Zusammenfassung
Zielsetzung: Quantitative Beschreibung des Patientenkollektivs einer geschlossenen jugendpsychiatrischen
Akutstation. Methode: Die quantitativen Daten eines Patientenjahrgangs (2003) der geschlossenen jugendpsychiatrischen
Akutstation der eigenen Klinik wurden analysiert. Ergebnisse: Bei 308 Behandlungsepisoden erfolgte die Aufnahme in 78,2 % primär unter dem Rechtsgrund
des § 1631 b BGB, in 18,2 % nach Bayerischem Unterbringungsgesetz. 25 % der Patienten
blieben maximal 3 Tage, weitere 43,8 % zwischen 4 - 14 Tagen bei einem Median der
Aufenthaltsdauer von 8 Tagen und einer Gesamtdurchschnittsverweildauer von 13,4 Tagen.
Es zeigte sich ein weitreichendes Diagnosenspektrum mit kriseninterventorischen und
therapeutischen Behandlungen und entsprechenden Unterschieden der Durchschnittsverweildauer
je nach Diagnosen (F43.0/43.2: 8 Tage; F32/33: 19 Tage; F20: 33 Tage). Primär nach
dem Unterbringungsgesetz zugewiesene Patienten wurden signifikant nicht auf eine Station
im Hause weiterverlegt (p < 0,005), waren signifikant eher männlich (p < 0,005) und
blieben signifikant häufiger maximal 6 Tage auf Station (p < 0,005). Aufnahmen erfolgten
überwiegend von zu Hause (56,8 %) oder aus Jugendhilfeeinrichtungen (20,1 %), sowie
aus medizinischen Kliniken (13,6 %). Entlassungen führten nach Hause (40,9 %), in
Maßnahmen der Jugendhilfe (19,8 %) oder auf eine andere Station der eigenen Klinik
(32,3 %). Schlussfolgerungen: Die geschlossene Akutstation wird für Kinder und Jugendliche unterschiedlichster
Diagnosen genutzt. Die Aufnahme- und Unterbringungsvoraussetzungen werden diskutiert.
Abstract
Objectives: Quantitative data from a closed adolescent ward are presented. Method: Data from 308 treatment episodes in 2003 in the locked ward of Heckscher-Clinic for
Child and Adolescent Psychiatry and Psychotherapy were examined. Results: Among 308 treatment episodes legal concession based on § 1631 b BGB German law in
78.2 %, 18.2 % were admitted according to “Bayerisches Unterbringungsgesetz”. In 25
% treatment lasted up to 3 days or less, 43.8 % stayed from 4 up to 14 days. The average
length of stay was 13.4 days, with a median at 8 days. Diagnoses were widespread between
crisis intervention and intensive long-term treatment, the average length of stay
varied according to the diagnosis (F43.0/43.2: 8 days; F32/33: 19 days; F20: 33 days).
Patients admitted by police intervention (Bay. Unterbringungsgesetz) were primarily
not transferred to another ward of the clinic (p < 0.005), were primarily male (p
< 0.005) and stayed less than 7 days more often (p < 0.005). Patients were admitted
from at home (56.8 %) or from youth welfare institutions (20.1 %) and medical hospitals
(13.6 %). Discharge was to the family (40.9 %), youth welfare institutions (19.8 %)
and to another ward of the clinic (32.3 %). Conclusions: The closed ward in child and adolescent psychiatric treatment is used for patients
of most widespread diagnoses. Prior conditions for admission and for legal concessions
are discussed.
Schlüsselwörter
geschlossene Unterbringung Minderjähriger - Jugendpsychiatrie - Intensivstation
Key words
Closed ward commitment of juveniles under age - adolescent psychiatry - intensive
care
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Fachbereichsoberarzt Dr. med. Ulrich Rüth
Heckscher-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Bezirks
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Deisenhofener Straße 28
81539 München ·
eMail: ulrich.rueth@heckscher-klinik.de