Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2004; 40
DOI: 10.1055/s-2004-817619

Knollenbl�tterpilz-Intoxikation in der Schwangerschaft

P Schleufe 1, C Seidel 2
  • 1Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Zentrum f�r Kinderheilkunde Informationszentrale gegen Vergiftungen Universit�tsklinikum Bonn, Bonn

Eine in der 28. Woche schwangere Frau verzehrte gemeinsam mit drei weiteren Familienmitgliedern ein Pilzgericht, wobei die Herkunft der Pilze nicht mehr feststellbar war. Unter diesen Pilzen befand sich mindestens ein Knollenbl�tterpilz. Am folgenden Morgen litten drei Personen unter �belkeit, Erbrechen und Diarrhoe, w�hrend der Ehemann symptomlos blieb. Die Patientin wurde nach initialer Behandlung im Heimatkrankenhaus und etwa 31 Stunden nach Ingestion auf die hiesige an�sthesiologische Intensivstation verlegt. W�hrend des Transports und nach der Aufnahme bestanden unver�ndert �belkeit, Erbrechen und Diarrhoe bei stabilem Kreislauf. Die Sonographie von Leber und Uterus sowie die Cardiotokographie (CTG) waren unauff�llig und die Schwangerschaft intakt. Eine mitgelieferte Urinprobe wurde in die Toxikologie der MHH gesandt, in der noch in derselben Nacht -Amanitin nachgewiesen wurde. Damit war die Diagnose der Knollenbl�tterpilz-Intoxikation gesichert.

Nach der Anlage eines zentralen Venenkatheters (bei unauff�lligen Gerinnungswerten) erfolgte die wiederholte Bestimmung der Elektrolyt-Konzentrationen im Plasma, der hepatischen Laborparameter Ammoniak, Transaminasen und Bilirubin und der Kreatinin-Konzentration. Zus�tzlich wurde die Blutgruppe festgestellt.

Zur Elimination des Toxins aus dem enterohepatischen Kreislauf erhielt die Patientin in den ersten 24 Stunden in sechsst�ndlichem Abstand 1g/kg K�rpergewicht (KG) Carbo medicinalis. Zus�tzlich wurden in den ersten 24 Stunden 2�40g Glaubersalz zur Beschleunigung der Darmpassage verabfolgt. Da die Giftaufnahme mehr als 24 Stunden zur�ck lag, kam eine H�modialyse nicht mehr infrage. Daher wurde durch entsprechende Infusion von Vollelektrolyt-L�sungen die Diurese forciert, um die renale Elimination von Amanitin zu erh�hen. Dazu war ein Einsatz von evtl. fruchtsch�digenden Diuretika nicht erforderlich. Trotz fehlender Hinweise auf eine Plazentapassage von Amanitin erfolgte dar�ber hinaus an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Lungenreifungstherapie mit 8mg Betametason i.v..

Zur speziellen medikament�sen Therapie der Amanitin-Intoxikation wurde Silibinin (Legalon� Sil) in einer Initialdosis von 5mg/kg KG �ber eine Stunde sowie nachfolgend mit 20mg/kg KG als Dauerinfusion f�r 72 Stunden appliziert. Zus�tzlich erfolgte die Infusion von zun�chst 1 Mio. I.E./kg KG Penicillin �ber die ersten 24 Stunden und anschlie�end 0,5 I.E./kg KG/Tag f�r den 2. und 3. Tag. Silibinin und Penicillin hemmen unspezifisch die Aufnahme des Toxins in die Leberzelle. F�r diese Phase erhielt die Patientin 15.000 IE Heparin i.v. pro Tag zur Antikoagulation.

Initial fanden die Labor-Kontrollen 4-st�ndlich, sp�ter 8-st�ndlich statt. Besonders relevant waren die hepatischen Parameter Ammoniak, Transaminasen und Bilirubin, das Kreatinin, die Gerinnungsparameter Quick und PTT sowie die Elektrolyte. Alle Laborparameter blieben ebenso wie die t�glich durchgef�hrten Cardiotokographien ohne pathologischen Befund. Insgesamt blieb die Patientin f�nf Tage zur �berwachung im Krankenhaus und konnte danach gesund und mit intakter Schwangerschaft nach Hause entlassen werden. Einen Tag vor dem errechneten Termin brachte die Patientin einen gesunden Jungen zur Welt.

Bereits bei Aufnahme der Patientin wurde ein Konzept erstellt, zu welchem Zeitpunkt im Fall eines Leberversagens eine Sectio durchgef�hrt w�rde. Eine Sectio w�re durchgef�hrt worden, wenn ein Abfall des Quick-Wertes unter 50% als Zeichen des Leberversagens eingetreten w�re, ohne dass dieses Vorgehen in der Literatur oder durch Leitlinien belegt ist.