Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - AB66
DOI: 10.1055/s-2004-822528

Posttraumatische Belastungsstörung bei tschetschenischen Flüchtlingen

R Lianowa 1, P Joraschky 1, C Groß 1, M Mück-Weymann 1, K Pöhlmann 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden

Fragestellung. Etwa 20–30% aller in Europa Schutz suchenden Flüchtlinge sind nach internationalen Statistiken Überlebende von schweren traumatisierenden Erlebnissen und Folter. In der vorliegenden Studie wurden traumatische Ereignisse und die Rate einer posttraumatischen Störung bei tschetschenischen Migranten, die in ihrer Heimat unter langjährigen Kriegsbelastungen litten, untersucht.

Methodik: 49 tschetschenische Migranten wurden nach potenziell traumatischen Ereignissen und posttraumatischer Belastung (IES-R, Maercker & Schützwohl, 1998) befragt. Zusätzlich wurden persönliche Offenheit und erlebte Wertschätzung erfasst. Die Stichprobe bestand aus 69,7% Frauen und 30,3% Männer, das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren (Range: 16–68). Über 80% der Probanden lebte 4 Jahre oder länger im Kriegsgebiet, die Migration lag zum Zeitpunkt der Untersuchung 1 bis 2 Jahre zurück.

Ergebnisse: Die posttraumatische Symptombelastung war über alle drei Symptomgruppen, Intrusion, Avoidance und Hyperarousal überdurchschnittlich hoch. Die diagnostischen Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung erfüllten 57,6% der untersuchten Stichprobe. Viele der Probanden hatten Ereignisse wie Kriegshandlungen (93,9%), Evakuierungen (87,7%), erzwungene Trennungen (81,8%) und die Konfrontation mit Leichen (54,5%) erlebt. Es bestand ein enger Zusammenhang zwischen posttraumatischer Belastung und dem Ereignis „selbst einen Menschen zu verletzen oder zu töten“. Die Symptomatik der PTBS war stärker ausgeprägt, wenn die Probanden negative Wertschätzungen von ihrer Umwelt erhielten und ihre emotionalen Reaktionen auf das traumatische Ereignis offen zeigten.

Diskussion: Die Ergebnisse machen deutlich, dass die untersuchten tschetschenischen Flüchtlinge stark posttraumatisch belastet sind. Erhebliche Differenzen zeigen sich bei der Auswirkung der verschiedenen Ereignisse auf die Symptome der PTBS. Die Bewertung des Betroffenen und die Unterstützung die er erfährt beeinflussen offensichtlich die Ausprägung posttraumatischer Symptomatik.