intensiv 2004; 12(6): 296-297
DOI: 10.1055/s-2004-813491
Abstract

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gemeinsame Risikofaktoren für die nosokomiale Kolonisation mit antibiotikaresistenten Keimen: Staphylococcus aureus, Enterokokken, gram-negative Stäbchenbakterien, Clostridium difficile und Candida albicans

Hardy-Thorsten Panknin1
  • 1Berlin
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Publication Date:
09 November 2004 (online)

Die Antibiotikaresistenz bakterieller Krankheitserreger wird in jüngster Zeit nicht nur in Fachkreisen, sondern zunehmend auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Antibiotikaresistente Erreger in Nahrungsmitteln oder multiresistente Tuberkulose-Erreger aus Osteuropa sorgen dabei ebenso für Schlagzeilen wie die Übertragung von resistenten Atemwegserregern in Disko­theken auf den Balearen. Da 70 % des gesamten Anti­biotikaverbrauchs im landwirtschaftlichen Bereich zu verzeichnen sind, ist der Einfluss des humanmedizinischen, therapiebezogenen Verbrauchs auf die Resistenzentstehung vermutlich relativ klein. Dies gilt in noch höherem Maße für Antimykotika wie z. B. die Azole, die in der Landwirtschaft in einer Größenordnung von mehreren Tonnen pro Jahr verbraucht werden. Durch zu langen und fehlerhaften Gebrauch von Anti­biotika und Antimykotika in der Klinik kommt es jedoch häufig zur Selektion von resistenten Erregern, die bereits zuvor im Magen-Darm-Trakt der Betroffenen in geringer Zahl vorhanden waren. Ein typisches Beispiel hierfür sind die vancomycinresistenten Enterokokken (VRE), eine Erregergruppe, die in der Mitte der 90er-Jahre durch reichlichen Glykopeptidgebrauch („Mastförderer”) in der Viehzucht selektiert wurde und über den Fleischverzehr zum Endverbraucher gelangte. In der Klinik können diese Keime heute schwer behandelbare, problematische Infektionen wie z. B. Endokarditiden hervorrufen.

Im Krankenhaus können die resistenten Keime durch Hygienefehler horizontal weiterverbreitet werden. Besonders wird dies durch die Vernachlässigung der Händehygiene begünstigt, wobei die Übertragung zwischen verschiedenen Patienten dabei stets gegeben ist. Daneben spielen jedoch auch Faktoren auf Seiten des Patienten eine Rolle, wie beispielsweise Bettlägerigkeit oder das Vorhandensein von Hautläsionen, auf denen sich resistente Erreger ansiedeln können.

In der Übersichtsarbeit von Nasia Safdar und Dennis Maki [1], zwei renommierten Infektions- und Hygienespezialisten aus Madison, Wisconsin/USA, wird analysiert, welche patientenbezogenen ­Risikofaktoren in erster Linie eine Besiedelung mit resistenten Erregern begünstigen. Besonderes Augenmerk richteten die Autoren auf Faktoren, die für verschiedene Spezies von resistenten Erregern gemeinsam zutreffen. Für die Studie werteten sie in Form einer Literaturrecherche aus dem letzten Jahrzehnt 74 Artikel aus, von denen sich 13 mit methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), 22 mit vancomycinresistenten Enterokokken (VRE), 9 mit hochresistenten gram-negativen Stäbchenbakterien, 20 mit Clostridium difficile und 10 mit Hefepilzen (Candida spp.) befassten. Nur 21 dieser Studien (29 %) waren prospektiv durchgeführt worden. 35 Studien (49 %) analysierten jeweils das Erregerspektrum eines ganzen Krankenhauses; die restlichen Arbeiten widmeten sich der Resistenzproblematik bei bestimmten Subgruppen wie Aids-Patienten, hämatologisch-­onkologischen Patienten, Transplantatempfängern oder Intensivpatienten. Bei der Gesamtauswertung der Studien konnten Safdar und Maki eine Reihe von Risikofaktoren aufdecken, die in gleicher Weise die Wahrscheinlichkeit einer Kolonisation und Infektion mit resistenten Erregern erhöhen (Tab. [1]).

Tab. 1 Gemeinsame Risikofaktoren für eine Kolonisation/Infektion mit resistenten Bakterien und Hefepilzen (Candida spp.): Ergebnisse aus 74 Studien   Faktor, um den das Risiko einer Kolonisation bzw. Infek­tion mit resistenten Erregern erhöht wird Risikofaktor niedrigster beschriebener Wert höchster beschriebener Wert hohes Alter 1,2 14,1 schwere Grunderkrankungen 1,9 11,6 Verlegung aus anderem Krankenhaus 2,9 21,3 langer Krankenhausaufenthalt 1,3 17,5 chirurgischer Eingriff am Magen-Darm-Trakt 2,5 6,9 Transplantation 3,2 6,7 Versorgung mit zentralen Venenkathetern und/oder anderen invasiven Zugängen 1,8 26,4 Therapie mit Breitspektrum-antibiotika 1,6 25,1 spezielle Therapie mit ­Cephalosporinen 1,6 28,6

Betrachtet man einzelne Erreger, so zeigt sich, dass für die Ausbreitung von MRSA vor allem eine Verlegung zwischen verschiedenen Krankenhäusern den höchsten Risikofaktor (6,9fache Risikoerhöhung) darstellt. Diese aus der Literatur bereits bekannte Beobachtung hat im klinischen Alltag dazu geführt, dass Patienten, die aus anderen Akutkrankenhäuern in eine neue Klinik übernommen werden, zunächst in Quarantäneisolierung genommen und auf MRSA untersucht werden. Für VRE findet sich das höchste Risiko bei Dialysepatienten und Transplantatempfängern. Diese beiden Patientengruppen werden oft mit Glykopeptiden behandelt, sei es im Rahmen der Prophylaxe von gefäßkatheterassoziierten Infektionen oder zur Therapie von Staphylokokkeninfektionen, an denen insbesondere Dialysepatienten häufig erkranken (z. B. Shuntinfektion). Während die Therapie der Staphylokokkeninfektion in der Regel zum Erfolg führt, werden VRE im Darm der Patienten selektiert und können überwuchern. Multiresistente gram-negative Bakterien finden sich besonders häufig bei Patienten mit Leberinsuffizienz. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass es sich zumindest in einem Teil der Fälle um Patienten mit chronischem Alkoholabusus handelt. Das Mundhöhlenepithel wird durch die chronische Schädigung durch Alkohol (oft verbunden mit Nikotin) so verändert, dass gram-negative Stäbchenbakterien vermehrt anhaften. Auch bei Patienten mit Harnblasendauerkatheter werden resistente Enterobakterien vermehrt im Urin nachgewiesen (Risikoerhöhung gegenüber Patienten ohne Blasenkatheter um den Faktor 2,5 bis 12,8). Die höchste Risikosteigerung für eine Besiedelung bzw. Infektion mit Candida spp. fand sich bei Patienten mit schwerer Grundkrankheit, vorangegangener Vancomycintherapie oder Therapie mit mehreren Antibiotika sowie bei liegendem Harnblasendauerkatheter.

Schlussfolgerung der Autoren

Patienten mit einer Besiedlung oder Infektion durch antibiotikaresistente Erreger weisen unabhängig von der Erregerspezies gemeinsame Risikofaktoren auf. Hierzu gehören hohes Alter, lange Krankenhausanamnese mit Verlegung zwischen verschiedenen Häusern, Vorbehandlung mit multiplen Antibiotika sowie bestimmte Grundkrankheiten wie chronische Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie, Transplantation und Leberinsuffizienz. Ist der Patient mit einem Harnblasendauerkatheter versorgt, ist besonders das Risiko für eine Besiedlung oder Infektion mit multiresistenten gram-negativen Stäbchenbakterien und Pilzen erhöht.

Kommentar des Referenten

Leider ist die Mehrzahl der beschriebenen Risikofaktoren einer Intervention nicht zugänglich. Weder hohes Alter noch lange Krankenhausaufenthalte aufgrund schwerer Erkrankungen sind letztlich vermeidbar. Wichtig sind die strenge Indikationsstellung zur Harnwegskatheterisierung und die sorgfältige Pflege von transurethralen Kathetern mit konsequenter Verwendung von Einmalhandschuhen, um horizontale Erregerübertragungen zu minimieren. Da letztlich alle Antibiotika resistente Erreger selektieren können, lässt sich auch kein Vorteil bestimmter Substanzen aus der vorliegenden Studie ableiten. Es kann nur generell versucht werden, Antibiotika so kurz wie möglich zu verabreichen und gezielt Substanzen mit einem möglichst schmalen, auf den ursächlichen Erreger begrenzten Wirkspektrum auszuwählen. Neuerdings hat sich auf Intensivstationen auch das so genannte „Cycling” bewährt. Hierbei handelt es sich um einen rotierenden Antibiotikaeinsatz, bei dem die für die Initialtherapie von fieberhaften Infektionen verwendeten Antibiotikaregime in regelmäßigen, z. B. vierteljährlichen Intervallen, gewechselt werden. Mehrere Autoren haben beschrieben, dass die Nachweishäufigkeit resistenter Erreger bei einem solchen Vorgehen deutlich zurückgeht.

Literatur

  • 1 Safdar N, Maki D G. The commonality of risk factors for nosocomial colonization and infection with antimicrobial-resistant Staphylococcus aureus, Enterococcus, gram-negative bacilli, Clostridium difficile, and Candida.  Ann Intern Med. 2002;  136 834-844

Hardy-Thorsten Panknin

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