Geburtshilfe Frauenheilkd 2004; 64(1): 23-24
DOI: 10.1055/s-2003-44692
Stellungnahme

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zytologie (DGZ) zum primären Screening auf humane Papillomviren (HPV) im Rahmen der gynäkologischen Krebsfrüherkennung - August 2003

Comments by the German Society for Cytology (DGZ) on Primary Screening for Human Papilloma Viruses (HPV) within the Framework of Gynaecological Early Cancer Detection - August 2003DGZ1
  • 1Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Januar 2004 (online)

Vor dem Hintergrund neuerlicher mediengestützter Bemühungen, einen HPV-Test als Primärscreening-Verfahren zur Früherkennung des Zervixkarzinoms durchzusetzen, sieht sich der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zytologie veranlasst, zu diesem Problem erneut Stellung zu nehmen:

Infektionen mit HPV sind häufig: Fast 80 % aller Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens. Die Übertragung erfolgt überwiegend auf sexuellem Wege. Bei 80 - 90 % aller Infektionen kommt es im Laufe von Wochen oder Monaten zu spontaner Rückbildung. Bestimmte HPV-Typen sind krebsauslösend (onkogen) und spielen bei der Entstehung des Zervixkarzinoms und seiner Vorstufen eine Rolle. Diese so genannten Hochrisikotypen („high risk“-HPV) finden sich zu jedem Zeitpunkt bei etwa 10 % der weiblichen Bevölkerung im geschlechtsreifen Alter. Die überwiegende Zahl dieser Infektionen heilt spontan und dauerhaft ab. Die Infektion selbst ist noch nicht therapierbar [8]. Das Zervixkarzinom ist in Deutschland ein eher seltener Krebs der Frau geworden. Pro Jahr finden sich knapp 7000 Fälle von Zervixkarzinom, etwa 150 000 Krebsvorstufen des Schweregrades CIN III und etwa 1 Million Infektionen mit Hochrisiko-HPV [7]. Ziel der Krebsfrüherkennung ist die Entdeckung und Eliminierung der Vorstufen des Zervixkarzinoms. Es wird vor allem nach präkanzerösen Läsionen (Dysplasien und Carcinomata in situ) und nicht nach Infektionen gesucht. Nur in einer geringen Zahl von Infektionen mit Hochrisikotypen des HPV kommt es zur Ausbildung der Krebsvorstufen. Die Entwicklung eines Zervixkarzinoms aus den Vorstufen dauert mindestens 7 bis 10 Jahre. Die Vorstufen lassen sich mit einer Serie von Abstrichen über mehrere Jahre zu 95 % erfassen [5, 7]. Die Sensitivität des HPV-Nachweises ist bei einer bestehenden präkanzerösen Läsion hoch. Bei eher seltenen Erkrankungen, wie dem Zervixkarzinom, ist jedoch die Spezifität der Methode und damit die Rate der falsch positiven Befunde zumindest genauso wichtig wie die Sensitivität. Die Spezifität hingegen ist bezüglich des Nachweises von präkanzerösen Läsionen und von Karzinomen - im Gegensatz zum zytologischen Abstrich - beim HPV-Test schlecht. Bei den durch ein primäres HPV-Screening jährlich zu diagnostizierenden fast eine Million Frauen mit „high risk“-HPV besteht in ca. 90 % der Fälle eine vorübergehende Infektion, die sich spontan rückbildet und ohne Screening nicht bemerkt und erfasst wird. Bei weniger als einem Prozent der Frauen mit positivem Test kommt es im Laufe des Lebens zur Ausbildung eines Zervixkarzinoms [2, 3, 9, 10]. Es ist davon auszugehen, dass die psychische Belastung gesunder Frauen durch die Diagnose einer „Hochrisikoinfektion mit krebsauslösenden Viren“ erhebliche Verunsicherung sowie Überdiagnostik bzw. -therapie auslösen wird. Darüber hinaus würde die millionenfache Diagnose einer sexuell übertragenen Erkrankung zu erheblichen Partnerproblemen führen [2, 10]. Der Zervixabstrich ist einfach in der Durchführung, beliebig oft wiederholbar, praktisch ohne Nebenwirkungen, und kostengünstig. Der HPV-Test ist derzeit etwa 4-mal teurer als der zytologische Abstrich. Von den maßgeblichen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften wird ein primäres HPV-Screening gegenwärtig nicht empfohlen. Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) hält ein primäres HPV-Screening derzeit für nicht indiziert. Die Europäische Kommission hat im Mai 2003 in einer Stellungnahme zur Krebsvorsorge die Rolle des Abstrichs als Primärmethode bestätigt, ein HPV-Screening ist augenblicklich nicht indiziert [1]. Selbst einige Befürworter eines primären HPV-Screenings halten eine Einführung der Methode im augenblicklichen Stadium für verfrüht [1, 6]. In den USA ist ein primäres HPV-Screening für Frauen über 30 Jahre durch die Food and Drug Administration (FDA) im März 2003 zugelassen worden. Dazu ist anzumerken, dass es die Aufgabe der FDA ist, die Sicherheit und Effektivität einer Methode zu überprüfen. Ob ein Test unter Berücksichtigung klinischer und epidemiologischer Information Sinn macht, entscheidet im Bereich der Prävention die U. S. Preventive Services Task Force. Sie kommt in ihren aktuellen Empfehlungen zum Screening auf Zervixkarzinom vom 23. Januar 2003 zu dem Schluss, dass für die Anwendung der HPV-Testung als primäres Screening die vorliegende Evidenz nicht ausreichend ist. Weitere Studien bleiben abzuwarten [11]. Eine Optimierung der Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses ist - ohne nennenswerte Mehrkosten - durch weitere qualitätssichernde Maßnahmen, insbesondere bei der Materialgewinnung und durch eine Erhöhung der Teilnehmerquote zu erreichen.

Zusammenfassend gibt es derzeit keine ausreichende Datengrundlage zum routinemäßigen Einsatz der HPV-Diagnostik im Rahmen des Primärscreenings auf das Zervixkarzinom und seine Vorstufen.

Literatur

  • 1 Council Recommendation. Commission of the European Communities .Proposal for a Council Recommendation on Cancer Screening. 2003/0093 (CNS). Brussels, 5th of May. 2003
  • 2 Davey D D, Armenti C A. HPV primary screening for cervical cancer: More pain than protection.  Diagn Cytopathol. 2000;  22 333-335
  • 3 Herrington C S. Does HPV testing have a role in primary cervical screening?.  Cytopathology. 2001;  12 71-74
  • 4 Petry K U, Menton S, Menton M. et al . Inclusion of HPV testing in routine cervical cancer screening for women above 29 years in Germany: Results for 8466 patients.  Br J Cancer. 2003;  88 1570-1577
  • 5 Schenck U. Zytologisches Vorsorgeprogramm - Durch neue Methoden ernsthaft herausgefordert?.  Geburtsh Frauenheilk. 2000;  60 M125-M127
  • 6 Schneider A, Scheungraber C, Hoyer H, Dürst M. Früherkennung des Zervixkarzinoms: Zytologie oder HPV-Test?.  Gynäkologe. 2002;  35 181-192
  • 7 Schneider V. Zervixabstrich noch zeitgemäß?.  Frauenheilkunde plus. 2001;  1 30-33
  • 8 Syrjänen K, Syrjänen S. Papillomavirus Infections in Human Pathology. New York; Wiley 2000: 1-615
  • 9 Tempfer C, Leodolter S, Kainz C. Aktuelle Wertigkeit der HPV-Testung in der klinischen Praxis.  Geburtsh Frauenheilk. 2002;  62 543-549
  • 10 Tidy J. Forgotten implications of HPV positivity for the majority of females: A clinical perspective.  Cytopathology. 2002;  13 263-266
  • 11 U. S. Preventive Services Task Force, Screening for Cervical Cancer .AHRQ Publication No. 03 - 515 A; January 2003. Agency for Healthcare Research and Quality, Rockville, MD. http:www.ahrq.gov/clinic/3rduspstf/cervicalcan/cervcanrr.htm

Prof. Dr. H. F. Nauth

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