Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2004; 39(5): 255
DOI: 10.1055/s-2004-814513
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vom Sanitätsdienst lernen?

Following the Medical Service?H.  A.  Adams
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Publication Date:
24 May 2004 (online)

Das vorliegende Heft enthält einen von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr erstellten Beitrag „Intensivtherapie beim militärischen Langstreckentransport”, der noch vor wenigen Jahren politisch wie medizinisch unvorstellbar gewesen wäre.

Das politische Umfeld und der Auftrag der Bundeswehr haben sich in einem Zeitraum von gut zehn Jahren - unter durchaus verschiedenen Regierungen - fundamental gewandelt. Der Einsatz der Bundeswehr jenseits der Landesgrenzen ist Realität geworden; dies war und ist Gegenstand lebhafter Diskussionen und ist damit auch einer breiten Öffentlichkeit nur zu gut bekannt.

Weniger bekannt und kaum beachtet sind dagegen die Konsequenzen des geänderten Einsatzspektrums für den Sanitätsdienst der Streitkräfte, der sich neuen und bisher unbekannten Aufgaben stellen muss. Nicht mehr die Bewältigung des - Gott sei Dank - abstrakt gebliebenen „Verteidigungsfalles” als kriegerischer Auseinandersetzung zwischen Staaten und Bündnissen steht heute im Zentrum, sondern die Meisterung konkreter medizinischer Herausforderungen in einem breiten Spektrum militärischer Optionen unterhalb dieser Schwelle. Die dazu erforderliche Neuorientierung und Umstrukturierung ist in einem geradezu atemberaubenden Tempo erfolgt, das deutlich mit den diesbezüglich sattsam bekannten gesamtstaatlichen Verhältnissen kontrastiert und so manchen leistungswilligen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Erstaunen versetzt.

Hier sei ein kurzer persönlicher Rückblick erlaubt. Im Jahr 1984 hatte der Verfasser, damals in verantwortlicher Position im Sanitätsdienst der Marine tätig, eine Mindestausstattung für die an Bord der Schiffe vorzuhaltende Notfallausrüstung bestimmt. Dies führte zu nachhaltigen Rückfragen von Fachvorgesetzten, die unter anderem wissen wollten, was denn ein ZVK sei. Diese Anfrage konnte sowohl fachlich wie logistisch zufriedenstellend beschieden werden, indem die Verwendung des Artikels erklärt und beruhigend darauf hingewiesen wurde, dass er dienstlich (auf dem Versorgungsweg) zu beziehen sei. Gibt es einen stärkeren Kontrast als den oben genannten Beitrag, in dem eine Ausrüstung vorgestellt wird, die nicht etwa geplant, sondern konkret verfügbar und bewährt ist, und die bei manch klinisch tätigem Anästhesisten Neidgefühle wecken kann? Wie oft werden doch schwerkranke Intensivpatienten unter geradezu behelfsmäßigen Bedingungen in den Kliniken zum Computer-Tomographen usw. transportiert, und wie oft werden ebensolche Patienten mit den üblichen Rettungsmitteln und deren nur begrenzt geeigneten Ausstattung von Klinik zu Klinik transportiert. Und mit dem Material ist es ja allein nicht getan; es gehört suffizient ausgebildetes, jederzeit verfügbares und motiviertes Personal dazu, um nach kurzer Vorlaufzeit rasch Hilfe zu bringen. Es ist eine vorbildliche Leistung, wenn die Opfer eines Sprengstoffanschlags nach 24 Stunden - und sehr wohl bereits primär versorgt und stabilisiert - in die Heimat gebracht werden. Hier wird in einem größeren Rahmen beispielhaft gezeigt, dass suffiziente Primärversorgung und rascher Transport zur definitiven Versorgung keine Widersprüche sind, zu denen sie gern hochstilisiert werden - ein Vorbild, an dem sich auch der alltägliche Rettungsdienst in seinem überschaubaren Umfeld orientieren kann.

Der Lufttransport von Intensivpatienten steht beispielhaft für den Wandel im Sanitätsdienst der Streitkräfte. Noch vor nicht allzu langer Zeit - ob berechtigt oder unberechtigt sei dahingestellt - belächelt und nicht ernst genommen, hat der Sanitätsdienst nicht nur den Anschluss an die moderne Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin gewonnen, sondern in bestimmten Bereichen Maßstäbe gesetzt. Dies wollen wir unseren Kollegen im Sanitätsdienst gerne gönnen und uns über jeden Erfahrungs- und Gedankenaustausch freuen. Dazu soll auch der Beitrag in diesem Heft dienen.

Prof. Dr. med. H. A. Adams

Zentrum Anästhesiologie · Medizinische Hochschule Hannover ·

Carl-Neuberg-Straße 1 · 30625 Hannover

Email: adams.ha@mh-hannover.de

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