Suchttherapie 2003; 4(4): 203-206
DOI: 10.1055/s-2003-45533
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Natur - Bewegung - Kreativität” - eine erlebnispädagogische Maßnahme zur Suchtprävention

“Nature - Exercise - Creativity” - An Experience Based Educational Programme with the Objective to Prevent AddictionUwe C. Fischer1
  • 1Zentrum für empirische pädagogische Forschung an der Universität Koblenz-Landau
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Januar 2004 (online)

Intervention

Erlebnispädagogik versteht sich als Alternative und Ergänzung tradierter und etablierter Erziehungseinrichtungen [1] und betont die Ganzheitlichkeit des Lernens. Für die Erlebnispädagogik stehen hauptsächlich persönlichkeitsentwickelnde Ziele und die Förderung der sozialen Kompetenz im Vordergrund [2]. Ihr Einsatz in den Hilfen zur Erziehung gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird kritisch hinterfragt [3]. Evaluationen erlebnispädagogischer Maßnahmen sind im deutschsprachigen Raum seltener zu finden [2] [4] als im angloamerikanischen Bereich [5] [6]. Seit einigen Jahren wird Erlebnispädagogik auch als eine Methode der Suchtprävention bei jugendlichen Risikogruppen eingesetzt [7] [8].

Das Projekt „Natur - Bewegung - Kreativität”[1] besteht aus zwei Teilen: einer viertägigen Weiterbildung für Heimerzieher und der Abenteuerwoche zusammen mit den Jugendlichen und ihren Betreuern. Im Vordergrund steht die Rolle des Betreuers als Multiplikator, Bezugsperson und Vorbild der Jugendlichen. Das Vermitteln sozialer und persönlicher Kompetenzen soll nicht allein Aufgabe von Erlebnispädagogen für einen zwar intensiven, aber kurzen Zeitraum sein, sondern erfordert eine Kontinuität auch im Alltag des Heimaufenthalts, welche durch die Betreuer vor Ort gewährleistet sein soll. Aus diesem Zusammenhang heraus begründet sich eine enge Einbindung der Betreuer in die erlebnispädagogische Maßnahme.

Neben der besonderen Multiplikatorenrolle der Betreuer und ihrem Verhältnis als Bezugsperson der Jugendlichen steht die Förderung der allgemeinen Lebenskompetenzen [9] mit den einzelnen Komponenten zur Persönlichkeitsentwicklung und zur Förderung sozialer Kompetenzen im Vordergrund. Die Jugendlichen und ihre Betreuer werden in der Abenteuerwoche mit mehreren ungewissen, risikoreichen und problematischen Situationen in der Natur konfrontiert, die aktive Problemlösungen mithilfe persönlicher und sozialer Kompetenzen erfordern. Das Erlebnis von Aktionen und Selbstwirksamkeit [10] soll entwicklungsnotwendige Grunderfahrungen und Kompetenzen vermitteln, die unterbliebene soziale Entwicklungsschritte stimulieren sowie blockierte und unterbrochene Prozesse der Entwicklung wieder in Gang setzen [11]. Die Erlebnispädagogen fördern diesen Prozess, indem sie auf die jeweiligen individuellen Gegebenheiten situationsspezifisch eingehen und den Prozess für die Person reflektierend bewusst machen.

Literatur

  • 1 Ziegenspeck J. Erlebnispädagogik. Fitting K, Saßenrath-Döpke EM Pädagogik und Auffälligkeit. Impulse für Lehren und Lernen bei erwartungswidrigem Verhalten Weinheim; Deutscher Studien Verlag 1993: 352-362
  • 2 Amesberger G. Persönlichkeitsentwicklung durch Outdoor-Aktivitäten?. Untersuchung zur Persönlichkeitsentwicklung und Realitätsbewältigung bei sozial Benachteiligten Frankfurt; Afra Verlag 1994
  • 3 Klawe W, Bräuer W. Erlebnispädagogik zwischen Alltag und Alaska. Praxis und Perspektiven der Erlebnispädagogik in den Hilfen zur Erziehung Weinheim; Juventa 1998
  • 4 Lambers H. Bestandsaufnahme der Heimerziehungsforschung.  AFET-Wissenschaftliche Informationsschriften. 1995;  13
  • 5 Hattie J, Marsh H W, Neill J T. et al . Adventure education and outward bound: Out-of-class experiences that make a lasting difference.  Review of Educational Research. 1997;  67 (1) 43-87
  • 6 Cason D, Gilles H L. A meta-analysis of outdoor adventure programming with adolescent.  Journal of Experimental Education. 1994;  17 (1) 40-47
  • 7 Hallmann H J. Theorie und Praxis pädagogischer Suchtprävention in Schule und Jugendarbeit. Duisburg; Verlag U. Agst 1994
  • 8 Nöcker G. Abenteuer- und Erlebnispädagogik als Methode der Suchtprävention.  Prävention. 1987;  10 (3) 88-92
  • 9 Botvin G J. Substance Abuse Prevention through Life-skills Training. Peters R, McMahon J Prevention Childhood Disorders. Substance Abuse and Delinquency Newbury Park; Sage 1996: 215-240
  • 10 Bandura A. Self-efficiacy: Toward a unifying theory of behavioral change.  Psychological Review. 1977;  84 191-215
  • 11 Klein M. Erlebnis und Abenteuer in der Suchtprävention und Suchttherapie. Runtsch B Abenteuer - Ein Weg zur Jugend Frankfurt; Afra-Verlag 1992: 171-174
  • 12 Natur - Bewegung - Kreativität. Centre de Prévention des Toxicomanies Erlebnispädagogik als eine Methode der Suchtprävention Luxembourg; CePT 2002
  • 13 Bühler J. Das Problem des Transfers. Kritisches zur erlebnisorientierten Kurzzeitpädagogik.  Deutsche Jugend. 1986;  34 (2) 71-76

1 Das Projekt wurde von Mitarbeitern des Centre de Prévention des Toxicomanies, des Centre Marienthal, der Fachstelle für Suchtprävention des Caritasverbandes und der Kreisverwaltungen Trier - Saarburg und Bitburg - Prüm im Rahmen eines interregionalen Arbeitskreises organisiert.

2 Cronbach’s-α-Reliabilitäten der Skalen liegen zwischen .65 und .87.

3 Differenzierte inhaltliche Auswertungen finden sich in der Veröffentlichung des CePT [12].

Uwe C. Fischer

Zentrum für empirische pädagogische Forschung an der Universität Koblenz-Landau

Bürgerstraße 23

76829 Landau

eMail: fischer@zepf.uni-landau.de

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