Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3615
DOI: 10.1055/s-2004-819878

Defizite in der Emotionsverarbeitung bei Patienten in stationärer psychosomatischer Behandlung–empirische Daten und Fallbeispiele

C Subic-Wrana 1, S Bruder 1, W Thomas 1, K Köhle 1
  • 1Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universität Köln

Patienten in stationärer psychosomatischer Behandlung (multimodale psychodynamische Therapie) wurden zu Beginn (N=394) und zu Ende der Behandlung (N=249) mit dem SCL 90, dem Angstfragebogen STAI, dem Alexithymiefragebogen TAS 20 und der LEAS, einem Performance-Test zur Prüfung der Emotionsverarbeitungsfähigkeit, untersucht. Gemessen mit der LEAS, war die Fähigkeit, emotionales Beteiligtsein wahrzunehmen und auszudrücken, bei Patienten mit somatoformen Störungen und bei Patienten mit durch psychische Faktoren beeinflussten körperlichen Erkrankungen (ICD 10 F 54.0) bei Behandlungsbeginn signifikant geringer ausgeprägt als bei Patienten mit depressiven Erkrankungen, Angst- und Zwangsstörungen, Anpassungsstörungen und Essstörungen; nur in den beiden erstgenannten Diagnosegruppen war die mit der LEAS gemessene Fähigkeit zur Emotionsverarbeitung bei Behandlungsende signifikant verbessert. Im Alexithymie-Selbsteinschätzungsfragebogen TAS 20 zeigten sich diese diagnoseabhängigen Unterschiede nicht, hier besserten sich bei allen Patienten die Alexithymiewerteam Ende der Behandlung. Die hohe Überlappung der TAS-20-Werte von den anderen Selbsteinschätzungsbögen für negativen Affekt konnte statistisch demonstriert werden (während die LEAS statistisch unabhängig von den Fragebogen für negativen Affekt war, wurde die Überlappung zwischen TAS 20, STAI und SCL kontrolliert), war die Besserung der TAS-20-Alexithymiewerte am Behandlungsende nicht mehr signifikant.

Die Ergebnisse der Studie verweisen darauf, dass eine verminderte Fähigkeit zur Emotionswahrnehmung in den Diagnosegruppen, die ursprünglich von Sifneos und Nemiah als „alexithym“ beschrieben worden sind, eine wesentliche Komponente des Beschwerdebilds darstellt; zugleich zeigt sich, dass sich dieses Defizit durch multimodale psychodynamische Therapie im stationären Rahmen vermindern lässt. Die anhand des Vergleichs der Messinstrumente (LEAS vs. TAS 20) deutlich werdenden methodischen Probleme bei der Erfassung einer geminderten Fähigkeit zur Emotionsverarbeitung werden diskutiert; die Auswirkungen einer verminderten Fähigkeit zur Emotionsverarbeitung und die Möglichkeiten zu ihrer Behandlung werden an Fallbeispielen verdeutlicht.