Suchttherapie 2003; 4 - 13
DOI: 10.1055/s-2003-822293

Ausbildungs-Lehr-und Forschungsbedarf in der hausärztlichen Versorgung von Suchtkranken

H Garthmann 1
  • 1München

Ein Überblick über eine ärztliche Tätigkeit mit nervenärztlicher Kompetenz in hausärztlicher Gemeinschaftspraxis (1975–2000)

Aufgrund vorheriger nervenärztlicher Ausbildung in Suchtkliniken und einer Suchtambulanz (Referent ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Nervenheilkunde) erfolgte durchgehend Abrechnung entsprechender „Psychoziffern“.

Die Folge war eine nahezu ständige Honorarkürzung (wegen Anschein der Unwirtschaftlichkeit, wegen Überschreitung der Abrechnungshäufigkeit gegenüber der Fachgruppe um bis zu

200%), die vom jeweiligen Beschwerdeausschuss nur gelegentlich teilweise zurückgenommen wurde. Mit Einführung der Budgetierung erfogte letztlich eine Reduzierung des Punktwertes auf 18% des angesetzten Punktwertes.

Aus grundsätzlichen Erwägungen wurden von der Praxis Prozesse gegen die KV beim Sozialgericht und Landessozialgericht geführt (1980, 1990, 2000). Resultat der Prozesse: Juristisch war in zunehmendem Maße eine adäquate Honorierung nicht durchzusetzten. Letztlich läuft im System alles auf eine Nivellierung der hausärztlichen Tätigkeit hinaus.

Die Definition einer Praxisbesonderheit ist so hoch angesetzt, dass alles auf eine Schwerpunktpraxis hinausläuft, was wiederum die Intention hausärztlicher Grundversorgung konterkariert.

Die Behandlung von Alkoholkranken entwickelt sich zunehmend in den ambulanten Bereich (Tageskliniken, ambulante Entzüge in entsprechend qualifizierten Einrichtungen).

Im hausärztlichen Bereich liegt eine überdurchschnittliche Kontaktdichte zu Patienten mit Alkoholproblemen auf niederschwelligem Niveau.

Mit Qualifikation in suchtmedizinischer Grundversorgung ist die notwendige Kompetenz für die Behandlung von Alkoholproblemen gegeben.

Mit den Erfahrungen in den Honorierungen von HIV-Schwerpunktpraxen, psychosomatischer Grundversorgung, Behandlung von Diabetes mellitus, Substitutionsbehandlung von Drogenpatienten müssen Kostenvereinbarungen entwickelt werden, die die hausärztliche Intervention im Gesamtbereich der ICD F1 (psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen) adäquat honorieren. Im nahezu „historischen“ Rückblick (erst 1968 Anerkennung von Alkoholerkrankungen als Krankheit) von der Strategie der Intervention am Tiefpunkt der Erkrankung bis zur jetzigen Akzentuierung der Frühintervention im Bereich gesundheitsschädlichen Trinkverhaltens ist ein noch radikalerer Paradigmenwechsel notwendig.

Angesichts von 8 Millionen Menschen mit gesundheitsschädlichem Trinkverhalten (10% der Gesamtbevölkerung trinkt 50% des Alkohols, davon lediglich 2 Millionen Patienten mit den Kriterien der Abhängigkeit) ist besonders im hausärztlichen Bereich die Frühintervention auch im Sinne der Prävention von zentraler Bedeutung.

Im Medizinstudium sollte der Bereich ICD F1 (s.o.) einen zentralen Stellenwert im psychiatrischen Kontext erhalten. (1960–1966 zur Studienzeit des Autors war das nicht so.)

In der jetzt fünfjährigen Facharztausbildung für Allgemeinmedizin muss der Suchtbereich ähnlich wie der Diabetes mellitus angemessen in den Kompaktkursen abgehandelt werden.

Die „suchtmedizinische Grundversorgung“ sollte mit entsprechender Honorierungskonsequenz auf freiwilliger Basis erhalten bleiben.