Zusammenfassung
Item-non-Response kann die Gültigkeit von Studienergebnissen erheblich beeinträchtigen.
Am Beispiel der Subskala Somatisierung der SCL-90-R postulieren wir ein Antwortmuster
(„Listenfragen-Effekt”), bei dem die Probanden bei Beschwerdefreiheit statt der vorgesehenen
„Überhaupt-nicht”-Kategorie keine Antwortkategorie markieren. Die vorliegende Studie
analysiert Ausmaß und Bedeutung dieses Listenfragen-Effekts. Als Analysegrundlage
dient eine postalische Befragung von n = 228 Versicherten einer Arbeiterrentenversicherung
mit Antrag auf medizinische Rehabilitation (A1-Studie). Zum Vergleich werden zwei
weitere Datensätze herangezogen. Der Listenfragen-Effekt wurde operationalisiert durch
Antwortmuster mit (1.) mindestens einem fehlenden Wert und (2.) mindestens einem gültigen
Wert und (3.) Fehlen von „Überhaupt-nicht”-Antworten. Die Häufigkeit des Listenfragen-Effekts
in den drei Surveys ist sehr unterschiedlich. In der A1-Studie hatten 75 % der Befragten
komplette Daten, 16,2 % einen postulierten Listenfragen-Effekt. Durch Imputation der
fehlenden Werte unter der Annahme des Listenfragen-Effekts reduzierte sich der Anteil
fehlender Skalenwerte von 12,3 % auf 0,4 %. Die Nichtberücksichtigung des Listenfragen-Effekts
führt zu einer Überschätzung der Symptomausprägung bzw. zu einer systematischen Exklusion
gering belasteter Probanden. Mögliche Gründe für das Phänomen werden diskutiert. Das
tatsächliche Auftreten des Effekts muss in weiteren methodischen Studien überprüft
werden.
Abstract
Item non-response is a potential threat to the validity of study results. Taking the
somatisation subscale of the SCL-90-R as an example, we hypothesise a specific response
pattern (”checklist-effect”) that is characterised by symptom-free persons not checking
the “not at all”-category. The present study analyses the extent and relevance of
this postulated “checklist-effect”. Our data is derived from a survey of n = 228 blue-collar
workers who previously had filed applications for medical rehabilitation benefits
(A1-study), and two additional surveys as well. We defined the “checklist-effect”
by the following response pattern: (1) at least one missing value and (2) at least
one valid item response and (3) no “not at all”-responses. Occurrence of the “checklist-effect”
in the three datasets differed widely. 75 % of the responders in the A1-Study had
complete data, 16.2 % a postulated “checklist-effect”. Imputation of missing values
under the assumption of a “checklist-effect” led to a reduction of missing data in
the somatisation-subscale from 12.3 % to 0.4 %. Ignoring the “checklist-effect” would
overestimate the symptom level. Possible explanations for the effect are discussed.
However, the validity of this effect has yet to be proven via methodological studies.
Schlüsselwörter
Fehlende Werte - Missing Data - Imputation - SCL-90-R - Somatisierung
Key words
Missing data - imputation - SCL-90-R - somatisation
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Email: oskar.mittag@sozmed.uni-luebeck.de