Der Klinikarzt 2004; 33(3): 41
DOI: 10.1055/s-2004-823135
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pharmareferenten - unentbehrlich oder überflüssig?

A. Weizel1
  • 1Mannheim
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Publikationsdatum:
15. April 2004 (online)

Pharmareferenten sind nicht billig: Sie kosten die Firmen in Deutschland etwa 1,4 Milliarden Euro im Jahr - eine Summe, die sich durch den Umsatz wieder amortisieren muss. In den letzten Jahren ist der Konkurrenzdruck in der Pharmaindustrie deutlich stärker geworden. Diesen Druck gibt die Industrie natürlich auf ihre Außendienstmitarbeiter weiter, um das angestrebte Umsatzziel zu erreichen. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass Pharmareferenten bereits bei der Planung ihrer Besuche selektieren: Häufig besuchen sie Praxen mit kleinem Umsatz nicht mehr, Praxisinhaber mit großem Umsatz jedoch erfreuen sich großer Beliebtheit und sind nach wie vor Empfänger diverser Aufmerksamkeiten - vom Kugelschreiber bis zum Wochenendaufenthalt in Luxushotels mit wissenschaftlichem Programm.

Viele Mediziner sehen die Arbeit der Pharmareferenten nur negativ. So wird im Arzneimitteltelegramm (Ausgabe 10/2003) empfohlen, „Besuche der Pharmareferenten drastisch einzuschränken oder sogar generell zu unterbinden. Dies schützt vor offener oder subtiler interessengesteuerter Beeinflussung, gezielter Desinformation und spart Zeit.” Tatsächlich erfolgt auch heute noch in vielen Fällen die Information über Medikamente hauptsächlich über Pharmareferenten. Wie gut diese Information ist, hängt dabei von der Ausbildung und der Kenntnis der Firmenmitarbeiter ab.

Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Wandel vollzogen. Die Zeit, in der Pharmareferenten sich ihr (Basis-)Wissen in einem Schnellkurs angeeignet haben und dann auswendig gelernte Texte ablieferten, ist vorbei. Ein Großteil der Außendienstmitarbeiter hat ein akademisches Studium hinter sich und ist durchaus in der Lage, eine fundierte Diskussion zu führen. Mitarbeiter, die diesen Ansprüchen nicht genügen, disqualifizieren sich selbst und werden nicht ernst genommen.

Überschätzt wird meines Erachtens die Beeinflussung des Verordnerverhaltens der Ärzte durch die Arbeit der Pharmareferenten. Die meisten Kollegen und Kolleginnen sind erfahren genug, die Aussagen der Firmenvertreter kritisch zu werten - zumal die Mitbewerber die Schwachpunkte der Konkurrenzpräparate in der Regel ohnehin deutlich machen, sodass ein Vergleich möglich ist. Ob durch opulente Einladungen Ärzte „gekauft” werden können, erscheint mir mehr als fraglich, da sich viele Kollegen meiner Erfahrung nach schon nach wenigen Wochen nicht mehr an den Sponsor erinnern können.

Im Übrigen hat sich der Schwerpunkt der Debatte mit den Pharmareferenten deutlich verlagert. Während in früheren Zeiten die Diskussion über die Eigenschaften des Präparats im Vordergrund stand, ist heute leider meist die Preisdiskussion Kernpunkt des Gesprächs. Trotz allem muss man aber davon ausgehen, dass der größte Teil der Ärzte nach wie vor nur durch Pharmareferenten über die Entwicklungen im Medikamentensektor unterrichtet wird, wobei eine gute Diskussion mit einem solide ausgebildeten Referenten durchaus einen Zuwachs an Wissen bewirken kann. Dass hierbei Firmen und Produktinteressen eine Rolle spielen, ist eine von beiden Seiten anerkannte Grundvoraussetzung.

Eine wesentliche Änderung wird wahrscheinlich durch die gesetzlich verordnete Fortbildungsverpflichtung eintreten, an der sich übrigens auch der klinikarzt mit seinen CME-zertifizierten Schwerpunkten beteiligt. Damit ergibt sich die Möglichkeit, dem Kollegen neutrale Information zukommen zu lassen - wobei meines Erachtens auch hier subjektive Bewertungen nicht absolut ausgeschlossen sind. Wenn alle regelmäßig an diesen Programmen teilnehmen, wird der Bedarf an Informationen durch die Pharmaindustrie zurückgehen. Es ist vorstellbar und auch wünschenswert, dass auch die Pharmaindustrie diesen veränderten Bedingungen Rechnung trägt und sich (soweit dies rechtlich zulässig ist) ihrerseits finanziell an diesen von Ärztekammern, kassenärztlichen Vereinigungen oder hoffentlich unabhängigen Veranstaltungen beteiligt. Wer gute Präparate zu verkaufen hat, wird auch unter diesen Umständen positiv abschneiden.

Prof. Dr. A. Weizel

Mannheim

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