Pneumologie 2005; 59(8): 533
DOI: 10.1055/s-2004-830186
Pneumologische Blickdiagnose
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nicht nur blaues Blut färbt das Gesicht

The Face in not only Coloured by Blue BloodR.  Ostermaier1 , M.  Liese2 , K.  Matschke3 , C.  Pfeiffer4
  • 1Gemeinschaftspraxis im Spickel, Augsburg
  • 2Röntgenpraxis, Diakonissenkrankenhaus (Dr. K. Holzweißig), Dresden
  • 3Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Herzchirurgische Klinik (Chefarzt: Dr. K. Matschke), Dresden
  • 4Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Dermatologie (Prof. Dr. M. Meurer), Dresden
Frau Dr. I. Löffler zum Geburtstag gewidmet.
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Publication History

Publication Date:
18 August 2005 (online)

Im Anschluss an eine Elektrophysiologische Untersuchung wegen ventrikulärer Rhythmusstörungen wurde aufgrund eines Blutdruckabfalles eine Echokardiographie zum Ausschluss einer Perikardtamponade durchgeführt. Bei dem präkollaptischen Patienten fiel eine eigentümliche blaue Gesichtsverfärbung auf, im Halbdunkel des Raumes einer Zyanose ähnelnd (Abb. [1]).

Nach echokardiographischer und klinischer Entwarnung (Ausschluss eines Perikardergusses - die Präsynkope war vagal bedingt) stellten wir im interdisziplinären Diskurs die eigentliche Diagnose: Amiodaron-induzierte Hautverfärbung. Dazu passend die Röntgen-Thorax-Aufnahme des Patienten: Amiodaron-induzierte Lungenfibrose (Abb. [2]).

Amiodaron ist ein Klasse-III-Antiarrhythmikum mit überwiegender Verlängerung der Repolarisation (im EKG Verlängerung der QT-Zeit), aber auch Klasse I, II und sogar Klasse IV-Eigenschaften. Aufgrund seiner ausgeprägten Lipophilie reichert es sich überwiegend im Fettgewebe an, aber auch in der Lunge. Die Ablagerung in der Haut führt in 5 - 20 % der Patienten zu einer Photosensibilisierung [1], eine andere seltenere und dosis-abhängige Nebenwirkung ist die gräulich-blaue Verfärbung des Gesichtes [2]. Die Lungenfibrose gilt als dosisabhängige Nebenwirkung mit einer Inzidenz 0 - 9 %, diese steigt bei höheren Erhaltungsdosen [3]; es sind aber dramatische Verläufe schon in der Aufsättigungsphase beschrieben worden: nach 8 Tagen bzw. 7200 gm und 2 Wochen bzw. weniger als 10 gm [4] [5].

Neben der bisherigen Empfehlung von regelmäßigen Röntgen-Thorax-Kontrollen gilt die Abnahme der Diffusionskapazität als sensitivster „Frühwarn-Parameter”. Die Pneumonitis ist nach Absetzen des Amiodarons weitgehend reversibel, wegen der langen Halbwertszeit von Amiodaron von bis zu 60 Tagen kann der Prozess jedoch initial noch fortschreiten. Das Fibrosestadium stellt eine irreversible Spätfolge dar [3]. Die dargestellten Hautveränderungen können sogar nach Fortsetzung der Therapie mit reduzierter Dosis im Laufe der Jahre zurückgehen [2].

Der Stellenwert der Amiodaron-Therapie wird unter Kardiologen kontrovers diskutiert. Es ist als einziges Antiarrhythmikum nicht negativ inotrop und führt zu keiner Übersterblichkeit. Während der Einsatz bei ventrikulären Rhythmusstörungen zurückgeht, hat es sich zur Prophylaxe und Therapie bei postoperativem und intermittierendem Vorhofflimmern bewährt. Auch aufgrund der pulmonalen Nebenwirkungen sollte die Dosis für diese Indikation 200 mg/Tag nicht überschreiten.

Der Einsatz erfordert fortlaufende Wachsamkeit in Bezug auf die Nebenwirkungen, erschwert dadurch, dass die initialen klinischen Symptome und radiologischen Zeichen denen einer Herzinsuffizienz gleichen.

Hier ist dann die enge Kooperation mit dem Pneumologen notwendig - bei den Amiodaron-induzierten Nebenwirkungen als „Blickdiagnose” ist es leider meistens zu spät.

Abb. 1 Blau-graue Gesichtsverfärbung nach Amiodarontherapie.

Abb. 2 Lungenfibrose bei demselben Patienten, mitdargestellt: Zwei-Kammer-Schrittmacher.

Literatur

  • 1 Wilson  J S, Podrid  P J. Side effects from amiodarone.  Am Heart J. 1991;  121 158-171
  • 2 Beukema  W P, Graboys  T B. Spontaneous disappearance of blue-gray facial pigmentation during amiodarone therapy (Out of the Blue).  Am J Cardiol. 1988;  62 1146-1147
  • 3 Alter  P, Grimm  W, Maisch  B. Amiodaron-induzierte Pneumonitis bei dilatativer Kardiomyopathie.  Pneumologie. 2002;  56 31-35
  • 4 Kaushik  S, Hussain  A, Clarke  P. et al . Acute pulmonary toxicity after low-dose amiodarone therapy.  Ann Thorac Surg. 2001;  72 1760-1761
  • 5 Kharabsheh  S, Abendroth  C S, Kozak  M. Fatal pulmonary toxicity occuring within two weeks of initiation of amiodarone.  Am J Cardiol. 2002;  89 896-897

Dr. med. R. Ostermaier

Internist-Kardiologe-Pulmonologe Gemeinschaftspraxis im Spickel

Gentnerstr. 31

86161 Augsburg

Email: praxis-im-spickel@t-online.de

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