Intensivmedizin up2date 2005; 1(1): 69-81
DOI: 10.1055/s-2004-825991
Operative Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Abdominelles Kompartment-Syndrom (mit Videos)

Stefan  Wilhelm, Martin  Schuster, Thomas  Standl
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Publication Date:
05 July 2006 (online)

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Kernaussagen
Bedeutung
Ungeachtet der in den vergangenen 10 Jahren angestiegenen Anzahl experimenteller und klinischer Untersuchungen zum abdominellen Kompartment-Syndrom, die das ACS als lebensgefährliches Krankheitsbild mit der Gefahr der Ausbildung eines Multiorganversagens charakterisieren, erfährt das Syndrom nach wie vor eine zu geringe Beachtung.
Pathophysiologie und Krankheitsbild
Primäres und sekundäres ACS zeigen eine ähnliche Symptomatik und Pathophysiologie, erfordern ein entschlossenes therapeutisches Vorgehen, stellen jedoch basierend auf ihren Ursachen kein homogenes intensivmedizinisches Krankheitsbild dar.
Beim primären ACS verursachen in erster Linie akute abdominelle Erkrankungen sowie schwere Abdominal- und Beckentraumata direkt die intraabdominelle Druckzunahme.
Das sekundäre ACS ist demgegenüber häufig Folge einer abdominellen Ischämie bzw. Reperfusion, häufig im Rahmen von Akutinterventionen, wie z. B. postoperativ nach Eingriffen an der Aorta, ausgedehnten Reanimationsmaßnahmen oder bei schwer polytraumatisierten Patienten mit hämorrhagischem Schock. Der unkritische Einsatz großer Mengen an Kristalloiden begünstigt in diesem Zusammenhang das Auftreten eines Darmödems und potenziert dadurch möglicherweise das Risiko eines ACS.
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht auf eine intraabdominelle Hypertension sollte der Blasendruck unverzüglich und wiederholt mit der modifizierten Methode nach Cheatham gemessen werden.
Eine standardisierte Vorgehensweise mit sorgfältiger Kontrolle der Druckaufnehmer (cave: Luftblasen) und eine korrekt eingehaltene Nullreferenz (Symphyse!) sind unverzichtbar, um eine hinreichende Reproduzierbarkeit der einzelnen Messungen zu gewährleisten.
Alternative, z. T. sehr kostspielige Messtechniken sind bei bestimmten Risikokonstellationen vorteilhaft, müssen sich angesichts des weiter zunehmenden Kostendrucks wirtschaftlich erst noch behaupten.
Therapeutisches Vorgehen
Ein abdomineller Druck zwischen 15 und 20 mm Hg liegt in einem kritischen Grenzbereich, in dem - je nach Situation - eine konservative Therapieoption besteht. Eckpunkte dieser Therapie sind sämtliche Maßnahmen, die dazu beitragen, das intraabdominelle Volumen zu verringern und die pathologisch veränderte pulmonale bzw. kardiozirkulatorische Situation beim Patienten zu verbessern.
Ein rasch progredienter Druckanstieg > 25 mm Hg bzw. eine lang andauernde Druckerhöhung > 20 mm Hg mit einer konsekutiven Verschlechterung der pulmonalen, kardiozirkulatorischen, renalen, intestinalen und zerebralen Funktion sind Warnsignale für ein sich abzeichnendes Multiorganversagen und erfordern in aller Regel eine umgehende chirurgische Versorgung mit der Anlage eines Laparostomas.
Nur die rechtzeitige dekompressive Laparatomie kann dazu beitragen, die hohe Letalität beim ACS zu reduzieren.

Literatur

Prof. Dr. med. Thomas Standl

Städtisches Klinikum Solingen
Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Köln

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