werden. Lymphknotenmetastasen des muskelinvasiven Blasenkarzinoms werden immer in der Fossa obturatoria lokalisiert. A) 1 und 2 sind richtig B) 1, 2 und 4 sind richtig C) 1, 2 und 3 sind richtig D) 2, 3 und 4 sind richtig E) alle Antworten sind richtig

Frage 2 - Urolithiasis Welche der folgenden Aussagen treffen zu? Antworten: Die Zystinurie ist bei Erwachsenen in 1-2 % und bei Kindern in etwa 10 % Ursache von Nierensteinen. Die Zystinurie ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit, wobei homozygote und heterozygote Merkmalsträger zu unterscheiden sind. Bei niedrigem Urin-pH-Wert kommt es zu einem Anstieg der Zystinlöslichkeit. Bei Patienten mit einem Zystinsteinleiden ist eine methioninarme Diät (wenig proteinreiche Nahrungsmittel) als prophylaktische Maßnahme zu empfehlen. Pharmakologisch sollten, um weitere Steinbildung zu reduzieren, α-Mercaptoproprionylglycid (MPC, Thiopronin) zu Spaltung der Disulfidbrücken des Zystins gegeben werden. A) alle Antworten sind richtig B) 1, 2 und 3 sind richtig C) 1, 2, 4 und 5 sind richtig D) 1, 3, 4 und 5 sind richtig E) alle Antworten sind falsch

Antwort 1 - Onkologie Studien über prognostische Faktoren des muskelinvasiven Blasenkarzinoms zeigen, dass der histologische Status der regionalen Lymphknoten von entscheidender Bedeutung für die Überlebensrate ist. Initiiert wurde das Sentinel-Node-Konzept von Cabañas im Jahre 1977. Bei dieser Theorie wird davon ausgegangen, dass die lymphatische Drainage eines Tumors initial zu einem bestimmten Lymphknoten erfolgt und zwar dem Sentinel-Lymphknoten. Erst von diesem erfolgt dann die Drainierung auf die restlichen Lymphknoten (Cabañas: An approch for the treatment of penile cancer. Cancer 39; 1977: 456). Dieses Konzept mit Lymphknoten-Mapping und Sentinel-Biopsie hat sich vor allem beim malignen Melanom, Brustkarzinom und eingeschränkt beim Peniskarzinom durchsetzen können. Bisher werden vor allem Farbstoffe und radioaktive Marker zur Detektion des Sentinel-Nodes benutzt. Die Autoren benutzen hier erstmals, neben der Lymphoszintigraphie, auch einen Farbdetektionstest und die intraoperative Gammakamara zur Suche eines Sentinel-Lymphknotens beim invasiven Blasenkarzinom. Dabei konnten sie bei einem kleinem Patientengut, insbesondere mit der intaroperativen Gammakamera, gute Detektionsresultate erreichen. Nur in 2 Drittel der Fälle konnte der Sentinel-Lymphknoten in der Fossa obturatoria identifiziert werden. Ein Drittel der Sentinel-Lymphknoten befanden sich außerhalb. Ähnlich verhielt es sich auch mit den Lymphknotenmetastasen: bei 5 Achteln der Patienten fand man die Lymphknotenmetastasen außerhalb der Fossa obturatoria. Inwieweit das Konzept des Sentinel-Nodes beim Blasenkarzinom auch zukünftig Bestand haben wird, werden weitere Untersuchungen zeigen müssen. Antwort C ist richtig. Bezug: F. Liedberg et al.: Sentinel-Node-Diagnostik beim invasiven Blasenkarzinom. Seite 115

Antwort 2 - Urolithiasis Die Zystinurie ist bei Erwachsenen in 1-2 % und bei Kindern in etwa 10 % Ursache von Nierensteinen; Rezidivraten von bis zu 60 % sind darüber hinaus häufig mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion assoziiert. In der Gruppe der autosomal-rezessiven Zystinuriekranken scheiden die heterogenen Merkmalsträger Zystin in geringerer Konzentration als die Homozygoten aus, wodurch es aber nicht zwangsläufig seltener zur Ausbildung von Nierensteinen kommt. Bei steigendem pH-Wert des Urins kommt es zu einem Anstieg der Zystinlöslichkeit bis zum 3fachen Wert bei einem pH-Wert von 8. Daher stellt die Urinalkalisierung ein Hauptziel der Pharmakotherapie dar. Da Methionin im Organismus zu Zystin metabolisiert wird, ist eine Reduktion von Methionin ein wichtiger Punkt bei der Prävention von Zystinsteinen. Methionin ist in proteinreichen Nahrungsmitteln (Fleisch, Fisch, Eiern, Weizen, Soja) enthalten und sollte daher reduziert werden. Ab einer täglichen Zystinausscheidung von über 720 mg sollen zusätzlich Chelatbildner verabreicht werden, um einer weiteren Zystinsteinbildung vorzubeugen. a-Mercaptoproprionylglycid (MPC, Thiopronin), aber auch D-Penicillamin können die Disulfatbrücken des Zystins spalten. Die sich bildenden Zystin-Metabolite sind im Urin besser löslich, wodurch einer erneuten Steinbildung entgegengewirkt wird. Antwort C ist richtig. Bezug: T. Knoll et al.: Zystinurie-Zystinsteinleiden Aktuelle Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Seite 97

Frage 3 - Andrologie Welche der folgenden Aussagen zur Lebensqualität nach Korrektur einer Penisdeviation mit der Tunikaplikatur nach Schroeder-Essed treffen zu? Antworten: Bei der Technik nach Schroeder-Essed wird neben der Tunikaplikatur auch eine keilförmige Exzision von Schwellkörpergewebe durchgeführt. Über eine mögliche operationsbedingte Penisverkürzung nach Tunikaplikatur sollte der Patient präoperativ aufgeklärt werden. IPP-Patienten zeigen sich nach Tunikaplikatur mit dem Operationsergebnis zufriedener als Patienten mit angeborener Penisdeviation. Bei der IPP stellt die Tunikaplikatur nach Schroeder-Essed nicht in allen Fällen die Therapie der Wahl dar. A) 1 und 2 sind richtig B) 3 und 4 sind richtig C) 1 und 3 sind richtig D) 2 und 4 sind richtig E) alle Antworten sind richtig

Frage 4 - Traumatologie Welche der folgenden Aussagen sind zutreffend? Antworten: Traumatische Nierenbeckenrupturen sind sehr häufig als Singulärverletzungen anzutreffen. Die Entscheidung zur Nephrektomie ist anhand der Kontrastmittelausscheidung im CT einfach und suffizient zu stellen. Aufgrund einer noch bestehenden Kontrastmittelausscheidung im CT kann die Nierenfunktion vor der Notfalloperation leicht überschätzt werden. Routineultraschalluntersuchungen können nur sehr selten zur endgültigen Diagnosestellung beitragen. A) 1 und 4 sind richtig B) 2 und 3 sind richtig C) 1,2 und 4 sind richtig D) nur 3 ist richtig E) alle Antworten sind richtig

Antwort 3 - Andrologie Seit einigen Jahren wird die Tunikaplikatur nach Schroeder-Essed (dabei wird kein Schwellkörpergewebe entfernt) bezüglich Effektivität und Rezidivrate widersprüchlich diskutiert. Insbesondere wird von einigen Autoren die deutlich erhöhte Deviations-Rezidivrate nach Tunikaplikatur im Vergleich zur Korrektur nach Nesbit angeführt. Entscheidend für die Erfolgsrate sind jedoch die Selektionskriterien und die Aufklärung der Patienten sowie das verwendete Nahtmaterial bzw. die Knotentechnik. So müssen die Patienten neben einer möglichen Granulombildung und palpablen, schmerzhaften Knoten, auch über eine Penisverkürzung bis zu 3 cm aufgeklärt werden. Auch eine bestehende Erektionsschwäche lässt sich in den meisten Fällen nicht durch diese Operation beheben. Aufgrund der Deviationsursache (unterschiedliche Schwellkörperlängen vs. Plaquebildung) liegt es auf der Hand, dass Patienten mit einer IPP oftmals nicht alleine von einer Tunikaplikatur ohne begleitende Plaquechirurgie profitieren, da die eigentliche Ursache der Deviation nicht behoben wird. Daher ist die Tunikaplikatur für die kongenital bedingte Deviation Mittel der Wahl, für die IPP gilt dieses nur mit Einschränkungen (GW Chien und S. Aboseif: Corpereal plication for the treatment of congenital penile curvature. J Urol 2003; 169: 599). Dieses zeigt sich nicht zuletzt in der reduzierten Patientenzufriedenheit, der erhöhten Rezidivrate, der stärkeren Penisverkürzung und der hohen Rate an Sensibilitätsstörungen der IPP-Patienten nach Tunikaplikatur. Der Verdienst der Autoren der vorliegenden Arbeit liegt vor allem in der Darstellung der Operationsergebnisse aus der Sicht der Patienten und deren Partnerinnen. Entscheidend für die Zufriedenheit der Patienten ist eine Aufklärung mit Partnerin über die realistischen Erfolgsaussichten und kosmetischen Ergebnisse der Tunikaplikatur nach Schroeder-Essed und zwar abhängig von der Deviationsursache. Antwort D ist richtig. Bezug: C. van der Horst et al.: Lebensqualität nach operativer Korrektur von Penisdeviationen durch die Tunikaplikatur nach Schroeder-Essed. Seite 109

Antwort 4 - Traumatologie Die traumatische singuläre Nierenbeckenruptur ist ein sehr seltenes Ereignis im klinischen Alltag (Antwort 1 ist falsch). Die Entscheidung über eine primäre Nephrektomie ist allerdings bei leerer Anamnese schwer zu stellen, da die Nierenfunktion aufgrund noch bestehender Kontrastmittelausscheidung im CT trotz reduzierter Nierenfunktion häufig überschätzt werden kann (Antwort 2 ist falsch, Antwort 3 ist richtig). Routineultraschalluntersuchungen können jedoch die Pathologie des Nierenbeckens aufdecken und die Patienten einer adäquaten Therapie zuführen helfen (Antwort 4 ist falsch). Antwort D ist richtig. Bezug: P.E. Sterr et al.: Traumatische Nierenbecken-ruptur bei zuvor nicht bekannter Nierenbeckenabgangsstenose. Seite 119

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