Z Gastroenterol 2004; 42(6): 495-496
DOI: 10.1055/s-2004-813276
Editorial

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wo liegt die Zukunft der gastroenterologischen Endoskopie?

What is the Future of Gastroenterological Endoscopy?J. F. Riemann1
  • 1Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH, Ludwigshafen/Rhein
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Publication Date:
09 June 2004 (online)

Die gastroenterologische Endoskopie hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer mehr von einer rein diagnostischen zu einer gleichzeitig therapeutischen Disziplin entwickelt. Standardtechniken wie Gastroskopie, Koloskopie und ERCP sind heute nicht nur in Schwerpunktabteilungen und Fachpraxen, sondern auch in vielen Krankenhäusern etabliert. Die endoskopische Therapie vieler Erkrankungen des Verdauungstraktes hatte schon lange vor entsprechenden chirurgischen Eingriffen den Anspruch auf minimale Invasivität. So ist z. B. die Gallengangsteintherapie durch endoskopische Sphinkterotomie und Steinentfernung mit Zusatzinstrumenten ein klassisches Verfahren geworden, das entsprechende chirurgische Eingriffe komplett ersetzt hat. Die endoskopische Polypektomie hat sich zu einem Paradebeispiel für Diagnose und Therapie in einem Arbeitsgang entwickelt; die inzwischen auch gesetzlich eingeführte präventive Koloskopie zur Senkung der Dickdarmkrebsinzidenz hat eindrucksvoll bestätigt, dass nicht nur große Polypen, sondern auch frühe Karzinome entdeckt werden, die in gleicher Sitzung endoskopisch resezierbar sind (T1-Karzinome). Die Therapie von Frühkarzinomen der Speiseröhre und des Magens gehört heute unter spezifischen Voraussetzungen in die Hand des endoskopisch tätigen Gastroenterologen. Zahlreiche Studien haben hier zu einem Paradigmenwechsel geführt.

Die Zukunft der Endoskopie wird maßgeblich bestimmt werden durch technische Weiterentwicklungen, durch die Ausweitung kurativer und palliativer Eingriffe im Rahmen der gastroenterologischen Onkologie, durch konsequente Qualitätssicherung und durch Strukturveränderungen hin zu interdisziplinären Kooperationen.

Technische Weiterentwicklungen betreffen vor allem endoluminale Prothesen und Stents zur palliativen Therapie von nicht mehr operablen Erkrankungen des Verdauungstrakts. Mit Medikamenten beschichtete Stents sowie bioabsorbierbare Stents werden hier die Zukunft sein. Neue Polymerstents, die große Lumina herstellen und wieder entfernbar sind, können durchaus auch bei benignen Stenosen z. B. des Gallengangs eingesetzt werden und damit die bisherigen Protokolle mit zum Teil multiplen Plastikprothesen ablösen. In dieser Ausgabe wird eine Übersicht über die Behandlungsmöglichkeiten maligner und benigner Gallengangstenosen gegeben.

Die Doppelballon-Enteroskopie hat in ersten Pilotstudien gezeigt, dass nicht nur eine nahezu komplette diagnostische Abklärung des Dünndarms, sondern auch eine gezielte Therapie möglich sind. Sie wird sich vor allem bei unklaren mittleren Gastrointestinalblutungen als Methode der Wahl einen festen Platz erobern und damit die intraoperative Endoskopie verdrängen. Die Kapselendoskopie hat ihre diagnostische Bedeutung in der Erkennung gastrointestinaler Blutungen aus dem Dünndarm in mehreren Studien klar belegt. Verbesserungen der Ausleuchtung, auflösbare Kapseln sowie die Integration von therapeutischen Möglichkeiten werden hier richtungsweisend sein. So könnte z. B. das Screening des Barrett-Ösophagus durch neue Ösophaguskapseln wesentlich erleichtert werden.

Die virtuelle Histologie ist machbar geworden; mit der konfokalen Laserendoskopie hat der Endoskopiker heute die Möglichkeit, intraepitheliale Neoplasien mit großer Treffsicherheit zu erkennen und somit eine der Histologie ähnliche Qualifikation einer Läsion vorzunehmen. Zukunftsträchtig wird auch die Bioendoskopie sein. So ist gezeigt worden, dass z. B. durch Injektionen von Cathepsin-B-Enzym-aktivierbaren Fluoreszenzfarbstoffen auch kleine Adenome sichtbar und damit behandelbar gemacht werden können. Weitere große Fortschritte sind zu erwarten.

Neue Horizonte werden sich durch die technische Verbesserung der bekannten Resektions- und Ablationsverfahren ergeben. So lässt sich die endoskopische Mukosaresektion (EMR) oder besser die endoskopische Resektion (ER) auch großer Läsionen en bloc mit neuen Schneidemessern ohne Probleme durchführen. Die Entwicklung neuer Farbstoffe wird voraussichtlich auch zu einer Erweiterung und Intensivierung der fotodynamischen Therapie z. B. in den Gallenwegen oder in der Speiseröhre führen. Mithilfe endosonographisch gesteuerter Techniken lassen sich gastrointestinale Anastomosen herstellen, ohne dass ein chirurgischer Eingriff notwendig wird. Die transluminale operative Endoskopie z. B. durch eine Öffnung im Magen wird zu einer weiteren Interaktion zwischen Gastroenterologen und Chirurgen führen, da mit dieser Technik auch operative Eingriffe im Bauchraum, wie z. B. die Appendektomie, machbar werden. Neue endoskopische Nahtmaschinen, deren erste Prototypen inzwischen vorgestellt worden sind, lassen eine sichere Behandlung bei solchen Eingriffen, aber auch von endoskopisch gesetzten Defekten erwarten. Interessant werden könnte aber auch die Entwicklung von Einmalendoskopen, die manches Arbeitsfeld des Assistenzpersonals einfacher machen.

All diese Möglichkeiten setzen voraus, dass an den Untersucher und sein Umfeld strenge qualifizierte Voraussetzungen geknüpft sind. Bauliche und apparativ-technische Einrichtungen einschließlich eines Geräte- und Hygienestandards auf dem neuesten Level sind in Endoskopieeinheiten ebenso zu fordern wie die Qualifikation der Untersucher und des entsprechenden Assistenzpersonals. Ständige Weiterbildung und ständiges Training sind essenziell. Der endoskopisch Auszubildende muss sich ebenso strengen Anforderungen unterwerfen, die neben einem Training an Simulatoren die supervidierte Untersuchungsanleitung, die Teilnahme an Weiterbildungskursen der Fachgesellschaft, einen überprüfbaren und zertifizierten Untersuchungskatalog sowie den Erwerb spezifischer Qualifikationen umfasst.

Nicht zuletzt sind es aber Strukturveränderungen, die die Zukunft der Endoskopie bestimmen werden. Die Bildung von Kompetenzzentren in Klinik und Praxis ist ebenso voranzutreiben wie die Etablierung von EDV-Systemen, die neben einer Verbesserung der Dokumentation vor allem die Verkürzung der Informationswege zum Inhalt hat. Ein Schwerpunkt wird die interdisziplinäre Versorgung der Patienten sein; so ist die Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Gastroenterologen über gemeinsame Endoskopieeinheiten unter gastroenterologischer Leitung und über gemeinsame Stationen eine entscheidende Entwicklung der Zukunft. Die Kooperation mit den Radiologen im Rahmen von MR-Untersuchungen am biliopankreatischen System sowie am Gastrointestinaltrakt wird in der Zukunft zu einer besseren Ausschöpfung des gegenseitigen Fachwissens und damit zu einer Optimierung der Patientenversorgung führen. Die Zeit der Hardliner, die sich abschotten, sollte vorbei sein.

Die Zukunft der Endoskopie hat eigentlich schon begonnen. Wer immer geglaubt hat, es gäbe einen Stillstand in der gastroenterologischen Endoskopie, wird durch die neuen Entwicklungen eines Besseren belehrt. Die gastroenterologische Endoskopie ist ein essenzieller Bestandteil des Schwerpunktes Gastroenterologie im Rahmen der Inneren Medizin. Daher sind selbstständige, rein funktional geführte Endoskopieeinheiten außerhalb der Anbindung an gastroenterologische Zentren kontraproduktiv. Auch die gastroenterologische Endoskopie wird sich den Kriterien der evidenzbasierten Medizin stellen müssen; die Evaluierung neuer Diagnose- und Therapieformen sollte nach Möglichkeit im Rahmen klinischer Studien erfolgen. Die gastroenterologische Endoskopie wird aber auch ein wichtiger Bestandteil für die Versorgungsforschung der Zukunft sein. Es ist nicht nur die anspruchsvolle manuelle und interventionelle Betätigung, sondern vor allem auch die Einbettung der endoskopischen Techniken in die internistisch-chirurgisch-gastroenterologische Gesamtschau des Patienten, die dieses Fach so faszinierend macht. Die Zeitschrift für Gastroenterologie trägt dieser Herausforderung durch die Einrichtung einer eigenständigen Sektion mit eigenem Sektionseditor Rechnung.

Prof. Dr. med. J. F. Riemann

Direktor der Med. Klinik C, Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH

Bremserstr. 79

67063 Ludwigshafen/Rhein

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