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DOI: 10.1055/s-2004-822063
Klinische Notfallambulanzen – Zwischen Patientinnenbedürfnissen und medizinisch definiertem Versorgungsbedarf
Fragestellung: Klinische Notfallambulanzen (K.N.) sind primär auf die notfallmedizinische Versorgung von akut oder schwer erkrankten Patienten ausgerichtet. Daten aus Europa und den USA weisen auf hohe Inanspruchnahme dieser K.N. durch sozial benachteiligte Gruppen und ethnische Minoritäten sowie eine hohe Rate von „unangemessener Nutzung“ hin. In K.N. als Schnittstelle zwischen Patientenbedürfnissen und medizinisch definierten Versorgungsbedarf treffen unterschiedliche Konzepte eines Notfalls aufeinander. Zu fragen ist, inwieweit auch psychosoziale Probleme in Form von körperlichen Beschwerden und Schmerzen Patientinnen in die K.N. führen.
Methodik: Untersuchung zur Inanspruchnahme internistischer und gynäkologischer Notfallambulanzen (BMBF-gefördertes Drittmittelprojekt) mittels ca. 800 30minütiger standardisierter Interviews und Auswertung von über 5.000 sog. Erste-Hilfe-Scheinen in 3 K.N. großstädtischer Kliniken der Maximalversorgung in Stadtbezirken mit hohem Migrantenanteil; Datenvergleich getrennt nach Geschlecht und Ethnizität.
Ergebnisse: Die Dringlichkeit der ärztlichen Behandlung wird von Patienten insgesamt als hoch eingeschätzt, obwohl mehr als 1/3 der Befragten die Hauptbeschwerden bereits seit mehr als 3 Tagen hatten. Migrantinnen berichten über stärkere Belastungen durch Alltagsstress, mehr (Kopf-)Schmerzen und mehr Gewalterfahrungen. Sie nutzen die K.N. häufiger als es dem Anteil der Wohnbevölkerung entsprechen würde, stellen sich eher zu Abend- und Nachtzeiten und häufiger am Wochenende vor. Migrantinnen wurden seltener stationär aufgenommen (30 versus ca. 60%). Nahezu 35% der Patientinnen wurde eine ICD 10-Diagnose zugeordnet, die eine psychosoziale bzw. psychosomatische (Mit-) Verursachung der Beschwerden nahelegt.
Schlussfolgerung: Für eine nicht geringe Anzahl von Patientinnen, insbesondere mit Migrationshintergrund, scheinen klinische Notfallambulanzen eine wichtige Anlaufstelle bei gesundheitlichen aber auch bei eher psychosozial bedingten Problemen zu sein. Patientenorientierte K.N. sollten daher multidisziplinäre Einrichtungen mit notfallmedizinischer und auch psychosozialer Kompetenz sein.