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DOI: 10.1055/s-2004-825721
Einheitliche, klinikübergreifende Tumordokumentation im HNO-Bereich
Zur Arbeit von S. Langenberg et al.: Entwicklung eines Datenbanksystems zur klinikübergreifenden HNO-TumordokumentationMulticentric Tumor Documentation in the ENTPublication History
Publication Date:
16 July 2004 (online)
Die standardisierte, klinikübergreifende Dokumentation von Tumorerkrankungen im Kopf-Hals-Bereich stellt eine wichtige Voraussetzung für die Erlangung von epidemiologischen Daten, für die Vergleichbarkeit von Therapieregimen, zur Qualitätssicherung und für die Durchführung multizentrischer Studien dar. Zur Zeit werden medizinische Dokumentationen überwiegend für administrative Zwecke genutzt. Klinische Daten von onkologischen Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich werden bisher entweder nur unzureichend oder in einer Vielzahl, meist klinikspezifischer, Datensysteme dokumentiert. Ein allgemein anerkanntes und einheitlich benutztes Datenbanksystem für die Tumordokumentation im Kopf-Hals-Bereich ist zur Zeit nicht verfügbar. Hierin unterscheidet sich die Situation in der HNO-Heilkunde von der anderer Fächer, in denen bereits seit Jahren eine einheitliche Tumordokumentation eingeführt ist und seither fortgeführt bzw. aktualisiert wurde (z. B. Tumordokumentation der DÖSAK in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie; Kinderkrebsregister) [1] [2].
In den neunziger Jahren erfolgte auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Onkologie” der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie die Entwicklung einer Tumordatenbank (MICANDOS®), die sich jedoch in der Anwendung im klinischen Alltag als nicht praktikabel erwies. Darüber hinaus haben sich die Dokumentationsprogramme, mit denen die Kerndaten, die von den Kliniken für die Krebsregister zur Verfügung gestellt werden müssen, als für eine umfassende Tumordokumentation im Kopf-Hals-Bereich unzureichend erwiesen. Insbesondere fehlen in diesen Dokumentationen die für den Kopf-Hals-Bereich wichtigen Informationen für die Qualitätskontrolle der Diagnostik und Therapie, wie z. B. angewandte diagnostische Methoden und Behandlungsstrategien, Tumornachsorgeprogramme, Risikofaktoren, Komorbidität, prä- und posttherapeutische funktionelle Störungen und sozialmedizinische Angaben z. B. zur Arbeitsunfähigkeit. Zudem eignen sich diese Programme in der Regel nicht für wissenschaftliche Untersuchungen. Eine zusätzliche Erschwernis liegt in der Vielzahl der im Kopf-Hals-Bereich vorkommenden Tumoren bzw. Tumorstadien, die sich in ihrem klinischen Verlauf unterscheiden, so dass pro Zentrum und Jahr nur relativ geringe Zahlen von gleichen Tumoren gleichen Tumorstadiums anfallen.
An ein Programm für eine ausreichende Tumordokumentation im Kopf-Hals-Bereich sind folgende Anforderungen zu stellen: Neben der Erfassung der gesetzlich geforderten epidemiologischen Daten [3] sind Angaben zu prä- und posttherapeutischen funktionellen Störungen, der durchgeführten Diagnostik und Therapie und Verlaufsdaten notwendig. Daneben muss ein solches Programm eine einfache Nutzbarkeit und Praktikabilität im klinischen Alltag haben. Nur hiermit wird eine möglichst komplette Erfassungsrate gewährleistet. Hierzu gehört auch ein überschaubarer zeitlicher Aufwand, um die ohnehin schon übermäßige Belastung des ärztlichen Dienstes mit Dokumentationsaufgaben nicht noch weiter zu erhöhen, und die Verwendung eines möglichst weit verbreiteten Betriebssystems. Das Programm muss eine Schnittstelle zu den gebräuchlichen klinikinternen administrativen Patientendatenverwaltungsprogrammen (z. B. ISH-Med®, Orbis® etc.) haben, um Doppeleingaben, z. B. von Patientenstammdaten, zu vermeiden. Zusätzlich muss ein Datenaustausch mit Tumorzentren und zwischen einzelnen Zentren möglich sein, einerseits um die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationen mit dem gleichen Programm erfüllen zu können, andererseits für die Möglichkeit der Durchführung von multizentrischen Studien. Letztlich muss an ein modernes Programm auch die Forderung der Erweiterung z. B. um biologische Daten oder weitere Daten der wissenschaftlichen Forschung oder bei Einführung von neuen Therapieformen gestellt werden. Somit ist es sinnvoll, ein solches Programm mit der Möglichkeit der Einfügung von zusätzlichen klinikspezifischen „Forschungsseiten” auszustatten.
Auf Grund der zur Zeit nur mangelhaften klinikübergreifenden und einheitlichen Dokumentation von Tumoren im Kopf-Hals-Bereich haben einige Autoren die Problematik aufgenommen und Vorstöße in diese Richtung unternommen. Erst in jüngster Zeit wurde von Jacob et al. eine relationale, auf einer Windows®-Plattform basierende Tumordatenbank vorgestellt [4]. Die von Langenberg et al. in dieser Ausgabe vorgestellte Datenbank verfolgt eine ähnliche Zielsetzung. Diese Initiativen sollten Anlass sein, die Diskussion über die Tumordokumentation im Kopf-Hals-Bereich erneut zu eröffnen mit der Zielsetzung der Einführung einer bundesweiten einheitlichen Erfassung der fachspezifischen Daten, um schneller und zuverlässiger Aussagen zur Epidemiologie der Kopf-Hals-Tumoren, der Qualität von Diagnose- und Therapieregimen, Therapieerfolgsabschätzung, Überlebensraten und Erhaltung der Lebensqualität vor dem Hintergrund der durchgeführten Therapie treffen zu können.
Literatur
- 1 Howaldt H P, Frenz M, Pitz H. Results from DÖSAK observational studies: A comparison of radical and conservative neck dissection. Recent Results Cancer Res. 1994; 134 173-182
- 2 Kaatsch P, Haaf G, Michaelis J. Childhood malignancies in Germany - methods and results of a nationwide registry. Eur J Cancer. 1995; 31 993-999
- 3 Wagner G, Hermanek P, Wittekind C, Sinn H P. Organspezifische Tumordokumentation, 2. Auflage. http://www.krebsgesellschaft.de. Deutsche Krebsgesellschaft 2001
- 4 Jacob R, Welkoborsky H J. Vorstellung einer Tumordatenbank für die HNO-Heilkunde. Laryngo-Rhino-Otol. 2002; 81 875-881
Prof. Dr. Dr. H.-J. Welkoborsky
HNO-Klinik, Klinikum Hannover Nordstadt
Haltenhoffstraße 41 · 30167 Hannover